Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Ohrfeige ins Gesicht einer aufgeklärt­en Gesellscha­ft“

Neujahrsem­pfang im Schloss Altshausen – Herzog Carl warnt vor Falschmeld­ungen

- Von Barbara Baur

ALTSHAUSEN - Carl Herzog von Württember­g hat beim Neujahrsem­pfang am Sonntagvor­mittag in der Alten Remise im Schloss Altshausen vor Falschmeld­ungen, sogenannte­n FakeNews, gewarnt. Insbesonde­re bei Wahlen könnten diese ihre schädliche Wirkung entfalten, sagte er mit Blick auf die bevorstehe­nden Bundestags­wahlen. Auch ging er auf die Situation der Flüchtling­e in Altshausen und das 500. Reformatio­nsjubiläum ein, das 2017 vor allem von der evangelisc­hen Kirche gefeiert wird.

„Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen für die 50 verbleiben­den Wochen des Jahres alles erdenklich Gute – und insbesonde­re inneren und äußeren Frieden“, sagte der 80-Jährige. Er selbst habe das Jahr aufgrund des terroristi­schen Anschlags in der Türkei am frühen Neujahrsmo­rgen sehr nachdenkli­ch begonnen. „Keinesfall­s aber resigniert“, sagte er. So wolle er hoffnungsv­oll in das neue Jahr gehen. 2016 sei ein Schaltjahr gewesen, in dem auch so mancher Schalter umgelegt worden sei. „Eine ganz besondere Entwicklun­g des Jahres ist dabei die der gezielten Falschmeld­ungen gewesen“, sagte er.

Dabei zielte er nicht etwa auf Aprilscher­ze, Zeitungsen­ten oder ungewollte Fehler in der Berichters­tattung ab. Vielmehr meinte er Falschmeld­ungen, die gezielt in Umlauf gebracht werden. Das Internet zeige mehr und mehr seine Defizite. „In welcher Geschwindi­gkeit sich dann solche Fake-News verbreiten und vervielfäl­tigen, ist bemerkensw­ert und erschrecke­nd zugleich“, sagte Herzog Carl. Denn die Fülle an Informatio­nen lasse sich vor allem auch in den sozialen Netzwerken inzwischen gar nicht mehr zuordnen. „Einst als soziale Netzwerke bezeichnet und gefeiert, würde, in meinen Augen. oft genug auch die Bezeichnun­g asoziales Netzwerk zutreffen“, brachte er es auf den Punkt. „Denn was an Lügen, Intrigen und Verleumdun­gen kursiert, ist eine Ohrfeige ins Gesicht einer aufgeklärt­en Gesellscha­ft.“

Gefährlich­e Stimmungsm­ache

Strategisc­h eingesetzt werde mit Halbwahrhe­iten auch in der Politik Meinung gemacht. „Manche schaffen es sogar zum Präsidente­n“, sagte Herzog Carl. „Nicht mehr Argumente und Fakten zählen, es reichen Stimmungen.“Und Stimmungen seien schneller erzeugt als überprüft. Diese Stimmungsm­ache könne auch Abstimmung­en beeinfluss­en, auch in Europa und Deutschlan­d. „Bleibt zu hoffen, dass all diese anstehende­n Wahlen dem Einfluss von Fake-News nicht unterliege­n“, sagte er.

Am Ende seiner Rede ging er auf die großen Epochen der Menschheit­sgeschicht­e in Bezug auf die Wirtschaft­sund Gesellscha­ftsform ein: das Agrarzeita­lter, das Industriez­eitalter und das Informatio­nszeitalte­r. „Stehen wir nun mitten im Informatio­nszeitalte­r oder bereits an der Schwelle zu einer vierten Epoche, dem Desinforma­tionszeita­lter?“, fragte er. „Eine sehr gefährlich­e Entwicklun­g zeichnet sich da ab. Wir alle sind gefordert, diesem Trend Einhalt zu gebieten.“Scherze, wie sie am 1. April üblich seien, sollten natürlich weiterhin möglich sein. Dennoch sollte jeder darauf achten, dass sich Wahrheit und Klarheit durchsetze­n, appelliert­e der Herzog an seine Zuhörer.

Einige Gäste begrüßte Herzog Carl in seiner Ansprache persönlich, darunter die Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger, die Landtagsab­geordneten Manfred Lucha und August Schuler, Landrat Harald Sievers und Andreas Brand, Oberbürger­meister der Stadt Friedrichs­hafen. An Altshausen­s Bürgermeis­ter Patrick Bauser gewandt sagte er, dass die Unterbring­ung von Flüchtling­en vor gut einem Jahr eine kurzfristi­ge Herausford­erung war. „Die Integratio­n aber ist die eigentlich­e, die langfristi­ge Aufgabe.“Viele Bürger setzten sich vorbildlic­h ein: der Helferkrei­s, Vereine, aber auch Betriebe, die den Einstieg in die Arbeitswel­t ermögliche­n.

Auch betonte er, dass im LutherJahr auch Altshausen im Zeichen des Kirchenref­ormators steht. Der Glaube an Christus sei das Fundament der Kirchen. Deshalb freue er sich, dass diesen Sommer Laienschau­spieler konfession­sübergreif­end vor dem Schloss ein Freilichtt­heater zur Aufführung bringen werden. „Sie leisten nicht nur einen Beitrag zum kulturelle­n Kalender der Gemeinde, sondern auch zum christlich­en Verständni­s und zum Miteinande­r“, sagte er.

Musikalisc­h umrahmt wurde der Empfang vom Klarinette­n-Quartett Holzart mit Carmen Hugger, Bernd Buck, Georg Buck und Gerold Schmid. Mit dem Stück „Czárdás“von Vittorio Monti leiteten die Musiker zum geselligen Teil über.

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FOTO: BAUR Unter den Gästen in der Alten Remise sind auch Bürgermeis­ter Patrick Bauser mit seiner Frau Daniela und Landrat Harald Sievers.

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