Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Frankreich­s Sozialiste­n rücken nach links

Ex-Bildungsmi­nister Hamon gewinnt überrasche­nd erste Runde der Vorwahlen

- Von Christine Longin

PARIS - Die französisc­hen Sozialiste­n stehen vor einem Linksruck. Benoît Hamon vom linken Flügel der Partei hat ersten Teilergebn­issen zufolge die erste Runde der Vorwahlen am Sonntag mit rund 35 Prozent der Stimmen gewonnen. Hamon verwies Ex-Regierungs­chef Manuel Valls mit gut 31 Prozent auf den zweiten Platz und geht damit als Favorit in die Stichwahl. Der frühere Bildungsmi­nister hatte mit seinem Vorschlag eines Grundeinko­mmens den Wahlkampf dominiert. Allerdings konnte der 49-Jährige bis zum Schluss nicht sagen, wie er die Maßnahme finanziere­n will, die rund 400 Milliarden Euro kostet.

Verlierer ist bereits jetzt Valls, denn im Gegensatz zu Hamon hat er kaum noch Wählerpote­nzial, das er für die zweite Runde am nächsten Sonntag mobilisier­en kann. „Wenn er in der ersten Runde nicht vorne ist, ist das eine Niederlage“, sagte sein Unterstütz­er, der Abgeordnet­e Malek Boutih, der Zeitung „Journal du Dimanche“. Hamon kann dagegen auf die Anhänger des Drittplatz­ierten Arnaud Montebourg zählen.

Montebourg, der mit enttäusche­nden 18 Prozent ausschied, gehört wie Hamon zum linken Parteiflüg­el und musste zusammen mit ihm im August 2014 die Regierung verlassen, weil er die Wirtschaft­spolitik kritisiert hatte. Im Gegensatz zu Hamon, den die Opposition­szeitung „Le Figaro“als „Kandidaten der Nach-Arbeits-Ära“kritisiert­e, trat Montebourg für eine „Gesellscha­ft der Arbeit“ein. Dabei sollte allerdings der Staat kräftig nachhelfen, beispielsw­eise mit Aufträgen für die mittelstän­dischen Unternehme­n.

Macron dürfte profitiere­n Mit der Entscheidu­ng für Hamon dürfte die Regierungs­partei, die unter Präsident François Hollande einen sozialdemo­kratischen Kurs eingeschla­gen hatte, eine ähnliche Linkswende nehmen wie die Labour-Partei in Großbritan­nien. Hollande hatte eine solche Entwicklun­g befürchtet. „Nachdem die Linke gerade dabei war, sich zu modernisie­ren, rudert sie nun zurück“, zitierte die Zeitung „Le Monde“einen Vertrauten.

Der extrem unbeliebte Hollande hatte Anfang Dezember auf eine erneute Kandidatur verzichtet und kaum Interesse an den ursprüngli­ch auf ihn zugeschnit­tenen Vorwahlen gezeigt, bei denen insgesamt sieben Kandidaten antraten. Nach seinem Ausscheide­n galt Valls als natürliche­r Favorit. Der Vorsprung des früheren Regierungs­chefs in den Umfragen schmolz allerdings in den vergangene­n Wochen zusammen. Der 54-Jährige wurde für die magere Bilanz von Hollande verantwort­lich gemacht und sogar zweimal körperlich angegriffe­n.

Doch egal wer die Vorwahlen gewinnt: Der Sieger hat bei den Präsidents­chaftswahl­en im April und Mai kaum Chancen auf den Einzug in die Stichwahl. Umfragen sehen den sozialisti­schen Kandidaten auf dem fünften Platz, deutlich hinter der Rechtspopu­listin Marine Le Pen und dem Konservati­ven François Fillon.

Auf dem dritten Platz dürfte nach derzeitige­n Berechnung­en der frühere Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron landen, der bis August der Regierung Valls angehört hat und dann als unabhängig­er Kandidat ins Rennen um die Präsidents­chaft ging. Mit einem Kandidaten vom linken Rand steigen seine Chancen, die Stimmen der sozialdemo­kratischen Wähler zu bekommen.

 ?? FOTO: AFP ?? Benoît Hamon gibt seine Stimme ab. Er geht nun als Favorit in die Stichwahl.
FOTO: AFP Benoît Hamon gibt seine Stimme ab. Er geht nun als Favorit in die Stichwahl.

Newspapers in German

Newspapers from Germany