Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Entwicklungsschub beim Head-up-Display
Projektion und Wirklichkeit verschmelzen immer mehr – Neue Systeme sollen Ablenkung des Fahrers minimieren
utofahrer müssen sich wohl bald an eine neue Perspektive gewöhnen. Denn die Zeiten, in denen sich ihr Blick während des Fahrens in den Instrumenten verliert, gehen so langsam zu Ende. Das zumindest ist die Botschaft vieler Zulieferer und Autohersteller, die ihr Heil im Head-up-Display suchen. Schon jetzt haben diese Systeme, die wichtige Infos direkt in das Blickfeld des Fahrers projizieren und so die Ablenkung minimieren sollen, den Markt bis in die Kompaktklasse durchdrungen. Doch wer auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas und der Detroit Motor Show genau hingeschaut hat, konnte in Sitzkisten und Designstudien viele Weiterentwicklungen finden, die den Autofahrern zukünftig ganz neue Möglichkeiten bieten.
Auf Anhieb verständlich Das große Schlagwort: Augmented Reality. Das meint die situationsgerechte Anreicherung der Wirklichkeit, erläutert VW-Sprecher Christian Buhlmann. Während die Anzeigen des Head-up-Displays bislang eher statisch waren und keinen direkten Bezug zum Kontext hatten, ziehen die Hersteller nun eine zweite Bildebene ein und passen die Inhalte dort der Umgebung an. Durch die natürliche Positionierung direkt auf der Fahrbahn füge sich die Darstellung nahtlos ins Straßenbild ein. „Der Fahrer erfasst sie leichter und versteht sie auf Anhieb. So wird die Ablenkung maßgeblich reduziert“, sagt der VW-Sprecher.
Blick immer auf der Straße „Wir holen den Fahrer dort ab, wo seine Aufmerksamkeit sein sollte: beim Verkehrsgeschehen“, sagt Guido Meier-Arendt, der beim Zulieferer Continental die Entwicklung der Bediensysteme leitet. Gerade in anspruchsvollen Verkehrssituationen befreie das den Fahrer von so manchem Blick nach unten auf sein Kombiinstrument oder die Mittelkonsole. „Er kann das Verkehrsgeschehen ständig im Auge behalten.“Nicht ganz unbedeutend, wenn man bei Tempo 100 in einer Sekunde bereits 30 Meter zurücklegt.
Navigationspfeile zum Beispiel folgen beim Messemodell der Wolfsburger dann der jeweiligen Spur und zeigen an einer Kreuzung tatsächlich in die entsprechende Straße. Und wer sich in den jüngsten Technologieträger von Bosch setzt, sieht nicht einfach eine simple Abstandswarnung. Sondern dort werden in der Projektion jeweils die vorausfahrenden Autos markiert, und ein möglicher Warnhinweis erfolgt direkt am Heck des betreffenden Wagens. „Das ist eine viel konkretere Warnung, die dem Fahrer die Interpretation einer kritischen Situation deutlich erleichtert“, so die Entwickler.
Während Zulieferer Bosch und VW diese Technologie bislang nur in ihren Sitzkisten demonstrieren, hat Audi sie bereits in einem Fahrzeug verbaut und die Detroit-Studie Q8 mit dem ersten Augmented-RealityHead-up-Display ausgestattet. Im Blickfeld des Fahrers verschmelzen virtuelle und reale Welt zu einem Bild, erläutert Sprecher Josef Schloßmacher. Zwar ist die Technik noch nicht ganz reif für die Serie. Doch bis der Q8 in einem Jahr in die Produktion geht, wird auch das Display so weit sein, heißt es.
Kameras ersetzen Spiegel Wie weit der Einsatz reichen kann, hat in Las Vegas der Zulieferer Panasonic gezeigt. Die Japaner haben ihre zwei Bildebenen nämlich so groß gestaltet und die Projektion so weit in die Ferne gerückt, dass tatsächlich alle Anzeigen eingeblendet werden können, erläutert Andreas Heitmann, der den Geschäftsbereich Infotainment leitet. „Wir haben sogar die Spiegel durch Kameras ersetzt und projizieren deren Bilder ins Blickfeld, sobald der Fahrer den Blinker betätigt.“Selbst aus der Vogelperspektive kann man den Wagen dabei betrachten, wenn man den Blinkerhebel ein weiteres Mal bedient. „Dann muss man den Blick sogar beim Rangieren nicht mehr von der Straße nehmen“, beschreibt Heitmann die Vorzüge der Technologie.
Verzicht auf Instrumente Bislang galt das Head-up-Display immer als vergleichsweise teures Extra, räumt Heitmann ein. Der Weg in die kleinen, sehr preissensitiven Fahrzeugklassen war der Technologie deshalb versperrt. Doch Panasonic hat seine neue Systemgeneration nicht umsonst in einen Renault Twizy eingebaut. „Denn die Weiterentwicklung ist so leistungsstark, dass wir auf die Instrumente verzichten können“, sagt Heitmann. Das spart nicht nur Bauraum und lässt so Platz für eine automatische Einstellung mithilfe zweier Kameras, die den Fahrer permanent vermessen. Sondern das drückt vor allem die Kosten: „Und zwar so weit, dass ein Kleinwagen mit Head-up-Display bald billiger sein könnte als einer mit normalen Armaturen.“(dpa)