Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Trauer um Roman Herzog
Roman Herzog, der große Mahner für mehr Reformfähigkeit in Deutschland, ist gestorben
Mahner, Mutmacher und „Ruck“-Redner: Der frühere Bundespräsident Roman Herzog (Foto: imago), von 1994 bis 1999 an der Spitze der Bundesrepublik, ist am Dienstag im Alter von 82 Jahren gestorben. Politiker aus Regierung und Opposition würdigten den gebürtigen Landshuter und früheren Verfassungsrichter als unermüdlichen Werber für Reformen und als manchmal unbequemen Geist.
RAVENSBURG - Roman Herzog, der Bundespräsident mit dem feinen Humor und den so klaren Worten, von 1994 bis 1999 deutsches Staatsoberhaupt, ist im Alter von 82 Jahren in der Nacht zum Dienstag in Bad Mergentheim gestorben. Herzog war immer Mutmacher und Antreiber in einer Person. Von ihm bleibt die Mahnung an die Deutschen, von liebgewordenen Besitzständen Abschied zu nehmen, reformfähig zu bleiben.
Roman Herzog, in Landshut geboren, wuchs mit seiner offenen Art, seiner barocken Lebensfreude, seinem klaren Geist den Deutschen ans Herz. Bundespräsident Joachim Gauck lobt die menschliche Art, das große Vertrauen, das Herzog genossen hat.
Professor für Staatsrecht
Die Karriere des Niederbayern Herzog begann mit einem Jurastudium in München und der späteren Promotion und Habilitation. 1966 wurde er Professor für Staatsrecht und Politik an der Freien Universität Berlin. Es war der frühere Ministerpräsident Lothar Späth (CDU), der ihn nach Stuttgart holte. Herzog wurde zunächst baden-württembergischer Kultusminister, später Innenminister. Wegen der Befürwortung des Reizgaseinsatzes bei Demos hatte er das Image eines harten Innenministers.
1983 wechselte Herzog dann zum Bundesverfassungsgericht, dessen Präsident er später wurde. In die Amtszeit von Roman Herzog fiel die deutsche Wiedervereinigung im Jahr 1990. In diesen teilweise turbulenten Zeiten füllte er das nicht immer einfache Amt mit großer innerer Souveränität aus, heißt es heute beim Bundesverfassungsgericht. Als Jurist und Staatsrechtler genoss Herzog höchstes Ansehen.
Nicht die erste Wahl
„Als Staatsrechtslehrer und Grundgesetzkommentator wusste Roman Herzog um das Funktionieren unseres Staates ganz genau“, sagt Bundesjustizminister Heiko Maas. „Aber er beschränkte sich nicht auf die wissenschaftliche Perspektive von außen, sondern, was ihn besonders auszeichnete, ist, dass er sich nicht scheute, auch selbst politische Verantwortung zu übernehmen – als Staatssekretär, Minister und Landtagsabgeordneter.“
Trotzdem war Herzog nicht Helmut Kohls erste Wahl als Bundespräsident, damals im Jahr 1994. Der Altkanzler hatte vielmehr den sächsischen Justizminister Steffen Heitmann als Kandidat vorgeschlagen, der aber nach unglücklichen Äuße- rungen zurückgezogen wurde. Roman Herzog, der gestandene Richter, sollte die Situation retten – und er tat dies mit Bravour.
Der auch von der Statur her barock anmutende Roman Herzog, äußerlich das Bild eines bürgerlich Konservativen, erschien so ganz anders als sein Vorgänger Richard von Weizsäcker, der schlanke und auch etwas eitle Feingeist. Herzog, der Mann mit der unverwechselbaren Stimme und dem bayerischen Idiom, mit dem tiefsinnigen Humor und einer großen Prise Selbstironie, überraschte die Deutschen. Seine grünbraunen Augen funkelten angriffslustig, wenn er ihnen fast rebellisch die Leviten las.
„Die ganze Gesellschaft leidet bei uns an eingeschlafenen Füßen, die allerdings bis ans Hirn führen“, hat er schon 1994 gesagt. Das war drei Jahre, bevor er mit seiner berühmten Ruck-Rede in die deutsche Geschichte einging. Gehalten im Berliner Adlon, als das Hotel als Neubau gerade wieder auferstanden war. „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“, forderte er da.
Es war die politisch lähmende Endzeit der letzten Kohl-Jahre, als sich in Deutschland nichts mehr bewegte. Mit Hängen und Würgen hatte Kohl noch einmal die Wahl gewonnen, der Bundesrat war überwiegend sozialdemokratisch dominiert, die Regierung Kohl wirkte erschöpft vom Kraftakt der deutschen Einheit. Vom „Mehltau über dem Land“sprachen viele Sozialdemokraten, so auch Gerhard Schröder, der 1998 Kohl ablöste.
Frisches Auftreten
Tolerant, weltoffen, unverkrampft, wollte dagegen Herzog sein Deutschland haben. Und er bat die Menschen, auch von geistigen Besitzständen, von Schubladen im Kopf Abstand zu nehmen. Herzog trat erstaunlich frisch auf als Bundespräsident. Gerda Hasselfeldt, die CSULandesgruppenchefin meint, dass Herzogs Ruck-Rede auch Auslöser für die umfassenden Reformen in Deutschland zu Beginn dieses Jahrhunderts waren, von denen man bis heute profitiere.
Christiane Herzog, seine mütterlich aussehende Frau, mit der er zwei Söhne hat, wirkte genauso fröhlich und auch genussfreudig wie der Präsident selbst, sie hatte sogar eine eigene Show im Fernsehen: „Zu Gast bei Christiane Herzog“. Verdient machte sie sich mit ihrer Mukoviszidose-Stiftung, mit der sie die seltene und heimtückische Krankheit einem großen Publikum bekannt machte.
Außer der Ruck-Rede bleibt von Herzog auch der 27. Januar als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. „An den Zweiten Weltkrieg, den er als Kind erlebt hatte, hatte Roman Herzog noch eigene Erinnerungen, und so war für ihn eine der wichtigsten Aufgaben, die Erinnerung an die dunkelste Zeit Deutschlands wachzuhalten“, sagt Nachfolger Joachim Gauck.
Roman Herzog hörte 1999 nach nur einer Amtszeit auf. Im Jahr 2000 starb seine Frau Christiane, doch Herzog hatte das große Glück einer zweiten große Liebe, als er 2001 die elegante Alexandra Freifrau von Berlichingen heiratete, mit der er in der Götzenburg in Jagsthausen einzog. Dort hatte er auch sein Arbeitszimmer eingerichtet.
Bis zuletzt aktiv
Sein Abschied als Bundespräsident war nicht sein Abschied aus der Politik. So war er bis zuletzt Vorsitzender des Konvents für Deutschland, eines Vereins, der immer wieder mehr Reformfähigkeit anmahnt. Oswald Metzger, Geschäftsführer des Konvents, erinnert sich gerne an „die Mischung aus Beharrlichkeit, Kompetenz und herzlicher Art“, die Herzog ausmachte.
Mit diesem Bündnis versuchte Herzog fortzusetzen, was er als Bundespräsident angemahnt hat: Die verkrusteten Strukturen in Deutschland, im föderalen System, in Europa aufzubrechen, eine überalterte Gesellschaft auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten.