Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weingarten hat sein Bier zurück
OB Markus Ewald hat am Samstag das erste Fass „Konvent“im „Ochsen“angestochen
WEINGARTEN - Der Andrang war gewaltig am Samstag im Ochsen. Kurz vor elf wurden die Sitzplätze knapp. Es war interessant zu beobachten, wie viele Bürger die Nachricht von einem eigenen Bier in der Stadt zu mobilisieren vermochte. Die Chefriege aus dem Rathaus war beinahe vollzählig versammelt, dazu gesellte sich Prominenz aus dem Gemeinderat, aus der Fasnet, aus der Gastronomie. Sogar eine Lumpenkapelle war dabei, um dem Fassanstich den entsprechenden Tusch zu widmen.
Oberbürgermeister Markus Ewald sollte den Hammer schwingen, um das Geheimnis um das erste Weingartener Bier seit 33 Jahren zu lüften. 1984 musste bekanntlich die Brauerei Koepff für immer den Betrieb einstellen. Seit Samstag gibt es nun mit der „Altdorfer Klosterbrauerei“– gegründet von den beiden UrWeingartenern Andreas Kunzemann und Martin Hipp – wieder eine Weingartener Variante des populären Volksgetränks. Lange hatten Kunzemann und Hipp ihren Plan geheim gehalten. „Es musste erst alles fertig sein“, erklärten beide. 2015 war die Idee entstanden, in einer kleinen Hausbrauerei im Keller von Andreas Kunzemann wurde an der richtigen Sorte gefeilt. Als diese gefunden war, brauten die beiden Weingartener mithilfe von Brau-Profi Florian Angele – Chef der Aulendorfer Schlossbrauerei und damit selbst erfolgreicher Selfmade-Kleinbrauer – ihr Bier ein. Erst vor wenigen Tagen waren erste Details ans Licht gekommen.
Eine Stadt liebt ihr Bier Nun ist es also da, das „Konvent“. Und die ersten Gratulanten gleich mit: Oberbürgermeister Ewald hielt eine kleine Laudatio auf den Gründergeist und den Mut von Andreas Kunzemann und Martin Hipp. „Man spürt in Weingarten, wie sehr die Stadt an ihrer Brauerei hing“, sagte Ewald. „Manche Weingartener haben noch Koepff-Krüge und andere Erinnerungsstücke zuhause. Die werden behandelt wie Devotionalien.“Da musste Egon Girmes, Fraktionschef der „Bürger für Weingarten“im Gemeinderat, schmunzeln: „Ich habe noch 15 verschiedene KoepffKrüge zu Hause“, versicherte er. Kunzemann und Hipp hatten auch Krüge besorgt, bedruckt mit dem neuen Emblem der Altdorfer Klosterbrauerei. Als OB Ewald zur Tat schritt und den Zapfhahn unter dem Applaus der mehr als hundert Gäste ins Fass jagte, wurden diese neuen Krüge wie am Fließband gefüllt und weitergereicht.
Schon kurz später unterhielt sich der Großteil der zwar hobbymäßigen, aber augenscheinlich erfahrenen Bierkenner über Geschmack und Aussehen des Gebräus. Fazit: Das Bier scheint den Geschmack der meisten Weingartener zu treffen. „Es ist auf jeden Fall abseits der Stange“, sagte zum Beispiel Rathaus-Fachbereichsleiter Rainer Beck nach seinem ersten Schluck. Und auch die Umsitzenden pflichteten ihm bei: eigenständig, wiedererkennbar, zum Glück kein Einheitsgebräu. „Ein Bier mit Charakter“, meinte Horst Wiest, Stadtrat der Freien Wähler und im Vorstand der Welfenfestkommission. Ob beim Welfenfest „Konvent“ausgeschenkt wird? Schließlich hat sich die Kommission für 2017 noch auf keine Brauerei festgelegt. „So viel haben die beiden wahrscheinlich nicht gebraut“, sagte Horst Wiest lachend. Für die Zukunft wollte er aber nichts ausschließen.
In Zukunft soll „Konvent“und eventuelle weitere Sorten nicht mehr in Aulendorf, sondern in Weingarten gebraut werden. „Dafür bräuchten wir dann eine Immobilie“, erklärte Martin Hipp und sicherte sich damit schon ein paar vielsagende Blicke aus dem Publikum. Das Signal: Daran soll es nicht scheitern.
Doch zunächst sind die Weingartener gefragt. Je nachdem wie sich das Bier verkauft, entscheiden die beiden Brauer über die Zukunft ihres Bieres und der Brauerei.
1000 Liter des dunklen, unfiltrierten, etwas stärker gehopften Märzenbiers mit 5,1 Volumenprozent Alkohol lagern nun hinter dem Zapfhahn im „Ochsen“. Für die Fasnet, so hoffen die Brauer, sollte der Vorrat reichen. Den Fassanstich von OB Markus Ewald sehen Sie im Video unter
www.schwaebische.de/ konvent-anstich