Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Im Zwiespalt
Banken müssen seit sechs Monaten ein Basiskonto für Flüchtlinge anbieten – Institute sehen sich allerdings im Konflikt mit Geldwäsche-Regeln
FRANKFURT - Die Kreditwirtschaft atmet auf: Bislang spricht nichts dafür, dass der Attentäter von Berlin, Anis Amri, ein Basiskonto genutzt hat – jenen Kontotyp, den die Banken und Sparkassen seit einem guten halben Jahr für Flüchtlinge, Wohnungslose und überschuldete Menschen anbieten müssen. Sie tun das auch, fühlen sich aber in einem Zwiespalt. Denn derselbe Staat, der aus sozialpolitischen Gründen solche Guthabenkonten für Arme vorschreibt, verschärft zugleich die Gesetzgebung gegen die Geldwäsche.
„Das Problem besteht darin, dass die Banken dazu verpflichtet sind, sehr genau zu schauen, wer da ihr Kunde wird, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu vermeiden“, sagt Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken. Da müssten dann auch mal Kontoanträge abgelehnt werden, weil nicht klar sei, wer das Konto beantrage, da keine ausreichenden Ausweispapiere vorgelegt werden.
Die Identität zu prüfen, sei in der Praxis oft schwierig, sagt Stephan Bruhn, stellvertretender Vorstandschef der Frankfurter Sparkasse. Zwar sei geregelt, welche Personaldokumente für eine Kontoeröffnung benutzt werden könnten. „Da ist einmal die Aussetzung der Abschiebung oder Duldung, da ist ein Ankunftsnachweis und ein Aufenthaltstitel“, zählt er beispielhaft auf. Wobei der „Aufenthaltstitel“aber nur mit Zusatz „Ausweisersatz“akzeptiert werden darf, nicht mit dem Zusatz „Passersatz“. Außerdem sähen die Dokumente nicht immer gleich aus.
In aller Regel werde aber nahezu jedes beantragte Konto eröffnet. „Insgesamt läuft das Thema nach meiner Kenntnis praktisch reibungslos“, berichtet Kemmer. So existieren schon mehrere Tausend solcher Basiskonten. Es sind Guthabenkonten ohne Kreditmöglichkeit. Allein die Frankfurter Sparkasse eröffnet monatlich rund 100 Stück. Etwa 80 bis 85 Prozent aller Kontoeröffnungen beträfen Flüchtlinge, schätzt Sparkassen-Vorstand Bruhn. Bei Martin Trautwein, dem Leiter der CaritasSchuldnerberatung in Frankfurt, trifft sich ein anderes Klientel für das Basiskonto, die Überschuldeten. In Deutschland seien gut zehn Prozent aller Erwachsenen überschuldet, weiß er, die also, wenn sie alle ihre Raten gezahlt hätten, Miete, Strom und Essen nicht mehr bezahlen könnten. „Das sind die Menschen, denen die Konten gekündigt wurden, weil sie sie nicht mehr bedienen konnten, die arbeitslos geworden sind, wo das dritte Kind kam, wo einfach plötzlich nichts mehr ging. Die brauchen dann ein Basiskonto“, sagt Trautwein. „ Oft haben ausgerechnet solche Menschen Schwierigkeiten.“
Manche Institute weigern sich Die Schwierigkeiten sind vielfältig: Ein Basiskonto muss man bei einer Vermögensauskunft angeben. Dann kommen Gläubiger und versuchen, die eingehenden Sozialleistungen zu pfänden. Und die Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto soll vielen Instituten zu aufwendig sein. Andere drängen die Betroffenen mit hohen Gebühren aus Kundenkreis und Filiale. Ein Institut aus Bremen hat es mit 360 Euro im Jahr versucht und holte sich, wie fünf andere auch, eine Abmahnung der Verbraucherverbände. Manche Banken schicken die Antragsteller auch – entgegen der Verordnung – gerne zu den Sparkassen. Die hätten einen öffentlichrechtlichen Auftrag, wird wohl dabei gedacht.
Wem ein Basiskonto verweigert wird, kann sich beschweren. Dafür ist die in Bonn ansässige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zuständig, die Bafin. In deren Internetangebot finde man die Beschwerdeformulare, erklärt Schuldnerberater Trautwein. „Man kann auch zu seiner Schuldnerberatung in der Nähe gehen“, sagt er. „Und in der Regel reicht das auch, wenn wir anrufen und auf den Tisch hauen.“Bislang sind nach Protesten rund 70 von 200 zunächst abgelehnten Kontoanträgen doch gebilligt worden.