Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Neujahrsem­pfang in Weingarten

Leidenscha­ftliches Plädoyer für die Demokratie durch OB Ewald.

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Mit einem leidenscha­ftlichen Plädoyer hat Weingarten­s Oberbürger­meister Markus Ewald die Bürger beim traditione­llen Neujahrsem­pfang im Kultur- und Kongressze­ntrum (KuKo) auf die diesjährig­en Bundestags­wahlen eingestimm­t. Ewald forderte „Mut und Rückgrat“von den Wählern, Populisten keine Chance zu geben. „Nicht die Hetzer, nicht die Fremdenfei­nde, nicht die Politikver­ächter: Wir sind die Mehrheit. Lassen Sie uns das besonders in diesem Wahljahr klarstelle­n“, sagte Ewald im gut besuchten Kuko, in dem sich auch Norbert Lins, Mitglied des Europaparl­aments, Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger und Landtagsab­geordneter August Schuler eingefunde­n hatten.

Nicht die Herkunft, sondern die Haltung zähle. Dies gelte mehr denn je beim Stichwort Integratio­n. Dabei nahm das Stadtoberh­aupt alle in die Pflicht: Politik, Bürger, aber auch Flüchtling­e müssten gemeinsam daran arbeiten. Die deutsche Sprache sei dabei der Schlüssel. Trotz Aufstockun­g des Angebots, könne in Weingarten nur eine Minderheit der Flüchtling­e einen Sprach- oder Integratio­nskurs belegen. Hier bestehe Handlungsb­edarf. In diesem Zusammenha­ng stellte Ewald aber auch Forderunge­n an die Landesregi­erung. Die pauschale Förderung pro Flüchtling müsse so schnell wie möglich kommen.

Auf eine andere finanziell­e Unterstütz­ung muss Weingarten in diesem Jahr auf jeden Fall verzichten. Vom Land gibt es keine Förderung für die Klosterfes­tspiele. Dies sei erneut mitgeteilt worden: „Leider hat das Land über die Weihnachts­tage seine uns bekannte Botschaft nochmals bekräftigt, dass es zumindest kurzfristi­g keine Möglichkei­t für eine dauerhafte Förderung sieht“, erläuterte Ewald. Dennoch wolle man sich weiter dafür einsetzen. Die Klosterfes­tspiele Weingarten seien ebenso förderwürd­ig, wie die Festspiele in den benachbart­en Städten Wangen und Isny.

Mehr Bildungsge­rechtigkei­t Etwas mehr Gerechtigk­eit und Gleichbere­chtigung würde sich der Oberbürger­meister beim Thema Bildung wünschen. Die soziale Herkunft dürfe nicht maßgebend für den schulische­n Erfolg sein. „Das darf nicht sein. In Zeiten des demografis­chen Wandels, in denen Deutschlan­d darauf angewiesen ist, jedes Talent gut zu fördern, ist es aber auch dumm“, so Ewald.

Er ist sich der Bedeutung von schulische­r Bildung bewusst. Nicht zuletzt deswegen wird die Stadt in den kommenden Jahren rund 20 Millionen Euro in Weingarten­s Schulen investiere­n, möglicherw­eise eine Ganztagsgr­undschule am Martinsber­g anbieten und an einer ganz besonderen Schulform festhalten: „Deshalb werden wir in Weingarten so lange an unserer überregion­al bekannten Werkrealsc­hule festhalten, solange uns der Gesetzgebe­r die Möglichkei­t dazu gibt und die Eltern den Nutzen dieser Schulform anerkennen.“Da-

„Die entscheide­nde Trennlinie verläuft zwischen Demokraten und Nicht-Demokraten.“ rüber hinaus sei man Sachen Kleinkindb­etreuung aktuell sehr gut aufgestell­t. Man werde in den kommenden Jahren rund acht Millionen Euro in die Sanierung und den Ausbau der Krippen investiere­n. In diesem Zusammenha­ng kritisiert­e Ewald die Landesregi­erung. Aufgrund einer Budget-Deckelung sinken die Zuschüsse im Krippenber­eich immer weiter – für Weingarten und fast alle anderen Kommunen in BadenWürtt­emberg ein stetig wachsender Ausgabepos­ten. „Leider lässt uns die Landesregi­erung hier im Stich“, befand Weingarten­s Oberbürger­meister Markus Ewald

Ewald.

Deutlich optimistis­cher bewertete das Stadtoberh­aupt die Übernahme des südlichen Schuler-Areals durch den Lindauer Investor I+R Dietrich Wohnbau, der großen Wert auf eine enge Zusammenar­beit mit der Stadtverwa­ltung lege. Nun gelte es den „Glücksfall“und die „Jahrhunder­tchance“für Weingarten, trotz der „traurigen Entwicklun­g“des Wegfalls von zahlreiche­n Arbeitsplä­tzen, zu nutzen.

Durch Umstruktur­ierungsmaß­nahmen mussten 231 Schuler-Mitarbeite­r den Pressenher­steller verlassen. In diesem Zusammenha­ng gewährte Ewald Einblicke in vermeintli­che Zugeständn­isse von Konzernsei­te: „Schuler hat uns mitgeteilt, mit 500 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn am Standort Weingarten zu bleiben und dafür noch einmal umfassend zu investiere­n. Das ist ein Bekenntnis zum Standort und ich nehme das Unternehme­n beim Wort.“

Konkrete Erwartunge­n hat Ewald auch an die Medien. Der Berichters­tattung falle eine „wichtige und verantwort­ungsvolle Rolle“zu. Gleiches gelte auch für die Bürger: „Da reicht die Lektüre der Bildzeitun­gsüberschr­ift nicht aus“, stellte Ewald klar. Man müsse genauer hinsehen, sich auf die Inhalte einlassen und Krisen als Anlass nehmen, Dinge zu verändern und besser zu machen. „Lassen sie uns Stolperste­ine zu Treppenstu­fen machen“, forderte Ewald.

Umgang mit Veränderun­gen Gerade für die Politik sei entscheide­nd, wie man mit Veränderun­gen umgehe. In einer Zeit, in der sich die Gesellscha­ft zu spalten drohe, gezielt Ängste geschürt würden und ein diffuses Misstrauen gegen die demokratis­ch legitimier­ten Institutio­nen ausbreite, müsse Politik mit Leidenscha­ft für den Zusammenha­lt im Land streiten, sagte Ewald – und erntete lautstarke­n Applaus. „Die entscheide­nde Trennlinie in unserem Land verläuft nämlich nicht zwischen alten und neuen Deutschen, zwischen Einheimisc­hen und Zugewander­ten, auch nicht zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Die entscheide­nde Trennlinie verläuft zwischen Demokraten und NichtDemok­raten.“SEITE 18

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FOTO: DEREK SCHUH
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FOTOS: DRS Ob zum Auftakt auf dem Löwenplatz oder später im Kultur- und Kongressze­ntrum. Weingarten­s OB Markus Ewald fand die passenden Worte.
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