Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mit einer Perlenschnur für alle beten
Fast täglich sammeln sich Gläubige vor der Ravensburger Schutzmantelfrau zum Gebet
RAVENSBURG - Global gesehen ist das Rosenkranzgebet heute die am weitesten verbreitete katholische Andachtsform. In unseren Kirchen scheint die 500 Jahre alte Meditation aber auszusterben. Für die Vorbeterinnen Hedwig Pfeffer und Brigitte Dieringer ist das Rosenkranzbeten indessen unverzichtbar. Seit zehn Jahren verrichten sie gemeinsam dieses Ehrenamt.
Blumen schmücken die Schutzmantelmadonna in der Ravensburger Liebfrauenkirche, Kerzen und kleine Lichter leuchten. Manchmal kommt jemand, um ein Gedenklicht anzuzünden. Die Betenden in den vorderen Reihen des seitlichen Marienschiffs stört das nicht. Frauen und Männer zählen die Perlen mit der Treue und Ausdauer, die das Rosenkranzgebet ihnen schenkt. Die meditativen Wiederholungen kreisen sich ständig erneuernd um die Geheimnisse des Glaubens. „Der Rosenkranz ist eine Reise zu den Stationen des Lebens von Jesus und seiner Mutter im Heiligen Land“, sagt Brigitte Dieringer. Durch die große, dämmrige Kirche zieht das gleichmäßige Beten mit dem rhythmischen Wechsel der Stimmen wie ein kleines Gewässer.
„Das Rosenkranzbeten gehört bei uns zum Tagesablauf“, sagen die beiden Frauen. Hedwig Pfeffer geht morgens zur heiligen Messe, abends zum Rosenkranz: „So bin ich den ganzen Tag mit Gott verbunden“, sagt sie und strahlt. Vor 20 Jahren hat sie sich mit Blick auf die Gottesmutter entschlossen: „Jetzt hab ich keinen Garten mehr, jetzt komme ich jeden Tag zum Rosenkranzbeten.“Seitdem ist sie als Vorbeterin eine tragende Säule der marianischen Gebetsgemeinschaft. Hedwig Pfeffer fürchtet allerdings: „Die Alten sterben, die Jungen kommen nicht.“Brigitte Dieringer bedauert das: „Ich verstehe es nicht, dass nicht mehr kommen.“Obwohl der Alltag die Ehefrau, Mutter und Großmutter noch ziemlich stark fordert, hat sie vor zehn Jahren sofort zugesagt das Vorbeter-Amt mitzutragen.
Der feste Kern der Gebetsgruppe ist zwar klein, aber die Vorbeterinnen steuern sicher durch die Wiederholungen, die beruhigend, aber auch einschläfernd wirken können. Sind die Finger in der Reihe der Perlen rechtzeitig weitergewandert? Wann sind die zehn „Gegrüßet seist du Maria“voll? Wie heißt das nächste Glaubensgeheimnis? Die Geübten halten in kontemplativer Konzentration die Mitte zwischen Gelassenheit und arithmetischer Disziplin.
Nach dem Beten tauschen sich die Marienverehrer noch kurz aus oder gehen ein Stück Weg zusammen. Ein junge Frau, die ab und zu mitbetet, sagt: „Ich bin froh, dass man hier jeden Tag den Rosenkranz betet.“Das Angebot schätzen viele, die Unterstützung in schwierigen Zeiten suchen. Eine Frau, die vor allem freitags mitmacht, sagt: „Ich habe das Rosenkranzbeten von meiner Mutter übernommen. Tochter und Enkelin haben auch einen Rosenkranz, aber beten nicht da- mit. Sie sind aber dankbar, dass ich für sie bete.“Eine Frau, die fast täglich kommt, versichert: „Für mich ist der Rosenkranz nicht nur eine Tradition, er hält mein Leben zusammen, indem ich für die Verstorbenen und die Lebenden bete, die Kranken und Notleidenden und für mich selber‚ jetzt und in der Stunde unseres Todes’.“Nicht selten bete sie drei Rosenkränze. „Und wenn ich einschlafe dabei, macht das nichts. Rosenkranzbeten ist das beste Beruhigungsmittel“, meint sie und lächelt.
„Der Rosenkranz ist die sicherste Himmelsschnur“, sagt Hedwig Pfeffer. Brigitte Dieringer bemerkt: „Das Gebet führt zu innerer Ausgeglichenheit. Viele Heilige haben den Rosenkranz gebetet.“Für sie ist das Rosenkranzgebet der krönende Abschluss des Tages.
Rosenkranz und Gebetsschnur Rosenkranz heißt das Gebet und die Perlenschnur aus 59 Perlen und einem kleinen Kreuz, die man dafür verwendet. Gebetsschnüre gibt es auch in anderen Religionen. Moslems benützen eine Gebetsschnur mit 100 Perlen, für die Hundert Eigenschaften Allahs.
In seiner häufigsten Form ist der Rosenkranz die regelmäßige Abfolge von drei Gebeten, dem Vaterunser, Ave Maria und Ehre sei dem Vater. Ein Rosenkranz umfasst fünf sogenannte Gesätze, eingeleitet vom Glaubensbekenntnis und den Betrachtungen der göttlichen Tugenden: Glaube, Hoffnung, Liebe. Im gnadenreichen, schmerzreichen, freudenreichen, lichtreichen und glorreichen Rosenkranz betrachtet man jeweils entsprechende Glaubensinhalte.
Die Rosenkranz- Gebetszeiten in der Liebfrauenkirche und in anderen Kirchen findet man zum Beispiel in Kirchenblatt- Aushängen in den Gotteshäusern.