Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Angst vor dem Dealmaker
Die Sorgen der Wirtschaft wegen Donald Trumps „Mikrointerventionismus“wachsen
FRANKFURT - Ein ausgefeiltes Konzept lässt sich natürlich nicht in 140 Zeichen pressen, wie sie Donald Trumps Lieblingsmedium Twitter bereitstellt, immerhin pro Nachricht. „Danke, General Motors und Walmart, für die große Rückführung von Jobs in die Vereinigten Staaten“, ließ er am Dienstag raus. Oder am 4. Januar: „Danke an Ford für die Aufgabe der Pläne in Mexiko und den Aufbau von 700 Arbeitsplätzen in den USA.“In vorangegangenen Tweets hatte er klargemacht: Wer im Ausland, etwa in Mexiko, Autos oder Klimaanlagen herstellen wolle, müsse sich auf massive Einfuhrzölle für die dort produzierten Waren einstellen.
Ökonomen nennen diese Methode, mit einzelnen Unternehmen den Verbleib von Arbeitsplätzen auszuhandeln, eine „Politik des Mikrointerventionismus“. Die Methode versuche, sich über das hochkomplexe Zusammenspiel von täglich Tausenden Preissignalen in der Marktwirtschaft hinwegzusetzen. Das könne nicht gelingen, meint der Wirtschaftswissenschaftler Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums am Institut für Weltwirtschaft in Kiel: „Ein solche Herangehensweise würde sich völlig im Einzelfall verlieren.“Sie wäre zum Scheitern verurteilt. Und dies aus demselben Grund, „der auch die Zentralverwaltungswirtschaften vor die Wand gefahren hat“. Sie hätten keinen Weg gefunden, „das vielfältige, relevante und oft nur regional verfügbare, unternehmerische Wissen in den Planungsprozess einzubeziehen.“
Privilegien werden erschlichen Ein Beispiel für Trumps „mikrointerventionistische Methode“ist der Fall Carrier: Der Klimaanlagenhersteller wollte 1400 Stellen von Indianapolis nach Mexiko verlagern. Trump intervenierte. Danach gab Carrier bekannt, tausend Jobs blieben nun doch in den Staaten. Carrier bestätigte einen „Deal“. Das Unternehmen hat Steuervorteile ausgehandelt, dem Vernehmen nach von sieben Millionen Dollar. Solche „Deals“, auch nicht in Summe, könnten nicht Wirtschaftspolitik werden, sagt Kooths: „Es öffnet Tür und Tor für alle Versuche, sich Privilegien zu erschleichen, indem man etwa eine Standortverlagerung nur androht.“
Diese Methode wird auch zu Verzerrungen zugunsten von „Big Business“führen. Macht eine Hot-DogBude zu, interessiert das niemanden im Weißen Haus. Großunternehmen aber finden Beachtung, weil es gleich um mehrere Hundert oder gar mehrere Tausend Arbeitsplätze geht. Doch selbst wer sich auf Trump’sche Art um die Summe der zur Disposition stehenden Konzernarbeitsplätze kümmert, entgeht nicht dem Vorwurf des „Mikrointerventionismusses“, weil man so immer nur einen Teil der Arbeitsplätze beeinflussen kann. Schließlich liegt der monatliche Arbeitsplatzumschlag in den Vereinigten Staaten zwischen zwei und fünf Millionen: So viele Arbeitsplätze werden jeden Monat geschaffen und auch wieder abgebaut. Wissenschaftler protestierten, der Unternehmer Henry Ford sprach von einer „wirtschaftspolitischen Dummheit“. Doch Herbert Hoover (1874 bis 1964), 31. US-Präsident, glaubte an die Wirksamkeit von Schutzzöllen und unterzeichnete das 1930 verabschiedete SmootHawley-Zollgesetz. Mit der Erhöhung der Importzölle wollte der Republikaner US-Farmer zur Zeit der Großen Depression vor ausländischer Konkurrenz schützen. Die Bauern könnten so höhere Preise erzielen, hoffte Hoover. Doch die Rechnung ging nicht auf, denn die Krise in den USA war der
Außerdem sind die durch „Deals“entstandenen Arbeitsplätze nicht die produktivsten. Das ist etwa dann leicht einsehbar, wenn Arbeitsplätze wegen der Kosten oder der Verfügbarkeit von Rohstoffen ins Ausland verlagert werden sollen, aber mit Steuersubventionen am Ort gehalten werden. Das mag sich für das Unternehmen kurzfristig rechnen. Aber volkswirtschaftlich betrachtet geht viel verloren: der Kostenvorteil, der eigenen Überproduktion geschuldet. Die Preise stiegen nicht, die Zölle blieben ohne Wirkung. Dafür reagierte Europa mit drastischen Zollerhöhungen, die exportorientierten amerikanischen Hersteller blieben auf ihren Waren sitzen. Hoovers protektionistische Politik hatte für den weltweiten Handel verheerende Folgen. Heute gilt das von den Republikanern Reed Smoot und Willis Hawley initiierte Gesetz als eine der wichtigsten Ursachen dafür, dass aus der Rezession nach dem Börsencrash vom 24. Oktober 1929 die Weltwirtschaftskrise wurde. (dpa) potenzielle entwicklungspolitische Vorteil und die staatliche Dienstleistung, die sonst mit dem Steuergeld hätte erbracht werden können. Das wird Folgen für die Produktpreise haben. Sie werden steigen, prophezeit Kooths: „Die große Mehrheit der amerikanischen Konsumenten wird unter dieser Politik leiden“, sagt er voraus, und zwar insbesondere die Menschen in den unteren Einkommensgruppen. Denn: „Der Millionär in Manhattan ist nicht auf billige TShirt–Importe angewiesen.“
Ford-Deutschland-Chef ist unruhig Die amerikanische Handelskammer in Deutschland, die Vertretung amerikanischer Unternehmen hier, lehnt die Wirtschaftspolitik ab, wie sie sich unter Trump andeutet. „Die neue US-Regierung sollte eine offene und zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik verfolgen“, sagte Bernhard Matthes. Der Manager ist Chef von Ford Deutschland und Vizepräsident der Ford Motor Company.
Für die Wirtschaftswissenschaft ist klar: Trumps Methoden werden die US-Wirtschaft stocken lassen. Die Unternehmen hoffen deshalb trotz aller anderen Ankündigungen immer noch, Trump passt seine Pläne an die Realität an.