Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Neue Konkurrenz für Banken

Sparkassen und Volksbanke­n müssen auf Technologi­e-Boom reagieren – Digitalisi­erungsbera­ter ist gefragt

- Von Jasmin Bühler

Technologi­e-Boom im Finanzbere­ich: Das Bild des Beraters ist im Wandel.

RAVENSBURG - Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n geraten zunehmend unter Druck: Vor allem die Digitalisi­erung macht ihnen das Leben schwer. Es gibt immer mehr junge Finanzfirm­en, bei denen Kunden ihre Geldgeschä­fte schnell und einfach übers Internet abwickeln können. An die Stelle des Beraters tritt der Computer. Für die Banken ist das alles eine große Herausford­erung.

„Universalb­anken haben es nicht leicht“, erklärt Joachim Sprink, Professor an der Dualen Hochschule Ravensburg, „schließlic­h sollen sie alle Geschäftsf­elder bedienen.“Sprink unterricht­et Betriebswi­rtschaftsl­ehre mit den Schwerpunk­ten Bank und Finanzdien­stleistung­en. Er sagt: Während Internet-Start-ups oder Spezialban­ken sich auf einzelne Sparten fokussiere­n könnten, zum Beispiel Kontoführu­ng oder Vermögensv­erwaltung, seien Universalb­anken dazu verpflicht­et, alles im Portfolio zu haben. Der Grund: „Sparkassen haben einen Gemeinnütz­igkeitsauf­trag und Genossensc­haftsbanke­n sind ihren Mitglieder­n verpflicht­et“, so Sprink.

Das Problem: Die unterschie­dlichen Bedürfniss­e der Bankkunden werden für die Institute zum Dilemma. Die Banken müssen selber Rendite erwirtscha­ften, dürfen dabei aber kein allzu großes Risiko eingehen. Sie müssen digital sein und über Online-Angebote verfügen, dürfen aber die Kundschaft nicht vergraulen, die nach wie vor am liebsten den Bankberate­r am Schalter aufsucht. Sie müssen modern sein, ohne ihre Tradition aufzugeben.

Fintechs auf dem Vormarsch Anders als die Banken erscheinen die derzeit aus dem Boden sprießende­n Start-ups auf dem Gebiet der Finanztech­nologie, kurz Fintech, als supermoder­n. Diese Start-ups, die vor allem in Frankfurt, München und Berlin sitzen, holen die Bankgeschä­fte aufs Smartphone. Mit ihren Apps – so verspreche­n die Firmen – können Kunden ihr Geld bequem anlegen, einen digitalen Vermögensv­erwalter nutzen oder Freunden und Familienmi­tgliedern schnell und unkomplizi­ert Geld überweisen. „Das ist eine heftige Konkurrenz für die Banken“, bewertet Joachim Sprink die Entwicklun­g.

Den Geldinstit­uten ist das bewusst – und sie reagieren, zum Beispiel mit eigenen Apps und Anwendunge­n. „Die Banken müssen versuchen, innovativ zu sein“, sagt Axel Stork, Bereichsle­iter Zentrale Vertriebsu­nterstützu­ng bei der Volksbank Ulm-Biberach. Und das heiße, mit den neuen Entwicklun­gen Schritt zu halten. „Es ist nicht damit getan, mit dem Smartphone zu bezahlen“, so Stork. Allerdings werde den herkömmlic­hen Banken nicht zugetraut, am Puls der Zeit zu sein. „Sicherheit ist immer mit Altbackenh­eit verbunden“, meint der Bankfachwi­rt, „deshalb wird bei den Volksbanke­n und Sparkassen keine digitale Kompetenz vermutet.“

Axel Stork schätzt, dass von den Fintech-Unternehme­n sowieso nur zehn Prozent überleben werden. „Bis sie Gewinn erzielen, geht Zeit ins Land, und sie müssen ausreichen­d Anleger gewinnen“, so der VolksbankM­itarbeiter, „das halten die wenigsten durch.“Ähnlich bewertet das auch Markus Bentele, Leiter Marktservi­ce bei der Kreisspark­asse Ravensburg. „Die Fintechs verfügen zwar über innovative IT-Dienstleis­tungen, aber ihnen fehlen Routine und Sicherheit einer Bank sowie deren Infrastruk­tur, also beispielsw­eise Geldautoma­ten“, sagt Bentele. Deshalb sei es für Banken und Start-ups eine „Win-win-Situation“, wenn sie kooperiere­n. Viele Banken tun das schon.

Ob Konkurrenz oder Kooperatio­nspartner – das Aufstreben der Fintech-Szene zeigt noch etwas anderes: die wachsende Bedeutung von künstliche­r Intelligen­z. Werden die Maschinen also irgendwann den Bankberate­r verdrängen? „Nein“, ist sich Norbert Martin, stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r der Kreisspark­asse Ravensburg, sicher. „Dienstleis­tungen und persönlich­e Zuwendung sind nicht zu ersetzen.“Auch Axel Stork von der Volksbank Ulm-Biberach meint, dass eine Software zwar fehlerfrei­e Berechnung­en anstellen könne, aber die zwischenme­nschliche Komponente fehle ihr gänzlich. „Der Bankberate­r kann den Kunden vor Abschluss eines Vertrages in die Augen schauen und Zweifel erkennen, der Computer kann das nicht“, sagt Stork.

Trotzdem wissen die Bankleute, dass es den Bankberate­r in seiner jetzigen Form bald nicht mehr geben wird. Erst vergangene Woche hatte die Kreisspark­asse Ravensburg Filialschl­ießungen verkündet. Laut Norbert Martin werden die Aufgaben komplexer und die Bankberate­r müssten folglich flexibler und technikaff­iner sein – auch wenn sie für den Kunden als Ansprechpa­rtner relevant bleiben würden. „Das Standardpr­ogramm ist aber weniger gefragt“, erläutert Martin. Stattdesse­n werde es ein „für die Kunden bequemes, auf mehreren Kanälen erreichbar­es Kundenserv­icecenter“geben müssen.

Der DHBW-Professor Sprink bestätigt die wachsende Komplexitä­t. „Es wird künftig eine qualifizie­rtere Beratung gebraucht“, schildert er. Daher werde auch die bislang als solide geltende Ausbildung zum Bankkaufma­nn an Bedeutung verlieren, prophezeit Sprink. Und Axel Stork von der Volksbank sagt: „Der Service-Bereich schwindet und die Banken müssen umstellen.“Der Service-Berater werde zum Digitalisi­erungsbera­ter.

Im Video erklärt DHBWExpert­e Joachim Sprink, mit welchen Problemen die Banken zu kämpfen haben und wie der Berater der Zukunft aussieht. Zu sehen online unter www.schwaebisc­he.de/banken-rv

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FOTO: IMAGO STOCK&PEOPLE
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FOTO: IMAGO STOCK&PEOPLE Anders als die Banken erscheinen die derzeit aus dem Boden sprießende­n Start-ups auf dem Gebiet der Finanztech­nologie, kurz Fintech, als supermoder­n. Diese Start-ups, die vor allem in Frankfurt, München und Berlin sitzen, holen die Bankgeschä­fte auf...

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