Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wenn der Sponsor zum Sender wird
Handball-WM wird nur im Internet zu sehen sein – auf der Seite einer Bank
RAVENSBURG (sz/dpa/SID) - Die befürchtete „Total-Katastrophe“, wie der Handballfunktionär Bob Hanning vor wenigen Tagen das Schreckensszenario nannte, dass die deutschen Handballfans keinerlei Livebilder von der am 11. Januar beginnenden WM in Frankreich zu sehen bekommen würden, ist auf den letzten Metern abgewendet worden. Doch, dass durch die nun gefundene Lösung – der Handballsponsor DKB überträgt nach seiner Einigung mit dem weltweiten Rechteinhaber „beIN Sports“alle Spiele mit deutscher Beteiligung und andere ausgewählte Partien im Internet – der „Handball gerettet“worden sei (wieder Hanning), dürfte jetzt schon eine der Übertreibungen des Jahres sein.
Dass ein Sponsor die Bilder eines Großereignisses exklusiv übertragen darf, ist für die Fans besser als nichts. Die Spiele werden auf der Internetseite „handball.dkb.de“zu sehen sein und werden kostenlos gezeigt. Doch selbst beim Deutschen Handballbund (DHB) hat der abgeschlossene Deal für gemischte Gefühle gesorgt. „Dieser Rechteinhaber ist wirklich ein Ärgernis“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann über das katarische Medienunternehmen „beINSports“dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Der Rechteinhaber hatte nach monatelangen Verhandlungen sowohl ARD und ZDF als auch anderen Sendern und journalistischen Streamingdiensten wie DAZN teilweise ohne Nennung von Gründen abgesagt. Am Donnerstag bekam dann die DKB, eine Bank, die seit Jahren im Sportsponsoring aktiv ist, den Zuschlag. Als Vermittler war die Agentur Lagardère Sports aufgetreten, die deutsche Werbeagentur Jung-von-Matt war beratend tätig. „Ein neues Kapitel Sportgeschichte“, lautete der wenig bescheidene Kommentar von Jung-von-Matt-Geschäftsführer Robert Zitzmann.
Den DHB-Verantwortlichen wäre es am liebsten gewesen, wenn die WM im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen worden wäre. „Wir haben die Situation, dass wir als Europameister nach Frankreich fahren, und wir haben keine Bilder in ARD und ZDF“, sagte Michelmann. Er frage sich, wie die Politik reagiert hätte, wenn es etwa von der Fußball-EM 2016 absehbar keine TV-Bilder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gegeben hätte. Trotzdem sei er sehr froh, dass die DKB eingesprungen sei. Man sei dabei, professionelle Kommentatoren für die Übertragungen zu gewinnen – noch ist nämlich weder klar, wer kommentieren soll, noch welche technischen Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um die Übertragungen sehen zu können.
Journalistenverband wettert Dass es überhaupt bewegte Bilder gebe, sei für die Fans erfreulich, sagte auch ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Doch die Berichterstattung durch ein werbetreibendes Unternehmen werfe viele Fragen auf. „Interessant ist, dass hier ein Sponsor mit klaren Sponsoringinteressen offenbar als Rundfunkveranstalter mit einer Sendelizenz auftreten möchte.“Balkausky hält SponsorenTV für „keine Alternative zum frei empfangbaren Fernsehen mit dessen journalistisch-qualitativer Herangehensweise, mit dessen Reichweite und dessen Zuschauerakzeptanz“. Als „sehr missliche Situation“bezeichnete das ZDF die ausschließliche TV-Berichterstattung über die DKB-Webseite. Die Gesellschaft in Deutschland müsse „entscheiden, welche Sportereignisse auch in Zukunft in frei empfangbaren, linearen Angeboten zu sehen und geschützt sein sollen“, sagte Balkausky. Die Erfahrung beim Thema Handball-WM zeige sehr deutlich: „Hier wurden konsequent alle deutschen Free-TVSender von der Teilnahme an Rechteverhandlungen ausgeschlossen, zum Schutz von Pay-Angeboten in anderen europäischen oder nordafrikanischen Ländern.
ARD und ZDF konnten sich, wie schon vor der letzten EM, unter anderem nicht mit beINSports einigen, weil die Spiele auf ihren Sendern über Satellit auch im Ausland zu sehen gewesen wären. Im Gegensatz zu anderen Ländern verschlüsseln die Öffentlich-Rechtlichen ihre Signale nicht.
Der Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) kritisierte das Sponsoren-TV. „Wehret den Anfängen. Wenn nicht Journalisten das Geschehen filtern, sondern PR-Leute, dann hat das nichts mit objektiver Berichterstattung zu tun“, sagte VDSPräsident Erich Laaser, „gerade in der heutigen Zeit braucht man Journalisten zum Einordnen.“Man müsse die Berichterstattung durch die Bank „genau beobachten, ob sie tendenziös ist“. Der VDS-Präsident sieht die „schreibenden Journalisten“in Frankreich als „Korrektiv“. Den Vorwurf mangelnder Neutralität bei den Übertragungen wies Stefan Felsing von Lagardère zurück. „Da fehlt mir die Fantasie“, sagte er, „wer auch immer die Spiele kommentieren wird, wird ja nicht sagen, dass der Siebenmeter deshalb verwandelt wurde, weil der Spieler einen Kreditvertrag bei der DKB hatte.“