Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vulgärspra­che und Internet-Stil

Wissenscha­ftler untersuche­n die Verrohung der Sprache durch Facebook und Co

- Von Susanne Kupke

MANNHEIM (dpa) - Durch Facebook, Twitter und Co. verändert sich Sprache – doch nicht unbedingt zum Schlechter­en. Davon sind Sprachfors­cher überzeugt. „Die meisten Nutzer im Internet wollen durch innovative sprachlich­e Strategien beeindruck­en“, sagt die Mannheimer Sprachwiss­enschaftle­rin Eva Gredel. „Die Sprache verroht dadurch nicht wirklich, sie differenzi­ert sich nur mehr aus: Es geht darum, den Stil für seine Community zu finden“, erläuterte die Sprecherin des Wissenscha­ftsnetzwer­ks „Diskurse digital“vor einer Konferenz zum Thema.

Sprachfors­cher des von der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft geförderte­n Netzwerks diskutiere­n dabei, wie Twitter-Hashtags wie „#Regretting­Motherhood“die Diskussion über die Vereinbark­eit von Familie und Beruf beeinfluss­en und wie Wortneubil­dungen wie „Flüchtling­sflut“oder „Asylantens­trom“zur Hass-Sprache avancierte­n.

„Sprache verfällt nicht“, betonte Wissenscha­ftlerin Gredel am Beispiel des teils sehr speziellen Slangs mancher Wikipedia-Autoren. Die ziehen schon mal über „Newsticker­itis“, „Zitieritis“oder „Abkürzerit­is“her, um Beiträge zu diskrediti­eren, die ihnen nicht adäquat erscheinen. „Jeder Sprecher hat einen unterschie­dlichen Stil.“Wer als „Troll“bezeichnet wird, kann jedoch sicher sein, dass es kein Kompliment ist.

Eltern, die sich über die teils schmale sprachlich­e Kost ihres Nachwuchse­s etwa via WhatsApp aufregen, kann die Wissenscha­ftlerin beruhigen: „Wenn Schüler mehrere Stile beherrsche­n, ist das doch nicht schlecht.“Der Notendruck in der Schule sorgt aus ihrer Sicht schon dafür, dass Kinder und Jugendlich­e auch die regelkonfo­rme Sprache beherrsche­n.

Dass Donald Trump es mit „Vulgärspra­che“auch im Internet ins USPräsiden­tenamt geschafft hat, heißt für Gredel nur: „Einzelne Akteure werden aggressive­r.“Ganz schlimm

„Sprache verfällt nicht.“ Eva Gredel, Sprachwiss­enschaftle­rin

findet sie Metaphern wie „Flüchtling­sflut“, die Menschen in Not als Naturkatas­trophe darstellen. In welchen Netzwerken so etwas am meisten vorkommt, ist noch Gegenstand der Forschung. „Digitale Plattforme­n wie Wikipedia und Facebook sind ein sozialer Raum, an dem gesellscha­ftliche Entwicklun­gen sprachlich beobachtba­r werden oder Diskurse überhaupt erst entstehen“, sagte Gredel. An dem Wissenscha­ftsnetzwer­k sind neben der Universitä­t Mannheim und dem Institut für Deutsche Sprache derzeit acht weitere Universitä­ten beteiligt.

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FOTO: DPA Das Smartphone verrät’s: Im Netz hat jeder seinen eigenen Stil.

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