Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Er wollte unbedingt Impulse sehen“
Bettina Gräfin Bernadotte hat den verstorbenen Bundespräsidenten als großen Initiator in Erinnerung
RAVENSBURG - Bettina Gräfin Bernadotte af Wisborg ist Präsidentin des Kuratoriums der Lindauer Nobelpreisträgertagungen. Bundespräsident Roman Herzog hat die Tagung 1995 auf Einladung der Eltern Gräfin Bernadottes besucht. Heute gilt Lindau international als wichtigster Ort des Austausches zwischen Nobelpreisträgern und jungen Wissenschaftlern. Gräfin Bernadotte erinnert sich im Gespräch mit Christoph Plate an ihre Begegnungen mit dem verstorbenen Bundespräsidenten:
Warum war Herzog so wichtig für die Lindauer Nobelpreisträgertagung? Er war schon bei seinem ersten Besuch bei einer Tagung in Lindau begeistert, von dem was er sah. Er hat uns dann sehr engagiert begleitet und mit der Idee unterstützt, die Zukunft der Lindauer Tagungen durch eine Stiftung abzusichern.
Herzog war der erste Bundespräsident in Lindau. Wie kam es dazu? Wenn ich das aus der Wahrnehmung meiner Eltern schildere, die ja damals mit den Tagungen beschäftigt waren, waren sie vor allem sehr dankbar, dass sich jemand aus der Politik für das Treffen interessiert hat. Bis dahin haben nur wenige außerhalb der unmittelbaren Wissenschaft verstanden, was wir dort tun und den Tagungen Aufmerksamkeit geschenkt. Roman Herzogs Besuch war also eine Bestätigung unserer Arbeit und Motivation zugleich. Der entscheidende Impuls von ihm war ein Zugewinn an Umsetzungskraft.
Nach Herzog waren in den letzten Jahren Bundeskanzlerin Angela Merkel da, auch Bundespräsident Joachim Gauck. Hat Herzog da eine Tradition begründet? Ich weiß nicht, ob er das so gesehen hätte. Er achtete auf die mittel- und langfristige Wirkung von Dingen. Roman Herzogs Besuch war ein Ansporn für uns, auch mit den jetzt Aktiven in der Politik und Forschung im Gespräch zu bleiben. Das führte dann dazu, dass wir uns jetzt über den Besuch der Bundeskanzlerin oder des Bundespräsidenten freuen dürfen.
Lindau steht für Internationalität, welche Bedeutung hatte die für Herzog? Uns allen ist ja die berühmte Botschaft vom Ruck, der durch Deutsch- land gehen muss, in Erinnerung. Roman Herzog wollte unbedingt Impulse sehen, die in Taten umgesetzt werden. Und für Impulse sind die Begegnungen in Lindau und was da- nach passiert natürlich ein sehr geeigneter Ort.
Herzog war bekannt für seinen Humor und seine Schlagfertigkeit.
Seine Selbstironie war der meines Vaters ähnlich, und ich habe es sehr genossen, die beiden miteinander zu erleben. Wir haben viel gelacht damals.
Können Sie sich an etwas besonders Lustiges erinnern?
Einmal kamen Roman Herzog und das schwedische Königspaar gemeinsam zur Eröffnung einer Ausstellung über Jean Baptiste Bernadotte auf die Insel Mainau. Es gab viel Trubel um Königin Silvia, Termine und Fotos. Es nahm solche Ausmaße an, dass wir meinten, uns beim Präsidenten entschuldigen zu müssen, dass er nicht die gebührende Aufmerksamkeit erhielt. Er lachte und sagte nur: „Das ist doch klar, dass die Königin viel attraktiver ist als ein alter Mann.“Das war ein Beispiel für seine wunderbare Selbstironie.
Sie hatten auch in den Jahren nach seiner Präsidentschaft viel Kontakt zu ihm. Hat er immer noch gemeint, durch das Land müsse ein Ruck gehen? Roman Herzog ließ sich nicht vom Berg unerledigter Dinge oder ungenutzter Chancen die gute Laune verderben. Sicher hätte er sich gewünscht, dass von vielen Menschen noch mehr angepackt würde. Neben all dem hat er sich, so habe ich das wahrgenommen, unglaublich am Leben gefreut.