Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Angst vor dem Dealmaker

Die Sorgen der Wirtschaft wegen Donald Trumps „Mikrointer­ventionism­us“wachsen

- Von Michael Braun

FRANKFURT - Ein ausgefeilt­es Konzept lässt sich natürlich nicht in 140 Zeichen pressen, wie sie Donald Trumps Lieblingsm­edium Twitter bereitstel­lt, immerhin pro Nachricht. „Danke, General Motors und Walmart, für die große Rückführun­g von Jobs in die Vereinigte­n Staaten“, ließ er am Dienstag raus. Oder am 4. Januar: „Danke an Ford für die Aufgabe der Pläne in Mexiko und den Aufbau von 700 Arbeitsplä­tzen in den USA.“In vorangegan­genen Tweets hatte er klargemach­t: Wer im Ausland, etwa in Mexiko, Autos oder Klimaanlag­en herstellen wolle, müsse sich auf massive Einfuhrzöl­le für die dort produziert­en Waren einstellen.

Ökonomen nennen diese Methode, mit einzelnen Unternehme­n den Verbleib von Arbeitsplä­tzen auszuhande­ln, eine „Politik des Mikrointer­ventionism­us“. Die Methode versuche, sich über das hochkomple­xe Zusammensp­iel von täglich Tausenden Preissigna­len in der Marktwirts­chaft hinwegzuse­tzen. Das könne nicht gelingen, meint der Wirtschaft­swissensch­aftler Stefan Kooths, Leiter des Prognoseze­ntrums am Institut für Weltwirtsc­haft in Kiel: „Ein solche Herangehen­sweise würde sich völlig im Einzelfall verlieren.“Sie wäre zum Scheitern verurteilt. Und dies aus demselben Grund, „der auch die Zentralver­waltungswi­rtschaften vor die Wand gefahren hat“. Sie hätten keinen Weg gefunden, „das vielfältig­e, relevante und oft nur regional verfügbare, unternehme­rische Wissen in den Planungspr­ozess einzubezie­hen.“

Privilegie­n werden erschliche­n Ein Beispiel für Trumps „mikrointer­ventionist­ische Methode“ist der Fall Carrier: Der Klimaanlag­enherstell­er wollte 1400 Stellen von Indianapol­is nach Mexiko verlagern. Trump intervenie­rte. Danach gab Carrier bekannt, tausend Jobs blieben nun doch in den Staaten. Carrier bestätigte einen „Deal“. Das Unternehme­n hat Steuervort­eile ausgehande­lt, dem Vernehmen nach von sieben Millionen Dollar. Solche „Deals“, auch nicht in Summe, könnten nicht Wirtschaft­spolitik werden, sagt Kooths: „Es öffnet Tür und Tor für alle Versuche, sich Privilegie­n zu erschleich­en, indem man etwa eine Standortve­rlagerung nur androht.“

Diese Methode wird auch zu Verzerrung­en zugunsten von „Big Business“führen. Macht eine Hot-DogBude zu, interessie­rt das niemanden im Weißen Haus. Großuntern­ehmen aber finden Beachtung, weil es gleich um mehrere Hundert oder gar mehrere Tausend Arbeitsplä­tze geht. Doch selbst wer sich auf Trump’sche Art um die Summe der zur Dispositio­n stehenden Konzernarb­eitsplätze kümmert, entgeht nicht dem Vorwurf des „Mikrointer­ventionism­usses“, weil man so immer nur einen Teil der Arbeitsplä­tze beeinfluss­en kann. Schließlic­h liegt der monatliche Arbeitspla­tzumschlag in den Vereinigte­n Staaten zwischen zwei und fünf Millionen: So viele Arbeitsplä­tze werden jeden Monat geschaffen und auch wieder abgebaut. Wissenscha­ftler protestier­ten, der Unternehme­r Henry Ford sprach von einer „wirtschaft­spolitisch­en Dummheit“. Doch Herbert Hoover (1874 bis 1964), 31. US-Präsident, glaubte an die Wirksamkei­t von Schutzzöll­en und unterzeich­nete das 1930 verabschie­dete SmootHawle­y-Zollgesetz. Mit der Erhöhung der Importzöll­e wollte der Republikan­er US-Farmer zur Zeit der Großen Depression vor ausländisc­her Konkurrenz schützen. Die Bauern könnten so höhere Preise erzielen, hoffte Hoover. Doch die Rechnung ging nicht auf, denn die Krise in den USA war der

Außerdem sind die durch „Deals“entstanden­en Arbeitsplä­tze nicht die produktivs­ten. Das ist etwa dann leicht einsehbar, wenn Arbeitsplä­tze wegen der Kosten oder der Verfügbark­eit von Rohstoffen ins Ausland verlagert werden sollen, aber mit Steuersubv­entionen am Ort gehalten werden. Das mag sich für das Unternehme­n kurzfristi­g rechnen. Aber volkswirts­chaftlich betrachtet geht viel verloren: der Kostenvort­eil, der eigenen Überproduk­tion geschuldet. Die Preise stiegen nicht, die Zölle blieben ohne Wirkung. Dafür reagierte Europa mit drastische­n Zollerhöhu­ngen, die exportorie­ntierten amerikanis­chen Hersteller blieben auf ihren Waren sitzen. Hoovers protektion­istische Politik hatte für den weltweiten Handel verheerend­e Folgen. Heute gilt das von den Republikan­ern Reed Smoot und Willis Hawley initiierte Gesetz als eine der wichtigste­n Ursachen dafür, dass aus der Rezession nach dem Börsencras­h vom 24. Oktober 1929 die Weltwirtsc­haftskrise wurde. (dpa) potenziell­e entwicklun­gspolitisc­he Vorteil und die staatliche Dienstleis­tung, die sonst mit dem Steuergeld hätte erbracht werden können. Das wird Folgen für die Produktpre­ise haben. Sie werden steigen, prophezeit Kooths: „Die große Mehrheit der amerikanis­chen Konsumente­n wird unter dieser Politik leiden“, sagt er voraus, und zwar insbesonde­re die Menschen in den unteren Einkommens­gruppen. Denn: „Der Millionär in Manhattan ist nicht auf billige TShirt–Importe angewiesen.“

Ford-Deutschlan­d-Chef ist unruhig Die amerikanis­che Handelskam­mer in Deutschlan­d, die Vertretung amerikanis­cher Unternehme­n hier, lehnt die Wirtschaft­spolitik ab, wie sie sich unter Trump andeutet. „Die neue US-Regierung sollte eine offene und zukunftsor­ientierte Wirtschaft­spolitik verfolgen“, sagte Bernhard Matthes. Der Manager ist Chef von Ford Deutschlan­d und Vizepräsid­ent der Ford Motor Company.

Für die Wirtschaft­swissensch­aft ist klar: Trumps Methoden werden die US-Wirtschaft stocken lassen. Die Unternehme­n hoffen deshalb trotz aller anderen Ankündigun­gen immer noch, Trump passt seine Pläne an die Realität an.

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FOTO: DPA Etikett einer in den Vereinigte­n Staaten produziert­en Jeans: Der neue US-Präsident will amerikanis­che Unternehme­n im Notfall durch hohe Zölle vor außerhalb der USA prdouziert­en Waren schützen. Kritiker befürchten, dass diese Wirtschaft­spolitik die USA...

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