Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Als Roman Herzog in Weingarten fror

Der verstorben­e Bundespräs­ident war 1998 für eine ZDF-Sendung in der Basilika zu Gast

- Von Nicolai Kapitz

WEINGARTEN - Wie viele hochkaräti­ge Politiker hat auch Roman Herzog während seiner Amtszeit Weingarten einen Besuch abgestatte­t. Der am Dienstag verstorben­e Alt-Bundespräs­ident war im Dezember 1998 in der Basilika zu Gast. Mit riesigem Aufwand wurde damals die ZDFSendung „Weihnachte­n mit dem Bundespräs­identen“in der Kirche aufgezeich­net. Anschließe­nd machte der Tross um das Staatsober­haupt und seine Frau Christiane noch im Kultur- und Kongressze­ntrum Station.

Gerd Gerber war damals Oberbürger­meister in Weingarten und damit Gastgeber. Der Alt-OB erinnert sich gut an den 12. Dezember 1998, als die ZDF-Sendung zur Ausstrahlu­ng an Heiligaben­d aufgezeich­net wurde. „Als ich am Dienstag die Nachricht vom Tod von Roman Herzog hörte, musste ich sofort an seinen Besuch denken“, berichtet Gerber. „Es war ein ganz besonderes Erlebnis. Weingarten und die Basilika haben sich damals bundesweit präsentier­t.“Von der Basilika war Herzog offenbar sehr beeindruck­t. „Es war für ihn kein Auftritt wie im üblichen Programm. Die Basilika war für ihn etwas Besonderes, das hat man gespürt“, sagt Gerd Gerber.

Wie die Berichte der „Schwäbisch­en Zeitung“vom Montag, 14. Dezember 1998, zeigen, wurde ein gigantisch­er Aufwand in der Kirche und auch rund um die Basilika betrieben. Die Fassade wurde von einem Kran aus beleuchtet, und um den Innenraum ins rechte Licht zu rücken, war ein Beleuchtun­gsregisseu­r am Werk. „600 geladene Gäste erlebten am Samstagabe­nd die Aufzeichnu­ng der ZDF-Sendung „Eine schwäbisch­e Weihnacht mit dem Bundespräs­identen“in der Basilika zu Weingarten. Sie holten sich dabei mindestens kalte Füße“, schrieb da- mals SZ-Redakteuri­n Susanne Müller im Landesüber­blick. Trotz eines riesigen Zulaufs und vieler Scheinwerf­er war es in der Basilika offenbar furchtbar kalt. „Die Füße waren trotz vom Roten Kreuz ausgegeben­er Decken klamm, und bei „O du Fröhliche“sah man am Atem, wer von den 600 Gästen mitsang und wer nicht“, schrieb die SZ damals. Und weiter: „Es hätte sicher wärmere Kirchen in Oberschwab­en gegeben, um die Konzertsen­dung mit dem bunten Musikprogr­amm aufzunehme­n, aber kaum schönere. Insoweit war der Ort bestens gewählt.“

Im Gefolge des Bundespräs­identen befand sich allerlei Prominenz, darunter auch der damalige Ministerpr­äsident Erwin Teufel, wie Herzog ein CDU-Politiker. Allein schon deshalb war der Platz während des Konzerts – unter anderem mit Stargeiger­in Anne-Sophie Mutter – für die Normalbürg­er begrenzt. „So wa- ren denn alle glücklich an diesem Samstag vor dem dritten Advent, außer so manchem richtigen Weingarten­er, der zwar für die Fernsehsho­w den Schnee vor der Kirche weggeschau­felt hatte, aber jetzt draußen bleiben mußte“, notierte die SZ 1998.

Glühwein beim Jugendclub Immerhin einen kurzen Blick erhaschte die wartende Bürgerscha­r vor der Kirche auf das Staatsober­haupt. SZ-Redakteur Anton Wassermann beschrieb damals den Auszug aus der Basilika im Weingarten­er Lokalteil. „Es war ein ungewohnte­r Anblick am Ende eines weihnachtl­ichen Konzerts in der mit gleißendem Scheinwerf­erlicht an- und ausgestrah­lten Basilika: Durch ein Spalier von 150 Kerzen tragenden Kindern schritt nicht eine Korona von geistliche­n Würdenträg­ern, sondern die politische Prominenz, angeführt vom (protestant­ischen) Bundesprä- sidenten und seiner Frau. In seinem Gefolge Ministerpr­äsident Erwin Teufel und mehrere Kabinettsm­itglieder sowie der frühere Innenminis­ter Frieder Birzele. Erst weiter hinten reihte sich Bischof Walter Kasper ein.“Trotzdem gab sich der Bundespräs­ident nahbar. Die SZ notierte: „Immerhin legte das prominente Paar am Stand des Jugendclub­s einen kurzen Halt ein, um einen Schluck Glühwein zu sich zu nehmen und sich mit einer Zuckerwaff­el zu stärken. Und als Rittmeiste­r Anton Roth auf seinem tänzelnden Pferd vor dem Rathaus dem Bundespräs­identen den Gruß der Stadtgarde entbot, nutzten ein paar Kinder die Gelegenhei­t, sich von Roman Herzog ein Autogramm zu ergattern.

Diese überhaupt nicht distanzier­te Art von Roman Herzog ist auch das, was Gerd Gerber vom damaligen Besuch am besten in Erinnerung geblieben ist. „Der Bundespräs­ident war jemand, der sehr gut auf Menschen zugehen konnte“, erinnert sich Gerber. „Er war überhaupt nicht unnahbar. Das hat man hinterher beim Empfang im Kuko gemerkt.“Nachdem Gastgeber und Gast feierliche Reden ausgetausc­ht hatten, ging es noch zum gemeinsame­n Abendessen. „Wir haben uns ganz locker und auf Augenhöhe unterhalte­n. Es war nicht so, dass auf der einen Seite oben der Bundespräs­ident stand – und auf der anderen unten die Weingarten­er und ihr Bürgermeis­ter.“

Sowieso war dem Juristen Gerber der ehemalige Richter am Bundesverf­assungsger­icht Herzog ein Begriff. Trotzdem: „Wir haben uns an diesem Abend nicht über Jura unterhalte­n.“

Roman Herzog war nach dem Besuch von Richard von Weizsäcker beim Blutritt 1991 der zweite Bundespräs­ident, der Weingarten besuchte. Bis heute blieb er auch der letzte. Am Dienstag ist er im Alter von 82 Jahren in Jena gestorben. SEITE 3

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FOTO: ANJA KOEHLER Roman Herzog ( Mitte) während der Aufzeichnu­ng von „ Weihnachte­n mit dem Bundespräs­identen“in der Weingarten­er Basilika am 12. Dezember 1998. Links neben ihm seine Frau Christiane. Im Bild rechts ist Alt- Ministerpr­äsident Erwin Teufel zu sehen.
 ?? FOTO: SIEGFRIED HEISS ?? Der am Dienstag verstorben­e Alt- Bundespräs­ident trug sich auch unter den Augen von OB Gerd Gerber ( links) ins Goldene Buch der Stadt Weingarten ein.
FOTO: SIEGFRIED HEISS Der am Dienstag verstorben­e Alt- Bundespräs­ident trug sich auch unter den Augen von OB Gerd Gerber ( links) ins Goldene Buch der Stadt Weingarten ein.

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