Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Streit zur falschen Zeit
Thomas de Maizière (CDU) bläst zur Attacke auf den Koalitionspartner. Der sonst so besonnene Bundesinnenminister wirft der SPD Blockade vor, wenn es um die Verbesserung der Inneren Sicherheit geht, stellt ihre Verlässlichkeit infrage. Ein durchsichtiges Manöver, um von eigenen Fehlern und Versäumnissen abzulenken. Bislang trägt die SPD mit, was erkennbar den Schutz vor Terror und Extremismus erhöhen könnte. Die SPD hat mit dafür gesorgt, dass die Polizeikräfte deutlich aufgestockt werden. SPDChef Sigmar Gabriel versucht nach Kräften, sich selbst als „Roten Sheriff“zu präsentieren, der im Kampf gegen Salafisten Tempo macht. Den Genossen ist klar, dass niemand bei der Bundestagswahl Erfolg haben wird, der sich bei der Inneren Sicherheit eine Blöße gibt.
Anstelle sich gegenseitig mit Vorwürfen zu überhäufen, sollte die Koalition jetzt liefern: Wenn de Maizière und Bundesjustizminister Heiko Maas morgen zusammenkommen, ist der Druck groß, vor allem beim Umgang mit Gefährdern voranzukommen. Wie kann es sein, dass ausreisepflichtige Extremisten aus der Abschiebehaft entlassen werden, weil ihre Heimatstaaten nicht kooperieren? Wie kann es sein, dass Berlin sich von Tunis und Algier seit Jahren auf der Nase herumtanzen lässt? Beides muss rasch abgestellt werden.
Die SPD wiederum sollte ihre Haltung gegenüber de Maizières Forderung nach einer neuen Sicherheitsarchitektur überdenken. Nicht erst der Fall Anis Amri hat gezeigt, dass der Informationsaustausch in der föderalen Struktur von Verfassungsschutz und Landeskriminalämtern nicht fehlerfrei funktioniert. Kompetenzgerangel darüber, wer welche Informationen erhält und vor allem, wer für die Auswertung verantwortlich ist, hat schon beim rechtsextremen NSU-Terror den Apparat gelähmt. Wenn die Sozialdemokraten jetzt behaupten, für den Umbau sei keine Zeit, läuft der Vorwurf ins Leere: So früh wie möglich müssen die Strukturen auf den Prüfstand und – wo notwendig – gebündelt werden. Es wäre unverantwortlich, auf ruhigere Zeiten zu warten.