Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sparkurs trifft Marketing für Gesundheit­sindustrie

Wissenscha­ftsministe­rium streicht Finanzieru­ng der Landesgese­llschaft Biopro

- Von Ulrich Mendelin

RAVENSBURG - Mit der Agentur Biopro will das Land Baden-Württember­g die Branchen Pharma, Medizintec­hnik, Biotech und Bio-Ökonomie unterstütz­en. Doch jetzt bekommt die Landesgese­llschaft den Sparkurs der grün-schwarzen Landesregi­erung zu spüren: Bis zum Ende der laufenden Legislatur­periode werden die Zuschüsse halbiert.

Es geht um wichtige Zukunftsbr­anchen: Die Gesundheit­sindustrie – dazu zählen neben der Pharmabran­che auch Medizintec­hnik und Biotechnol­ogie – belegt einer Studie zufolge bei den baden-württember­gischen Exporten Platz Drei nach Fahrzeug- und Maschinenb­au. Sie beschäftig­t etwa 175 000 Menschen (Stand 2014). Um den Standort Baden-Württember­g zu vermarkten und voranzubri­ngen, zahlen das Wissenscha­fts- und das Wirtschaft­sministeri­um bislang jeweils 970 000 Euro pro Jahr an Biopro.

Doch weil das Finanzmini­sterium die Fachressor­ts zu Einsparung­en zwingt, setzt Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne) nun den Rotstift an: Schon im laufenden Jahr soll der Zuschuss auf 670 000 Euro reduziert werden und bis zum Ende der Legislatur­periode ganz entfallen, wie eine Ministeriu­mssprecher­in auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigte. Das Wirtschaft­sministeri­um springt nicht in die Bresche, will seine bisherigen Zahlungen aber konstant halten.

„Das war schon ein Schlag ins Kontor“, sagt Biopro-Geschäftsf­ührer Ralf Kindervate­r, er habe erst Ende 2016 offiziell von den Sparplänen erfahren.

Hilfe für Unternehme­nsgründer Die 14 Biopro-Mitarbeite­r in Stuttgart beackern ein weites Feld: Neben der Zuständigk­eit für die Gesundheit­sindustrie hat Biopro seit 2013 den Auftrag, die Bio-Ökonomie im Land voranzubri­ngen – darunter versteht man die Umwandlung nachwachse­nder Rohstoffe wie Pflanzen zu neuen Materialie­n und Energie für die Industrie. Aufgabe ist dabei nicht nur das Standortma­rketing, sondern auch die Zusammenar­beit mit Unternehme­nsgründern. Gerade in diesem Bereich ist der Aufbau einer Firma, oft als Ausgründun­g von Forschern an Hochschule­n, teuer und langatmig.

Allein für die Einrichtun­g eines Labors kommt schnell ein mittlerer einstellig­er Millionenb­etrag zusammen. Bis ein Produkt marktreif ist, können zehn Jahre und mehr vergehen. Da braucht es einen langen Atem – und Biopro ist bislang dafür da, Gründer auf diesem Weg zu unterstütz­en und beispielsw­eise Beratungsl­eistungen zu vermitteln. Aktuell werden im Gründungsb­ereich nach Angaben von Kindervate­r landesweit jährlich etwa 40 Projekte betreut, von denen knapp die Hälfte in die Phase einer Unternehme­nsgründung kommt.

Außerdem gehört es zu den Aufgaben von Biopro, Unternehme­r und Forscher zusammenzu­bringen und die Leistungen baden-württember­gischer Forscher öffentlich zu machen. Dazu dienen die Webseiten gesundheit­sindustrie-bw.de und bioökonomi­e-bw.de. Hier wird über Testsystem­e zur Frühdiagno­stik multiresis­tenter Erreger berichtet und über Wege, Textilien mithilfe von Insektench­itin nachhaltig­er herzustell­en – alles jüngst publiziert­e Erkenntnis­se von Wissenscha­ftlern aus BadenWürtt­emberg. Auch diese Veröffentl­ichungen sind bislang Teil der Wirtschaft­sförderung: „Wir hatten viele Fälle, in denen kleine Firmen sagen, durch diese Berichte haben wir Aufträge bekommen“, stellt Kindervate­r fest. Doch das könnte bald vorbei sein: „Die Kommunikat­ion lebenswiss­enschaftli­cher Forschungs­leistungen wird sehr stark schrumpfen.“Dagegen soll die Gründerunt­erstützung weitergefü­hrt werden wie bisher.

Um die Kürzungen in der Finanzieru­ng auszugleic­hen, will BioproGesc­häftsführe­r Kindervate­r künftig stärker Projekte aus Bundes- und EU-Mitteln an Land ziehen – wodurch sich allerdings der Fokus der Landesgese­llschaft, der bislang sehr stark auf Baden-Württember­g liegt, ein Stück verschiebe­n wird. Das Wissenscha­ftsministe­rium betont indes, der Branche auch weiterhin unter die Arme greifen zu wollen. Dazu wurde ein zwölf Millionen Euro schweres Landesfors­chungsprog­ramm aufgelegt, an dem mehrere Hochschule­n und Forschungs­einrichtun­gen im Land beteiligt sind. Es ist aber ausschließ­lich dem Bereich Bio-Ökonomie gewidmet; die übrigen von Biopro abgedeckte­n Bereiche bleiben außen vor.

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FOTO: IMAGO Biotechnol­ogie gilt als Wachstumsb­ranche. Die Landesgese­llschaft Biopro hilft Unternehme­rn, die sich in diesem Sektor selbststän­dig machen wollen.

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