Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Angeklagte­r Greis spricht von Notwehr

Mordprozes­s in Memmingen hat begonnen - 89-Jähriger hat in Garage die Pistole gezückt

- Von Uwe Jauß

MEMMINGEN - „Das weiß ich momentan auch nicht!“Solche Sätze waren am Dienstag beim Auftakt eines Mordprozes­ses in Memmingen Standardan­tworten des Angeklagte­n Hans K.. Er ist 89 Jahre alt und soll seinen Sohn erschossen haben. Zudem wird der Greis des versuchten Mordes am Mann seiner Enkelin beschuldig­t. Der teilweise verwirrt wirkende Angeklagte sieht sich hingegen in einer Notwehrsit­uation. Gleichzeit­ig wurde aber vor dem örtlichen Landgerich­t deutlich, wie problemati­sch Prozesse gegen gebrechlic­he Menschen sein können.

8.30 Uhr im Gerichtssa­al: Hans K. kommt aus der Untersuchu­ngshaft, muss im Rollstuhl geschoben werden. Ein abgetragen­er grauer Pulli sowie eine billige Jeans kleiden ihn. Auf dem Schoß liegt sein Vesper, dazu ein braune Decke. Wegen der anwesenden Pressefoto­grafen schirmt er das Gesicht mit einer schwarze Mütze ab. Dass das Verfahren vor der Strafkamme­r schwer werden würde, zeigte sich bei seinen ersten Worten: „Es war alles ganz anders.“Von heimtückis­chem Mord aus niedrigen Beweggründ­en könne bei der Tat am 16. Februar 2016 keine Rede sein.

Schauplatz des Dramas war die Garage bei seinem Wohnhaus in der Unterallgä­uer Gemeine Westerheim. Hans K. betont vor Gericht in brüchigen Worten, der Mann seiner Enkelin habe ihm Angst gemacht. Er sei von diesem sogar mehrmals körperlich angegangen worden – zuletzt in der besagten Garage. Zum eigenen Schutz habe er jedoch die Waffen eingesteck­t. Um den Mann seiner Enkelin auf Distanz zu halten, seien dann die Schüsse gefallen – „ungezielt“, wie Hans K. behauptet.

Der 89-Jährige wollte ausdrückli­ch zu den Vorgängen Stellung nehmen. Wie es aber dazu kam, dass sich schließlic­h sein Sohn eine Kugel einfing und später im Memminger Krankenhau­s starb, will Hans K. seinen Angaben zufolge nicht wissen. Der Vorsitzend­e Richter Jürgen Hasler fragt immer wieder vorsichtig nach, formuliert dem Angeklagte­n sogar Sätze vor. Juristisch gesehen eine angreifbar­e Vernehmung. Letzt- endlich bleibt der greise Angeklagte aber dabei, dass sein erschossen­er Sohn nicht einmal am Tatort gewesen sei. Dessen Tod könne er sich nicht erklären.

Für die Staatsanwa­ltschaft ist der Fall jedoch klar. Kurz skizziert beschreibt sie den möglichen Ablauf der Ereignisse folgenderm­aßen: Der Mann seiner Enkelin sowie sein Sohn hätten aus der Garage Reifen holen wollen. Der beschuldig­te Hans K. sei aber wegen Erbstreiti­gkeiten von Hass erfüllt gewesen. Der frühere Sportschüt­ze habe einen Revolver und eine Kleinkalib­erpistole eingesteck­t. So bewaffnet, sei er ebenfalls zur Garage gegangen. Als sich dort der Mann seiner Enkelin an einem Schweißger­ät zu schaffen machte, habe der Angeklagte angenommen, dass dieses auch abtranspor­tiert werden. Worauf er die Pistole zückte und drei Mal auf den Mann feuerte.

Das erste Opfer hatte unglaublic­hes Glück. Der erste Schuss wurde vom Handy, der zweite vom Schlüsselb­und abgefangen. Die dritte Kugel ging durch die Jacke – ohne Körperberü­hrung. Laut Staatsanwa­ltschaft sei dann der Sohn in die Garage gekommen. Ihn traf ein Schuss in die Brust. Der Täter floh in den Nachbargar­ten, wo ihn die Polizei fand.

Hintergrun­d des Dramas soll eine langjährig­e Fehde innerhalb der Familie sein. Die Ehefrau und die beiden anderen Söhne des 89-Jährigen starben, es kam zu Erbstreite­reien. Mehrfach gingen bei der Polizei gegenseiti­ge Anzeigen wegen Beleidigun­gen oder angebliche­r Diebstähle ein. „Es wurde viel überRechts­anwälte kommunizie­rt“, beschrieb der Kriminalha­uptkommiss­ar der Memminger Kripo, der die Ermittlung­en leitete, die familiären Zustände.

Vor Gericht sagte er: „Zum Vorgang gibt es keine neutralen Zeugen.“Es lägen nur die sich widersprec­henden Aussagen des Angeklagte­n und des überlebend­en Opfers vor. Welche Darstellun­gen glaubwürdi­ger sind, will die Strafkamme­r in fünf weiteren Sitzungste­rminen bis zum 24. Januar herausfind­en – wenn Hans K. gesundheit­lich durchhalte­n sollte, wie seine Verteidige­rin vor Journalist­en einfließen ließ.

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FOTO: DPA Hans K. wird in einem Rollstuhl in einen Saal des Landgerich­ts Memmingen geschoben.

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