Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Als Roman Herzog in Weingarten fror
Der verstorbene Bundespräsident war 1998 für eine ZDF-Sendung in der Basilika zu Gast
WEINGARTEN - Wie viele hochkarätige Politiker hat auch Roman Herzog während seiner Amtszeit Weingarten einen Besuch abgestattet. Der am Dienstag verstorbene Alt-Bundespräsident war im Dezember 1998 in der Basilika zu Gast. Mit riesigem Aufwand wurde damals die ZDFSendung „Weihnachten mit dem Bundespräsidenten“in der Kirche aufgezeichnet. Anschließend machte der Tross um das Staatsoberhaupt und seine Frau Christiane noch im Kultur- und Kongresszentrum Station.
Gerd Gerber war damals Oberbürgermeister in Weingarten und damit Gastgeber. Der Alt-OB erinnert sich gut an den 12. Dezember 1998, als die ZDF-Sendung zur Ausstrahlung an Heiligabend aufgezeichnet wurde. „Als ich am Dienstag die Nachricht vom Tod von Roman Herzog hörte, musste ich sofort an seinen Besuch denken“, berichtet Gerber. „Es war ein ganz besonderes Erlebnis. Weingarten und die Basilika haben sich damals bundesweit präsentiert.“Von der Basilika war Herzog offenbar sehr beeindruckt. „Es war für ihn kein Auftritt wie im üblichen Programm. Die Basilika war für ihn etwas Besonderes, das hat man gespürt“, sagt Gerd Gerber.
Wie die Berichte der „Schwäbischen Zeitung“vom Montag, 14. Dezember 1998, zeigen, wurde ein gigantischer Aufwand in der Kirche und auch rund um die Basilika betrieben. Die Fassade wurde von einem Kran aus beleuchtet, und um den Innenraum ins rechte Licht zu rücken, war ein Beleuchtungsregisseur am Werk. „600 geladene Gäste erlebten am Samstagabend die Aufzeichnung der ZDF-Sendung „Eine schwäbische Weihnacht mit dem Bundespräsidenten“in der Basilika zu Weingarten. Sie holten sich dabei mindestens kalte Füße“, schrieb da- mals SZ-Redakteurin Susanne Müller im Landesüberblick. Trotz eines riesigen Zulaufs und vieler Scheinwerfer war es in der Basilika offenbar furchtbar kalt. „Die Füße waren trotz vom Roten Kreuz ausgegebener Decken klamm, und bei „O du Fröhliche“sah man am Atem, wer von den 600 Gästen mitsang und wer nicht“, schrieb die SZ damals. Und weiter: „Es hätte sicher wärmere Kirchen in Oberschwaben gegeben, um die Konzertsendung mit dem bunten Musikprogramm aufzunehmen, aber kaum schönere. Insoweit war der Ort bestens gewählt.“
Im Gefolge des Bundespräsidenten befand sich allerlei Prominenz, darunter auch der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel, wie Herzog ein CDU-Politiker. Allein schon deshalb war der Platz während des Konzerts – unter anderem mit Stargeigerin Anne-Sophie Mutter – für die Normalbürger begrenzt. „So wa- ren denn alle glücklich an diesem Samstag vor dem dritten Advent, außer so manchem richtigen Weingartener, der zwar für die Fernsehshow den Schnee vor der Kirche weggeschaufelt hatte, aber jetzt draußen bleiben mußte“, notierte die SZ 1998.
Glühwein beim Jugendclub Immerhin einen kurzen Blick erhaschte die wartende Bürgerschar vor der Kirche auf das Staatsoberhaupt. SZ-Redakteur Anton Wassermann beschrieb damals den Auszug aus der Basilika im Weingartener Lokalteil. „Es war ein ungewohnter Anblick am Ende eines weihnachtlichen Konzerts in der mit gleißendem Scheinwerferlicht an- und ausgestrahlten Basilika: Durch ein Spalier von 150 Kerzen tragenden Kindern schritt nicht eine Korona von geistlichen Würdenträgern, sondern die politische Prominenz, angeführt vom (protestantischen) Bundesprä- sidenten und seiner Frau. In seinem Gefolge Ministerpräsident Erwin Teufel und mehrere Kabinettsmitglieder sowie der frühere Innenminister Frieder Birzele. Erst weiter hinten reihte sich Bischof Walter Kasper ein.“Trotzdem gab sich der Bundespräsident nahbar. Die SZ notierte: „Immerhin legte das prominente Paar am Stand des Jugendclubs einen kurzen Halt ein, um einen Schluck Glühwein zu sich zu nehmen und sich mit einer Zuckerwaffel zu stärken. Und als Rittmeister Anton Roth auf seinem tänzelnden Pferd vor dem Rathaus dem Bundespräsidenten den Gruß der Stadtgarde entbot, nutzten ein paar Kinder die Gelegenheit, sich von Roman Herzog ein Autogramm zu ergattern.
Diese überhaupt nicht distanzierte Art von Roman Herzog ist auch das, was Gerd Gerber vom damaligen Besuch am besten in Erinnerung geblieben ist. „Der Bundespräsident war jemand, der sehr gut auf Menschen zugehen konnte“, erinnert sich Gerber. „Er war überhaupt nicht unnahbar. Das hat man hinterher beim Empfang im Kuko gemerkt.“Nachdem Gastgeber und Gast feierliche Reden ausgetauscht hatten, ging es noch zum gemeinsamen Abendessen. „Wir haben uns ganz locker und auf Augenhöhe unterhalten. Es war nicht so, dass auf der einen Seite oben der Bundespräsident stand – und auf der anderen unten die Weingartener und ihr Bürgermeister.“
Sowieso war dem Juristen Gerber der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Herzog ein Begriff. Trotzdem: „Wir haben uns an diesem Abend nicht über Jura unterhalten.“
Roman Herzog war nach dem Besuch von Richard von Weizsäcker beim Blutritt 1991 der zweite Bundespräsident, der Weingarten besuchte. Bis heute blieb er auch der letzte. Am Dienstag ist er im Alter von 82 Jahren in Jena gestorben. SEITE 3