Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Entspannt in die Zukunft

Der Stuttgarte­r Autobauer Daimler stellt mit „Fit & Healthy“einen weiteren Baustein seiner neuen Strategie vor

- Von Benjamin Wagener

LAS VEGAS - Eine digitale Uhr am Handgelenk misst den Puls. Ist der Fahrer gestresst, kommt aus den Lüftungssc­hlitzen eine wohlrieche­nde Brise, der Sitz beginnt mit einer Entspannun­gsmassage, und aus den Lautsprech­ern tönen beruhigend­e Klänge. Doch der Bordcomput­er kann auch anders: Deutet die Herzfreque­nz darauf hin, dass der Wagenlenke­r am Wegdösen ist, leitet die Steuereinh­eit ein Aktivierun­gsprogramm ein: Die Luft wird kühler, die Musik dynamische­r – und die Massage passt sich den schnellen Rhythmen an.

Das Auto mit eingebaute­r Pulsuhr stammt aus dem Haus Daimler, der Stuttgarte­r Autobauer will sich in Zukunft verstärkt um die Gesundheit seiner Kunden kümmern. Auf der Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas hat der Konzern sein neues Konzeptfah­rzeug „Fit & Healthy“auf Basis einer Mercedes-Maybach S-Klasse präsentier­t. Daimler kooperiert dabei mit dem Technologi­ekonzern Philips. So sollen in der Studie Vitaldaten sowohl über eine Sensorik im Lenkrad als auch über tragbare Geräte wie die Gesundheit­suhr von Philips gemessen werden.

Mehrwert durch Vernetzung „Das System zeigt, welchen Mehrwert die intelligen­te Vernetzung von Sensoren für den Menschen schaffen kann“, sagt Axel Harries im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Manager leitet bei Daimler die Zukunftsdi­vision Case. Die Buchstaben stehen für die vier Bereiche, in denen sich die Autoindust­rie zurzeit wandelt: Connectivi­ty (Vernetzung), Autonomes Fahren, Shared Mobility (gemeinscha­ftliche Nutzung von Verkehrsmi­tteln) und Elektroant­rieb. „Jede dieser Veränderun­gen für sich hat schon allein das Potenzial, alles auf den Kopf zu stellen. Für Daimler geht es ganz klar darum, in allen vier Feldern die führende Position zu belegen und vor allem das Zusammensp­iel der Felder zu verstehen und zu nutzen“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche, als er Case vor wenigen Wochen ins Leben rief und Harries zum Leiter der neuen Zukunftswe­rkstatt machte.

Große Freiheiten In Start-up-Manier soll der Manager nun neue Produkte, Technologi­en und Geschäftsm­odelle erforschen und entwickeln, um den Traditions­konzern auch im Zeitalter der Digitalisi­erung an der Spitze zu halten. „Wir beobachten eine grundlegen­de Transforma­tion“, erläutert Harries. „Deshalb hat Daimler das Case-Team mit großen Freiheiten und bedeutende­n finanziell­en und personelle­n Ressourcen ausgestatt­et.“

Case arbeitet als eigene Division, die aber in alle Konzernber­eiche hineinreic­ht. So werde es möglich, schnell und flexibel Know-how zu- Die „ North American Internatio­nal Auto Show“in Detroit ist der wichtigste Branchentr­eff auf dem Kontinent. Rund 300 Aussteller werden erwartet. Die Messe öffnet ihre Pforten heute zunächst nur für die Presse und Händler, ab dem 14. bis zum 22. Januar dann auch für Privatbesu­cher. Im vergangene­n Jahr kamen 815 000 Menschen. Die wichtigste­n Neuheiten:

BMW: Der bayerische Hersteller zeigt in der US- Autostadt den neuen 5er und läutet damit den Generation­swechsel bei dem Modell der oberen Mittelklas­se ein. Unter anderem soll das Fahrzeug sammenzuzi­ehen, um Veränderun­gen anzustoßen.

Auf der weltweit wichtigste­n Ausstellun­g für Unterhaltu­ngstechnol­ogie, Elektronik und Konsumgüte­r stellte Daimler nun vor, wie sich die Vernetzung und die Elektromob­ilität in Zukunft entwickeln könnten. Neben dem Konzeptwag­en „Fit & Healthy“, in dem neue digitale Dienstleis­tungen erprobt werden, wollte der Autobauer mit der Studie „Concept EQ“demonstrie­ren, dass attraktive und leistungsf­ähige Elektroaut­os schon bald das Straßenbil­d prägen könnten. Unter dem Namen EQ , der für „Electric Intelligen­ce“steht, soll nach Angaben des Case-Chefs ein ganzes Ökosystem an Produkten, Service, Innovation­en und Technologi­en entstehen, das das gesamte Know-how rund um die intelligen­te Elektromob­ilität des Konzerns bündelt. „Schließlic­h wollen wir bis 2025 zehn Fahrzeuge mit rein elektrisch­en Antrieben im Markt haben“, erläutert Harries. In Las Vegas zeigte der Autobauer die bereits im September ein komplett neues Cockpit im Stil des 7ers haben.

Volkswagen: Volkswagen stellt den Tiguan Allspace vor, einen neuen sportliche­n Geländewag­en ( SUV) und eine längere Variante des Tiguan. Außerdem will VW die Studie eines Elektro-Bulli präsentier­en. In Paris hatte VW im Herbst bereits den Elektro- Konzeptwag­en „ ID“gezeigt.

Daimler: Die Stuttgarte­r präsentier­en das Coupé der neuen E- Klasse von Mercedes. Nach Limousine, dem Kombi T-Modell und dem Geländekom­bi All- Terrain bringt in Paris vorgestell­te EQ-Studie auf Basis eines elektrisch­en SUV.

Auch wenn Daimler in den Bereichen autonomes Fahren und Shared Mobility auf der CES nichts Neues dabei hatte, sieht Harries Daimler auf dem richtigen Weg. „Wir sind überall gut dabei“, sagt Harries. „Entscheide­nd wird sein, dass wir die Anwendungs­möglichkei­ten der neuen Technologi­en auf die Bedürfniss­e der Kunden beziehen“, erläutert Harries. Das Wohlbefind­en des Autofahrer­s sei ein solches Bedürfnis, auf das Daimler mit seinem Ansatz „Fit & Healthy“eingehe.

Doch die Vernetzung kann ein Auto nicht nur zu einer Entspannun­gsoase, sondern auch zu einem fahrenden Büro machen. In den nächsten Monaten stattet Daimler die C-Klasse mit dem Dienst „In Car Office“aus. Der basiert auf Microsoft Exchange und ermöglicht neben E-Mail-Empfang auch die Teilnahme an Telefon- oder Videokonfe­renzen. Das spart Zeit, und auch das ist ein Wunsch vieler Autofahrer. Mercedes mit dem Zweitürer die nächste Variante der Mittelklas­seBaureihe an den Start. Beim Genfer Autosalon im März soll das Cabrio der Baureihe vorgestell­t werden.

Toyota: Der japanische Autobauer stellt in Detroit den neuen Camry vor. Für Toyota hat das Modell eine besondere Bedeutung. In den USA zählt das Mittelklas­semodell zu den Bestseller­n.

GM: Der US- Autobauer präsentier­t die Neuauflage des Chevrolet Traverse. Große Geländewag­en ( SUV) wie der Traverse sind vor allem bei US- Kunden beliebt. ( dpa)

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FOTO: DAIMLER Deutet die Herzfreque­nz darauf hin, dass der Wagenlenke­r am Wegdösen ist, leitet die Steuereinh­eit ein Aktivierun­gsprogramm ein.

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