Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Entspannt in die Zukunft
Der Stuttgarter Autobauer Daimler stellt mit „Fit & Healthy“einen weiteren Baustein seiner neuen Strategie vor
LAS VEGAS - Eine digitale Uhr am Handgelenk misst den Puls. Ist der Fahrer gestresst, kommt aus den Lüftungsschlitzen eine wohlriechende Brise, der Sitz beginnt mit einer Entspannungsmassage, und aus den Lautsprechern tönen beruhigende Klänge. Doch der Bordcomputer kann auch anders: Deutet die Herzfrequenz darauf hin, dass der Wagenlenker am Wegdösen ist, leitet die Steuereinheit ein Aktivierungsprogramm ein: Die Luft wird kühler, die Musik dynamischer – und die Massage passt sich den schnellen Rhythmen an.
Das Auto mit eingebauter Pulsuhr stammt aus dem Haus Daimler, der Stuttgarter Autobauer will sich in Zukunft verstärkt um die Gesundheit seiner Kunden kümmern. Auf der Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas hat der Konzern sein neues Konzeptfahrzeug „Fit & Healthy“auf Basis einer Mercedes-Maybach S-Klasse präsentiert. Daimler kooperiert dabei mit dem Technologiekonzern Philips. So sollen in der Studie Vitaldaten sowohl über eine Sensorik im Lenkrad als auch über tragbare Geräte wie die Gesundheitsuhr von Philips gemessen werden.
Mehrwert durch Vernetzung „Das System zeigt, welchen Mehrwert die intelligente Vernetzung von Sensoren für den Menschen schaffen kann“, sagt Axel Harries im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Der Manager leitet bei Daimler die Zukunftsdivision Case. Die Buchstaben stehen für die vier Bereiche, in denen sich die Autoindustrie zurzeit wandelt: Connectivity (Vernetzung), Autonomes Fahren, Shared Mobility (gemeinschaftliche Nutzung von Verkehrsmitteln) und Elektroantrieb. „Jede dieser Veränderungen für sich hat schon allein das Potenzial, alles auf den Kopf zu stellen. Für Daimler geht es ganz klar darum, in allen vier Feldern die führende Position zu belegen und vor allem das Zusammenspiel der Felder zu verstehen und zu nutzen“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche, als er Case vor wenigen Wochen ins Leben rief und Harries zum Leiter der neuen Zukunftswerkstatt machte.
Große Freiheiten In Start-up-Manier soll der Manager nun neue Produkte, Technologien und Geschäftsmodelle erforschen und entwickeln, um den Traditionskonzern auch im Zeitalter der Digitalisierung an der Spitze zu halten. „Wir beobachten eine grundlegende Transformation“, erläutert Harries. „Deshalb hat Daimler das Case-Team mit großen Freiheiten und bedeutenden finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet.“
Case arbeitet als eigene Division, die aber in alle Konzernbereiche hineinreicht. So werde es möglich, schnell und flexibel Know-how zu- Die „ North American International Auto Show“in Detroit ist der wichtigste Branchentreff auf dem Kontinent. Rund 300 Aussteller werden erwartet. Die Messe öffnet ihre Pforten heute zunächst nur für die Presse und Händler, ab dem 14. bis zum 22. Januar dann auch für Privatbesucher. Im vergangenen Jahr kamen 815 000 Menschen. Die wichtigsten Neuheiten:
BMW: Der bayerische Hersteller zeigt in der US- Autostadt den neuen 5er und läutet damit den Generationswechsel bei dem Modell der oberen Mittelklasse ein. Unter anderem soll das Fahrzeug sammenzuziehen, um Veränderungen anzustoßen.
Auf der weltweit wichtigsten Ausstellung für Unterhaltungstechnologie, Elektronik und Konsumgüter stellte Daimler nun vor, wie sich die Vernetzung und die Elektromobilität in Zukunft entwickeln könnten. Neben dem Konzeptwagen „Fit & Healthy“, in dem neue digitale Dienstleistungen erprobt werden, wollte der Autobauer mit der Studie „Concept EQ“demonstrieren, dass attraktive und leistungsfähige Elektroautos schon bald das Straßenbild prägen könnten. Unter dem Namen EQ , der für „Electric Intelligence“steht, soll nach Angaben des Case-Chefs ein ganzes Ökosystem an Produkten, Service, Innovationen und Technologien entstehen, das das gesamte Know-how rund um die intelligente Elektromobilität des Konzerns bündelt. „Schließlich wollen wir bis 2025 zehn Fahrzeuge mit rein elektrischen Antrieben im Markt haben“, erläutert Harries. In Las Vegas zeigte der Autobauer die bereits im September ein komplett neues Cockpit im Stil des 7ers haben.
Volkswagen: Volkswagen stellt den Tiguan Allspace vor, einen neuen sportlichen Geländewagen ( SUV) und eine längere Variante des Tiguan. Außerdem will VW die Studie eines Elektro-Bulli präsentieren. In Paris hatte VW im Herbst bereits den Elektro- Konzeptwagen „ ID“gezeigt.
Daimler: Die Stuttgarter präsentieren das Coupé der neuen E- Klasse von Mercedes. Nach Limousine, dem Kombi T-Modell und dem Geländekombi All- Terrain bringt in Paris vorgestellte EQ-Studie auf Basis eines elektrischen SUV.
Auch wenn Daimler in den Bereichen autonomes Fahren und Shared Mobility auf der CES nichts Neues dabei hatte, sieht Harries Daimler auf dem richtigen Weg. „Wir sind überall gut dabei“, sagt Harries. „Entscheidend wird sein, dass wir die Anwendungsmöglichkeiten der neuen Technologien auf die Bedürfnisse der Kunden beziehen“, erläutert Harries. Das Wohlbefinden des Autofahrers sei ein solches Bedürfnis, auf das Daimler mit seinem Ansatz „Fit & Healthy“eingehe.
Doch die Vernetzung kann ein Auto nicht nur zu einer Entspannungsoase, sondern auch zu einem fahrenden Büro machen. In den nächsten Monaten stattet Daimler die C-Klasse mit dem Dienst „In Car Office“aus. Der basiert auf Microsoft Exchange und ermöglicht neben E-Mail-Empfang auch die Teilnahme an Telefon- oder Videokonferenzen. Das spart Zeit, und auch das ist ein Wunsch vieler Autofahrer. Mercedes mit dem Zweitürer die nächste Variante der MittelklasseBaureihe an den Start. Beim Genfer Autosalon im März soll das Cabrio der Baureihe vorgestellt werden.
Toyota: Der japanische Autobauer stellt in Detroit den neuen Camry vor. Für Toyota hat das Modell eine besondere Bedeutung. In den USA zählt das Mittelklassemodell zu den Bestsellern.
GM: Der US- Autobauer präsentiert die Neuauflage des Chevrolet Traverse. Große Geländewagen ( SUV) wie der Traverse sind vor allem bei US- Kunden beliebt. ( dpa)