Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Die 3-D-Technik wurde durch Mistfilme ausgebeutet“
Wim Wenders über seinen Film „Die schönen Tage von Aranjuez“und seine Sorgen um die USA unter Trump
BERLIN - Diese Woche kommt Wim Wenders neuer Film „Die schönen Tage von Aranjuez“in die Kinos. Wim Wenders hat sich mit Kasper Heinrich über die Vorlage zum Film, ein Theaterstück von Peter Handke, entschleunigte Dialoge, das Scheitern von 3-D und seine Sorge um die USA unterhalten.
Herr Wenders, Sie haben mal gesagt, ein Film müsse auf einer Erfahrung beruhen, sonst werde er eine pure Behauptung. Welche Erfahrung hat Sie dazu verleitet, „Die schönen Tage von Aranjuez“zu verfilmen, ein Theaterstück Ihres Freundes Peter Handkes? Wim Wenders: Die Erfahrung, mit jemandem zusammen in der Natur zu sitzen, unter Bäumen, und ein langes Gespräch zu führen, an einem Ort, an dem man ungestört ist. Das ist etwas Königliches. Als ich Peters Text gelesen habe, wusste ich: So was habe ich noch nie als Film gedreht, aber insgeheim immer machen wollen. Dass es dann auch noch ein Gespräch zwischen einer Frau und einem Mann ist, war mir um so lieber. Denn dieser Diskurs ist, zumindest im Kino, unter die Räder gekommen.
Wie erklären Sie sich das? Alles hat sich beschleunigt, auch das filmische Erzählen. Gespräche kann man aber nicht beschleunigen, man kann sie nicht schneller schneiden, als die Leute reden. Die Kultur des langen und entschleunigten Dialogs im Kino hat sich deshalb verdünnisiert. Ein Film, der ein einziges langes Gespräch zeigt: Da müsste ich ewig zurückgehen, bis mir was einfällt. Bei Handke sind Sie fündig geworden, zumindest was die Form des Dialogs betrifft. War Ihnen die stilisierte Sprache von Handke denn auch vertraut oder haben Sie sich eher daran gerieben? Ich bin mit Peters Texten vertraut und liebe seine Bücher seit nunmehr 50 Jahren. Aber für einen im Film gesprochenen Dialog habe mich schon etwas daran gerieben. Peter macht es einem nicht einfach, weil er sehr genau und ausführlich ist und manchmal auch lange Sätze schreibt. Die Menschen reden bei ihm nicht so, wie man das tagtäglich hört oder wie man selbst drauflosredet. Es ist eine Kunstsprache, oder, weil Kunst von Können kommen kann, eine sehr „hohe“Sprache. Peter schreibt in ei- ner Tradition der deutschen Sprache, wie das weit und breit außer ihm niemand mehr tut. In seinem „Sommerdialog“habe ich aber etwas herausgehört, was ich noch nie zuvor bei ihm gehört hatte.
Seit „Pina“sind Sie ein Verfechter der 3-D-Technik, auch „Die schönen Tage von Aranjuez“haben Sie auf diese Weise gedreht. Warum ist die Technik im Autorenkino noch nicht verbreitet? „Noch nicht“sollte man kaum mehr sagen, denn es ist eigentlich schon vorbei. Die Chance, dass 3-D auch in andere Filmbereiche hineingelangt, ist vertan. Die Technik ist dermaßen ausgebeutet und ausgepowert worden durch all die Mistfilme, die damit produziert wurden, dass ArthouseKinos und Verleiher es inzwischen strikt ablehnen, etwas Anderes in 3-D zu zeigen als Animation oder Action.
Sie wurden durchs amerikanische Kino sozialisiert und haben jahrelang in den USA gelebt. Mit welchen Gefühlen betrachten Sie, was dort gerade rund um Donald Trump vor sich geht? Es ist der nackte Horror. Wenn ich nicht lange genug da gelebt hätte, insgesamt 15 Jahre, und ich nicht wüsste, dass es dort ein grundsolides demokratisches Gerüst gibt, dann hätte ich größte Sorgen. Ich habe sie auch so, aber ich denke, dass die Amerikaner den Mann überleben werden. Ich weiß nur nicht, wie groß der angerichtete Schaden sein wird. Und ich sehe auch nicht, wie das Land die nächsten Jahre ohne Bürgerkrieg oder bürgerkriegsähnliche Zustände überstehen soll, wie es diese krass rassistische Haltung, diese Verachtung sowohl von Armut als auch von allen „anderen“, von Mexikanern, Ausländern überhaupt, Muslimen im Besonderen unterm Deckel halten will. In den USA schwelen immer schon Rassenkonflikte, und ich denke, dass es da krachen und richtig Ärger geben wird, wenn die Armen merken, dass sie alle noch ärmer werden und bald auch noch ihre Versicherung los sind. Und … Action? Aber nicht doch! Der szenische Dialog „Die schönen Tage von Aranjuez“verwehrt sich jeglicher Handlung. 30 Jahre nach „Der Himmel über Berlin“, das um das Handke-Gedicht „Lied vom Kindsein“kreist, bringt
(Foto: dpa) einen weiteren Text des mit ihm befreundeten Schriftstellers auf die Leinwand. Das neue Werk des 71-jährigen deutschen Filmemachers gleicht einem cineastischen Stillleben, das die einen als erholsames Gegengewicht zum Chaos der Moderne empfinden mögen, die anderen als weitgehend blutleer. (dpa)