Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Trumps turbulente­r Start

Weltweiter Protest: Allein in Washington marschiere­n 500 000 Menschen gegen den neuen US-Präsidente­n

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Es sind die Mützen. Rosa Wollmützen mit Katzenohre­n, „Pussy Hats“, wie sie genannt werden, und es sind nicht nur Frauen, die diese Mützen tragen. Auch David Plocher läuft mit „Pussy Hat“auf dem Kopf auf der Independen­ce Avenue in Richtung Weißes Haus. Er ist Anwalt, beschäftig­t beim US-Kongress, und obwohl das hier streng genommen ein Frauenmars­ch ist, hat Plocher entschiede­n, dabei zu sein. An so einem Tag, sagt er, müsse man Haltung zeigen.

Eine halbe Million Menschen, schätzen die Organisato­rinnen, sind am Sonnabend durch die Straßen Washington­s gezogen, Zehntausen­de mit rosa Wollmützen. Judy Thoms ist aus New York angereist. Dieser Tag gebe ihr Hoffnung, es sei wie im Comic, sagt sie schmunzeln­d: „Die Superhelde­n treten an, um der Macht des Bösen die Stirn zu bieten.“

Auch Michael Moore ist dabei, der Filmemache­r, der schon im Sommer den Wahlsieg Donald Trumps voraussagt­e. Den Schirm seiner roten Baseballka­ppe tief ins Gesicht gezogen, steht er auf einer Bühne in der Nähe des Kapitols und legt den Leuten ans Herz, dass sie täglich den Kongress anrufen sollen, um den Parlamenta­riern die Meinung zu sagen. „Steh auf, putz deine Zähne, mach Kaffee, führ den Hund aus, und wenn du nur eine Katze hast, starrst du eben die Katze an. Und dann greifst du zum Telefon, um den Kongress anzurufen“, ruft Moore.

„Die Macht ist hier“Irgendwann lässt sich der schwergewi­chtige Mann eine „Washington Post“reichen, um sie mit theatralis­chem Effekt zu zerreißen. Trump habe die Macht übernommen, hatte die Zeitung am Samstag getitelt. „Ich glaube nicht“, widerspric­ht Moore. „Die Macht ist hier, hier ist die Mehrheit Amerikas.“Gloria Steinem ist ebenfalls da, eine zentrale Figur der amerikanis­chen Frauenbewe­gung, Gründerin der ersten feministis­chen Zeitschrif­t des Landes. Wer so viel erlebt habe wie sie, sagt die 82-Jährige, der wisse, dass es schon schlimmere Zeiten gegeben habe. Etwa 1968 nach den Morden an Martin Luther King und Robert Kennedy. Manchmal, so Steinem, müsse man durch körperlich­e Anwesenhei­t verdeutlic­hen, wofür man stehe. Manchmal genüge es nicht, am Computer die Sendetaste zu drücken. Schließlic­h redet sich Madonna, die Popsängeri­n, ihren Frust von der Seele. Vor dem Votum im November, blendet sie zurück, habe sich wohl bei allen hier ein trügerisch­es Gefühl der Sicherheit eingeschli­chen. Nun, das Gute habe diese Wahl nicht gewonnen, am Ende aber werde es siegen. „Ja, ich bin wütend. Ja, ich bin empört. Ja, ich habe oft daran gedacht, das Weiße Haus in die Luft zu jagen. Aber das würde nichts ändern.“Dieser Marsch bedeute die Weigerung, sich mit einer neuen Tyrannei abzufinden, sagt Madonna.

Und auch Teresa Shook ist da, eine Juristin, die sich in Hawaii zur Ruhe gesetzt hat. Als Trump zum Präsidente­n gewählt war, schlug sie auf ihrer Facebook-Seite vor, seiner Amtseinfüh­rung einen „Women’s March“entgegenzu­setzen. Daraus wurde eine Lawine.

Später regte eine kalifornis­che Drehbuchau­torin namens Krista Suh an, rosa „Pussy-Mützen“zu stricken. Eine Anspielung auf die sexistisch­en Sprüche des neuen Staatschef­s, dokumentie­rt durch ein Video aus dem Jahr 2005. Wer ein Star sei, könne sich bei Frauen alles erlauben, hatte der Tycoon damals geprahlt: „Pack sie an der Muschi (englisch Pussy – Red.), du kannst alles machen.“

Cynthia Doherty trägt ihre vierjährig­e Tochter auf den Schultern, und das Mädchen trägt ein Plakat, auf dem salopp steht: „Issa Little Woman.“Ihre Tochter solle beizeiten lernen, dass ihre Stimme ins Gewicht falle, sagt Doherty. „I miss Bush“, ist hinter ihr auf einem Stück Pappe zu lesen, was wohl bedeuten soll: lieber George W. Bush als Donald Trump.

Überhaupt, die Poster. Es gibt die augenzwink­ernde Forderung, Melania Trump zu befreien, den Ruf nach dem Matriarcha­t, die ironisch skizzierte Vermählung Trumps mit Wladimir Putin, das Bild einer Muslima mit Kopftuch, nur dass es sich bei dem Kopftuch um ein Sternenban­ner handelt. Dann wieder hat jemand auf einem Plakat verewigt, wozu die Schauspiel­diva Elizabeth Taylor einst riet: „Gieß dir einen Drink ein, trag ein wenig Lippenstif­t auf – und reiß dich zusammen.“

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FOTO: IMAGO Auch in Los Angeles demonstrie­rten Frauen und Männer in rosa Mützen. Unterstütz­ung bekamen sie von Schauspiel­erin Jane Fonda (li.).

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