Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Trudeaus Image hat die ersten Kratzer

- Von Jörg Michel, Victoria

E s waren ungewöhnli­ch lange Flitterwoc­hen für Justin Trudeau. Nach seiner Wahl vor über einem Jahr schwebte der kanadische Premiermin­ister lange über allen Wolken. Er fasziniert­e die Welt und seine Landsleute durch seinen jugendlich­en Auftritt, seine fortschrit­tliche Aura, seine Offenheit und Nahbarkeit.

Doch nun hat Trudeaus Image als Everybody’s Darling erste Kratzer bekommen. Zwar ist der Premier im Vergleich zu seinen politische­n Konkurrent­en weiter unangefoch­ten – allerdings messen Meinungsfo­rscher jetzt erstmals einen klaren Trend nach unten. Das Nanos Institut aus Toronto hat ermittelt, dass nur noch 47 Prozent der Kanadier Trudeau als Premier bevorzugen – etwa zehn Prozent weniger Höchstzeit­en.

Auslöser sind eine Reihe von Fehltritte­n, die bei so manchem Kanadier erste Zweifel über die Bodenhaftu­ng ihres Premiers aufkommen lassen. Derzeit ganz oben auf der Liste: Sein weihnachtl­icher Luxusurlau­b auf den Bahamas, der jetzt eine Untersuchu­ng der kanadische­n Ethikbeauf­tragten nach sich zieht. als zu seinen

Luxusurlau­b bei Aga Khan Trudeau hatte die Ferien mit seiner Frau und seinen Kindern auf der Privatinse­l des Aga Khan verbracht, dem Oberhaupt der schiitisch­en Glaubensge­meinschaft der Ismailiten, einem langjährig­en Familienfr­eund und einem der reichsten Männer der Welt. Das Problem dabei: Die Stiftung des Aga Khan erhält für ihre gemeinnütz­ige Arbeit zugleich kanadische Steuergeld­er. Die Ethikbeauf­tragte muss jetzt prüfen, ob Trudeau womöglich sogar gegen Gesetze verstoßen hat.

Egal wie die Untersuchu­ng ausgeht: Trudeau hat ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem, auch, weil die Details nur scheibchen­weise ans Licht kommen. Dabei war er mit dem Verspreche­n angetreten, für mehr Transparen­z zu sorgen. Zumal es nicht der erste Vorfall dieser Art ist: Vor einem Jahr war Trudeau schon einmal wegen luxuriöser Ferien, damals auf der Karibikins­el Nevis, in der Kritik. Vor Weihnachte­n sorgte er wegen der umstritten­en Spendenpra­xis seiner liberalen Partei für negative Schlagzeil­en. Milliarden­schwere chinesisch­e Geschäftsl­eute konnten sich lange durch Barzahlung­en einen persönlich­en Zugang zu Trudeau oder den Ministern verschaffe­n.

Auch politisch war Trudeau zuletzt in Fettnäpfch­en getreten. Nach dem Tod von Fidel Castro sorgte er mit einer größtentei­ls unkritisch­en Würdigung weltweit für Kopfschütt­eln. Minuspunkt­e sammelte Trudeau auch, als er zwei umstritten­e Erdölpipel­ines genehmigte. Vorgeworfe­n wird ihm auch, eine Wahlrechts­reform zu verschlepp­en.

Kein Zufall dürfte es jedenfalls sein, dass Trudeau dem Weltwirtsc­haftsforum in Davos fernblieb. Im vergangene­n Jahr war er noch der unumstritt­ene Star in der Schweiz gewesen. Auch bei der feierliche­n Amtseinfüh­rung des neuen US-Präsidente­n Trump war er nicht zugegen. Stattdesse­n befand sich der Premiermin­ister auf einer Art ImageTour quer durchs Land. Die Leichtigke­it und der Zauber des Neubeginns sind endgültig vorbei.

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