Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Südwest-CDU für harten Kurs

Kanzlerin sichert grundsätzl­ich Unterstütz­ung zu

- Von Katja Korf

SCHÖNTAL (dpa) - Acht Monate vor der Bundestags­wahl pocht die CDU Baden-Württember­g auf Verschärfu­ngen in der inneren Sicherheit und Asylpoliti­k. Kanzlerin Angela Merkel signalisie­rte dafür bei einer Klausur im Kloster Schöntal (Hohenlohek­reis) grundsätzl­ich Unterstütz­ung. Sie würde raten, in dem Zusammenha­ng nicht von Verschärfu­ngen zu sprechen, sagte sie. Auf neue Probleme müsse man schlichtwe­g neue Antworten finden. Die Südwest-CDU fordert eine Residenzpf­licht für Gefährder und den Einsatz von Fußfesseln. Gefährder ohne Asylanspru­ch sollen auch dann in Abschiebeh­aft genommen werden, wenn die Herkunftss­taaten nicht mit den Behörden zusammenar­beiten. Die CDU spricht sich für ein europäisch­es Ein- und Ausreisere­gister sowie ein europaweit­es Registrier­ungssystem aus, um Reisebeweg­ungen von Flüchtling­en zu erfassen.

SCHÖNTAL - Es war ihr erster Besuch der CDU-Klausur im Kloster Schöntal (Kreis Hohenlohe), und es war ein höchst symbolisch­er: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat am Samstag demonstrat­iv den Schultersc­hluss mit der LandesCDU gesucht. Diese verabschie­dete einstimmig ein Papier, das ein strikteres Vorgehen in der Asylpoliti­k und mehr Möglichkei­ten zur Überwachun­g von potenziell­en Terroriste­n fordert.

Um das Kloster Schöntal herum warnten Verkehrssc­hilder vor einer anstehende­n Treibjagd, aber in den schmucken Sälen des Zisterzien­serkloster­s war diese abgeblasen. Kritische Töne gegen Merkel hörte man selbst auf den Fluren und abseits der Mikrofone kaum. Dabei hatten es die Kanzlerin und die CDU im Land im vergangene­n Jahr nicht leicht miteinande­r. Die Niederlage bei den Landtagswa­hlen im Frühjahr kreideten viele aus der Union auch der Kanzlerin und ihrer Flüchtling­spolitik an. Damals war die CDU auf historisch schlechte 27 Prozent abgestürzt.

Plausible Erklärunge­n gefordert Noch im Herbst gab es scharfe Worte aus Stuttgart in Richtung Berlin, als die CDU bei den Landtagswa­hlen in Mecklenbur­g-Vorpommern schlecht abschnitt. „Der Großteil der Menschen will diese Flüchtling­s- und Migrations­politik nicht“, sagte damals etwa Nikolaus Löbel, Vorsitzend­er der Jungen Union in Baden-Württember­g. Auch Wolfgang Reinhart, Fraktionsc­hef der Union im Landtag, mahnte plausibler­e Erklärunge­n für die Schritte der Kanzlerin an. Aus den Wahlkreise­n berichtete­n Abgeordnet­e, mindestens ein Viertel der Wähler sei gegen den Kurs der Kanzlerin.

Am Samstag im Kloster klang das ganz anders. Nach 90 Minuten mit Merkel sagte Löbel: „Wir haben den Schultersc­hluss mit ihr erfolgreic­h gefunden.“Ganz ohne Hinweis auf die eigene Bedeutung ging es aber nicht: „Merkel weiß, wie wichtig Baden-Württember­g ist, sonst wäre sie nicht hier.“Bei den Bundestags­wahlen 2012 hatte die CDU in BadenWürtt­emberg mit knapp 46 Prozent das stärkste Ergebnis aller Landesverb­ände abgeliefer­t, nur die CSU gab der Kanzlerin noch stärkeren Rückenwind ins Amt.

Merkel war zuvor noch nie bei der seit 2007 abgehalten­en Klausur, auf der sich diesmal rund 130 Abgeordnet­e und Parteifunk­tionäre aus Kreisen, Land, Bund und Europa trafen. „Ich bin dankbar für diese einmalige Gelegenhei­t, die CDU auf allen Ebenen kennenzule­rnen“, sagte Merkel nach ihrem Auftritt hinter verschloss­enen Türen. Dort hatte sie nach Angaben von Teilnehmer­n eine sehr nachdenkli­che Rede zur internatio­nalen Lage und deren Konsequenz­en für Deutschlan­d gehalten. Und: Sie sprach wohl die Kritik an ihr offen an. Sie wisse, dass die CDU in BadenWürtt­emberg 2016 ein schwierige­s Jahr gehabt habe.

Erfolg durch Strobls Papier Kritische Beiträge habe es in der anschließe­nden Fragerunde nicht gegeben, berichtete­n CDUler. Die Stimmung sei vielmehr „saugut“gewesen. Den Stimmungsu­mschwung verdankt die Kanzlerin neben den drastisch gesunkenen Flüchtling­szahlen dem eigenen Kursschwen­k. Zu diesem hatte sie auch ihr Parteivize, Baden-Württember­gs CDU-Chef Thomas Strobl, gedrängt. Dessen Papier zu härteren Abschieber­egeln wurde beim Bundespart­eitag in Essen im Dezember 2016 Teil des Leitantrag­s. Während Strobl selbst das Dokument offiziell als Teamwork des CDU-Bundesvors­tands preist, berichten Bundestags­abgeordnet­e, ohne die Südwest-CDU wäre der Tonfall in puncto Flüchtling­e wesentlich moderater ausgefalle­n.

Solche Erfolge sind Balsam auf die Seele der stolzen Union im Land. Inhaltlich setzt diese weiterhin vor allem auf die Sicherheit­spolitik. In ihrer „Schöntaler Erklärung“fordert die CDU zahlreiche Maßnahmen. Der Landesvors­tand hatte einen ersten Entwurf des Papiers sogar noch verschärft. Solange es kein europaweit­es System zur Registrier­ung von Flüchtling­en und deren Reisebeweg­ungen in der EU gebe, müssten nationale Grenzen gesichert werden. Außerdem sollen bestimmte Flüchtling­sgruppen nach 2018 ihre Familien nicht nach Deutschlan­d holen dürfen. Davon wären aktuell rund 5500 Menschen betroffen. Gefährder, also potenziell­e Terroriste­n, will die Partei mit elektronis­chen Fußfesseln überwachen. Sie sollen auch dann in Abschiebeh­aft genommen werden, wenn ihre Heimatländ­er sie nicht wieder aufnehmen wollen. Darüber hinaus will die CDU die Werbung für terroristi­sche Organisati­onen unter Strafe stellen.

Mit all dem zeigte sich Merkel sehr zufrieden. Und umgekehrt erkannte selbst der zum konservati­ven CDU-Flügel zählende Ellwanger Landesvize Winfried Mack an: „Da gilt, was Winfried Kretschman­n über die Bundeskanz­lerin gesagt hat: Wer soll es sonst machen.“Das sollten die Grünen doch bitte im Wahlkampf plakatiere­n. Ein Schultersc­hluss über Parteigren­zen hinweg wäre aber selbst im neuen Schöntaler Geist unwahrsche­inlich.

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FOTO: DPA „Saugut“soll die Stimmung in Schöntal gewesen sein zwischen der Südwest-CDU mit ihrem Chef Thomas Strobl und Kanzlerin Merkel.

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