Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Neujahrsempfang in Weingarten
Leidenschaftliches Plädoyer für die Demokratie durch OB Ewald.
WEINGARTEN - Mit einem leidenschaftlichen Plädoyer hat Weingartens Oberbürgermeister Markus Ewald die Bürger beim traditionellen Neujahrsempfang im Kultur- und Kongresszentrum (KuKo) auf die diesjährigen Bundestagswahlen eingestimmt. Ewald forderte „Mut und Rückgrat“von den Wählern, Populisten keine Chance zu geben. „Nicht die Hetzer, nicht die Fremdenfeinde, nicht die Politikverächter: Wir sind die Mehrheit. Lassen Sie uns das besonders in diesem Wahljahr klarstellen“, sagte Ewald im gut besuchten Kuko, in dem sich auch Norbert Lins, Mitglied des Europaparlaments, Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger und Landtagsabgeordneter August Schuler eingefunden hatten.
Nicht die Herkunft, sondern die Haltung zähle. Dies gelte mehr denn je beim Stichwort Integration. Dabei nahm das Stadtoberhaupt alle in die Pflicht: Politik, Bürger, aber auch Flüchtlinge müssten gemeinsam daran arbeiten. Die deutsche Sprache sei dabei der Schlüssel. Trotz Aufstockung des Angebots, könne in Weingarten nur eine Minderheit der Flüchtlinge einen Sprach- oder Integrationskurs belegen. Hier bestehe Handlungsbedarf. In diesem Zusammenhang stellte Ewald aber auch Forderungen an die Landesregierung. Die pauschale Förderung pro Flüchtling müsse so schnell wie möglich kommen.
Auf eine andere finanzielle Unterstützung muss Weingarten in diesem Jahr auf jeden Fall verzichten. Vom Land gibt es keine Förderung für die Klosterfestspiele. Dies sei erneut mitgeteilt worden: „Leider hat das Land über die Weihnachtstage seine uns bekannte Botschaft nochmals bekräftigt, dass es zumindest kurzfristig keine Möglichkeit für eine dauerhafte Förderung sieht“, erläuterte Ewald. Dennoch wolle man sich weiter dafür einsetzen. Die Klosterfestspiele Weingarten seien ebenso förderwürdig, wie die Festspiele in den benachbarten Städten Wangen und Isny.
Mehr Bildungsgerechtigkeit Etwas mehr Gerechtigkeit und Gleichberechtigung würde sich der Oberbürgermeister beim Thema Bildung wünschen. Die soziale Herkunft dürfe nicht maßgebend für den schulischen Erfolg sein. „Das darf nicht sein. In Zeiten des demografischen Wandels, in denen Deutschland darauf angewiesen ist, jedes Talent gut zu fördern, ist es aber auch dumm“, so Ewald.
Er ist sich der Bedeutung von schulischer Bildung bewusst. Nicht zuletzt deswegen wird die Stadt in den kommenden Jahren rund 20 Millionen Euro in Weingartens Schulen investieren, möglicherweise eine Ganztagsgrundschule am Martinsberg anbieten und an einer ganz besonderen Schulform festhalten: „Deshalb werden wir in Weingarten so lange an unserer überregional bekannten Werkrealschule festhalten, solange uns der Gesetzgeber die Möglichkeit dazu gibt und die Eltern den Nutzen dieser Schulform anerkennen.“Da-
„Die entscheidende Trennlinie verläuft zwischen Demokraten und Nicht-Demokraten.“ rüber hinaus sei man Sachen Kleinkindbetreuung aktuell sehr gut aufgestellt. Man werde in den kommenden Jahren rund acht Millionen Euro in die Sanierung und den Ausbau der Krippen investieren. In diesem Zusammenhang kritisierte Ewald die Landesregierung. Aufgrund einer Budget-Deckelung sinken die Zuschüsse im Krippenbereich immer weiter – für Weingarten und fast alle anderen Kommunen in BadenWürttemberg ein stetig wachsender Ausgabeposten. „Leider lässt uns die Landesregierung hier im Stich“, befand Weingartens Oberbürgermeister Markus Ewald
Ewald.
Deutlich optimistischer bewertete das Stadtoberhaupt die Übernahme des südlichen Schuler-Areals durch den Lindauer Investor I+R Dietrich Wohnbau, der großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung lege. Nun gelte es den „Glücksfall“und die „Jahrhundertchance“für Weingarten, trotz der „traurigen Entwicklung“des Wegfalls von zahlreichen Arbeitsplätzen, zu nutzen.
Durch Umstrukturierungsmaßnahmen mussten 231 Schuler-Mitarbeiter den Pressenhersteller verlassen. In diesem Zusammenhang gewährte Ewald Einblicke in vermeintliche Zugeständnisse von Konzernseite: „Schuler hat uns mitgeteilt, mit 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Standort Weingarten zu bleiben und dafür noch einmal umfassend zu investieren. Das ist ein Bekenntnis zum Standort und ich nehme das Unternehmen beim Wort.“
Konkrete Erwartungen hat Ewald auch an die Medien. Der Berichterstattung falle eine „wichtige und verantwortungsvolle Rolle“zu. Gleiches gelte auch für die Bürger: „Da reicht die Lektüre der Bildzeitungsüberschrift nicht aus“, stellte Ewald klar. Man müsse genauer hinsehen, sich auf die Inhalte einlassen und Krisen als Anlass nehmen, Dinge zu verändern und besser zu machen. „Lassen sie uns Stolpersteine zu Treppenstufen machen“, forderte Ewald.
Umgang mit Veränderungen Gerade für die Politik sei entscheidend, wie man mit Veränderungen umgehe. In einer Zeit, in der sich die Gesellschaft zu spalten drohe, gezielt Ängste geschürt würden und ein diffuses Misstrauen gegen die demokratisch legitimierten Institutionen ausbreite, müsse Politik mit Leidenschaft für den Zusammenhalt im Land streiten, sagte Ewald – und erntete lautstarken Applaus. „Die entscheidende Trennlinie in unserem Land verläuft nämlich nicht zwischen alten und neuen Deutschen, zwischen Einheimischen und Zugewanderten, auch nicht zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Die entscheidende Trennlinie verläuft zwischen Demokraten und NichtDemokraten.“SEITE 18