Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

GdP: Fokus auf Bayern schadet Baden-Württember­g

Scharfe Kontrollen an Übergängen zu Österreich reißen Lücken an der deutsch-schweizeri­schen Grenze

- Von Ulrich Mendelin

RAVENSBURG - Über Österreich kommen immer weniger Flüchtling­e nach Deutschlan­d, der Weg über die Schweiz ist dagegen im Laufe des letzten Jahres beliebter geworden. Trotzdem schicke die Bundespoli­zei noch immer alle verfügbare­n Kräfte nach Bayern, kritisiert die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) – und zwar zulasten Baden-Württember­gs.

„Die österreich­ische Grenze ist personell gut ausgestatt­et und wird noch von Abordnunge­n aus anderen Ländern unterstütz­t“, sagt Jörg Radek, GdP-Vize und zuständig für den Bereich Bundespoli­zei, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Um dort umfassende Kontrollen durchzufüh­ren, entblößen wir uns in Baden-Württember­g.“Zwar reisen immer noch mehr Flüchtling­e über Österreich ein als über die Schweiz, doch der Abstand schrumpft (siehe Grafik).

Kollegen werden abgezogen Dennoch können die Beamten in den Bundespoli­zeidirekti­onen in Weil am Rhein und in Konstanz nur von der Personalau­sstattung der bayerische­n Dienststel­len in Rosenheim und Freyung träumen. Und nicht nur das: „Bundespoli­zisten aus Baden-Württember­g werden sogar noch abgezogen, um in Bayern und an anderen Schwerpunk­tdienstste­llen zu unterstütz­en“, kritisiert Radek. So seien in Weil am Rhein nur noch 60 Prozent des vorgesehen­en Personals vor Ort, der Rest wird anderweiti­g eingesetzt.

Diese Ungleichhe­it führt Radek auf den Druck der CSU zurück: „Der Einsatz an der deutsch-österreich­ischen Grenze ist politisch motiviert, um den Burgfriede­n der Unionspart­eien aufrecht zu halten.“Das CSU-regierte Bayern hatte Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) massiv aufgeforde­rt, die Kontrollen zu verschärfe­n. Dieser akzeptiert­e auf Drängen der CSU zudem, dass Beamte der bayerische­n Landespoli­zei ihre Bundeskoll­egen an der Grenze unterstütz­en dürfen. So werden an einigen Autobahnüb­ergängen nach Österreich Rund-umdie-Uhr-Kontrollen gewährleis­tet. Dass Schleuser von der Autobahn recht ungefährde­t auf die benachbart­e Landstraße ausweichen können, wird durch diese Zusammenar­beit freilich auch nicht verhindert.

Das baden-württember­gische Innenminis­terium bewertet die Lage an der Schweizer Grenze als „schwierig“. Minister Thomas Strobl (CDU) war in dieser Woche zu Besuch in Weil am Rhein. „Wir werden zusammen mit dem Bund die Migrations­zahlen genau im Auge behalten und schauen müssen, ob es sinnvoll wäre, an dieser Grenze die Grenzschut­zaktivität­en hochzufahr­en – bis hin, wenn notwendig, zum gleichen Status von Grenzkontr­ollen wie an der deutsch-österreich­ischen Grenze“, bekräftigt­e Strobl dort.

Davon ist man noch weit entfernt. Die GdP hat ausgerechn­et, dass allein in Baden-Württember­g – würde man hier dieselben Maßstäbe an die Grenzsiche­rung legen wie in Bayern – für Kontrollen und Fahndung insgesamt 1500 Bundespoli­zisten zusätzlich nötig wären. Radek fordert deswegen, zumindest die vorhandene­n Beamten an ihren eigenen Standorten einzusetze­n und „die Abordnungs­praxis auf den Prüfstand zu stellen“.

Allein am Dienstag dieser Woche registrier­ten Konstanzer Bundespoli­zisten innerhalb von 20 Stunden 20 illegale Einreisen aus der Schweiz. Die weitere Entwicklun­g unterliege zahlreiche­n Faktoren, sagte ein Sprecher – neben jahreszeit­lichen Einflüssen etwa auch politische­n Entwicklun­gen. „Von daher können wir keine Prognose abgeben, wie sich die Zahlen weiterhin entwickeln werden.“

 ?? FOTO: DPA ?? Grenzkontr­olle an der A 8 Salzburg-München: Bundespoli­zisten, die hier im Einsatz sind, fehlen nach Ansicht der Gewerkscha­ft der Polizei unter anderem in Baden-Württember­g.
FOTO: DPA Grenzkontr­olle an der A 8 Salzburg-München: Bundespoli­zisten, die hier im Einsatz sind, fehlen nach Ansicht der Gewerkscha­ft der Polizei unter anderem in Baden-Württember­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany