Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schon ’ne Nummer
Lindsey Vonn fährt auf der Kandahar das zweite Rennen nach einem Jahr Pause – und gewinnt
GARMISCH-PARTENKIRCHEN (dpa/ SID) - Als Viktoria Rebensburg nach einem guten dritten Platz in der Abfahrt von Garmisch-Partenkirchen bereits erleichtert Interviews gab, wurde Lindsey Vonn von ihren Gefühlen übermannt. Die überraschende Comeback-Siegerin aus den USA ließ sich im Zielbereich der Kandahar-Strecke in den Schnee sinken, brach in Tränen aus und weinte auch Minuten später in den Armen einer Betreuerin weiter. „Das ist unglaublich, ich habe keine Worte dafür“, sagte der US-Star nach dem 77. Sieg der Karriere – und das im zweiten Rennen nach einer fast einjährigen Verletzungspause. „Das ist sehr emotional.“
Bei optimalen Bedingungen und vielen Minusgraden war Vonn auf der Piste eiskalt geblieben, zeigte eine mutige Fahrt und brachte einen Vorsprung von 0,15 Sekunden auf die Schweizerin Lara Gut und 0,48 Sekunden auf Rebensburg ins Ziel. Dort ließ es sich die 32-Jährige nicht nehmen, mit einer Guggenmusik-Kapelle zu feiern, ausgelassen zu tanzen und breit grinsend Selfies mit Fans zu machen. „Ich habe mich selbst und die Konkurrentinnen überrascht. Ich weiß selber nicht, wie ich das geschafft habe“, sagte Vonn, die sich im Februar 2016 eine Knieverletzung zugezogen und in der Vorbereitung auf die laufende Saison den Oberarm gebrochen und daraufhin lange kaum Gefühl im Arm hatte. Dass Vonn in der ewigen Sieger-Bestenliste den Rückstand auf Rekordhalter Ingemar Stenmark (86 Erfolge) schon jetzt auf neun Erfolge verringern konnte, beeindruckte auch Rebensburg.
„Das hätte ich so nicht gedacht, Hut ab!“, sagte die derzeit beste deutsche Rennfahrerin über die SpeedDominatorin. „Das ist schon beeindruckend, weil sie vom Gefühl her noch nicht am Limit fährt.“Rebensburg selbst war ein fast fehlerfreies Rennen gelungen. „Ich habe versucht, ruhig zu bleiben und nicht an die Platzierung zu denken“, sagte Rebensburg, die auch 2016 in Garmisch Dritte der Abfahrt geworden war. „Das war damals ein richtig cooles Wochenende“, sagte sie. „Und ich habe mir gedacht, es wäre schön, wenn ich das wiederholen könnte.“Nach ihrer Knieverletzung vor Saisonstart gab der zweite Podestrang des Winters – den ersten hatte die Kreutherin in ihrer Spezialdisziplin Riesenslalom eingefahren – Mut für die WM im Februar. Material und Abstimmung seien im Speed-Bereich „auf alle Fälle super“, sagte Rebensburg, die ihr 33. Weltcup-Podest bejubelte.
„Das tut sicher allen sehr gut“, bemerkte der deutsche Alpin-Chef Wolfgang Maier zur starken Fahrt seiner besten Athletin. „Wir waren bei der Vicky ein bisschen im Rückstand durch die Knieverletzung im Herbst, aber jetzt passt es in Bezug auf die WM, dass sie wieder langsam in Höchstform kommt.“Auch zu Lindsey Vonn hatte Maier eine Meinung. Eine pointierte, die unwidersprochen blieb an diesem 21. Januar 2017: „Das ist schon ’ne Nummer, die Frau, die bringt’s einfach.“
Die Frau störte auch der verpatzte Super-G am Sonntag mit Rang neun nicht. Lindsey Vonn nahm’s gefasst. Anders als Viktoria Rebensburg, die Rang zwei leichtfertig verschenkt hatte und restlos bedient war. Nur 0,22 Sekunden lag sie bei der letzten Zwischenzeit hinter der späteren Siegerin Gut, als sie an einem Tor vorbeifuhr.