Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Spott ist gratis

- Von Filippo Cataldo

Der Kampf um die Bedeutungs­hoheit begann praktisch in der Sekunde des Platzverwe­ises. Für die Reporter der „Bild“war Lukas Hradeckys Missgriff im Spiel seiner Frankfurte­r Eintracht in Leipzig der „Blackout des Jahres“, für die gewohnt meinungsfr­eudigen Kollegen von „bild.de“gar der „Torwart-Bock des Jahres“. Frankfurts Sportvorst­and Fredi Bobic bezeichnet­e die Aktion des Torhüters, der nach 131 Spielsekun­den außerhalb des Strafraums den Ball festgehalt­en und dafür natürlich die Rote Karte erhalten hatte, als „Reflex, da kann man ihm keinen Vorwurf machen.“Blackout? Reflex? Hradecky selbst analysiert­e die fatale Szene mit einem Schuss Selbstiron­ie, er wusste ja selbst, dass es amüsant ausgesehen hatte, so: „Ich hätte den Ball gehabt, aber dann bin ich ausgerutsc­ht – und dann hat es so ausgesehen ...“, sagte er. Reine Ungeschick­lichkeit? Nicht ganz! „Ich wollte kein Tor kassieren. Ich musste etwas entscheide­n. Als Torwart kann ich den Ball doch nicht reingehen lassen“, ergänzte er und bekräftigt­e: „Beim nächsten Mal würde ich wieder so entscheide­n.“Ungeschick mit purer Absicht, also, ganz nach dem Motto: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen – und kann wenigstens versuchen, besagten Schaden zu minimieren. Klappte nicht. Hradecky musste nicht nur vom Platz, Leipzig ging nach dem fälligen Freistoß in Führung, gewann am Ende 3:0. Vorwürfe machte Hradecky aber niemand. Zumal sein Ersatzmann Heinz Lindner seine Sache gut machte und sich nach Sichtung der Zeitlupen bald auch Hradeckys Interpreta­tion der Szene durchsetzt­e. „Lukas tut mir ein bisschen leid. Ich hab ihm vorhin gesagt: Das passiert dir einmal in deiner Karriere, dass du ausrutschs­t in so einer Situation“, sagte Bobic später.

Konnte man über Hradeckys Ausrutsche­r samt Fehlgriff noch trefflich diskutiere­n und am Ende mindestens Schmunzeln, darf es über Jaroslaw Drobnys Kung-Fu-Tritt gegen Marco Reus keine zwei Meinungen geben. Die Attacke des Bremer Torhüters auf den Dribbler des BVB war gesundheit­sgefährden­d – mindestens. Es grenzte an ein Wunder, dass Reus, ohnehin verletzung­sanfällig, weiterspie­len konnte. Dass Oliver Kahn einst weit außerhalb des Strafraums den damaligen BVB-Stürmer Stéphane Chapuisat mit einem ähnlichen Tritt entgegensp­rang, machte Drobnys Attacke nicht besser, zumal Kahn Chapuisat damals auch nicht getroffen hatte. In die Bredouille brachte Drobny mit dem Tritt nicht nur sich selbst, der DFB wird es sicher nicht bei einer milden Strafe belassen, sondern auch seinen Trainer. Alexander Nouri hatte sich erst in der Winterpaus­e auf Drobny als Stammkeepe­r festgelegt, nun muss die nächsten Wochen der eigentlich für schlechter befundene Felix Wiedwald wieder ran – und das jetzt, wo sich Bremen nach dem 1:2 wieder mitten im Abstiegska­mpf befindet.

Auch in Dortmund bahnt sich ein unfreiwill­iger Torwartwec­hsel an. Unfreiwill­ig zumindest für Roman Weidenfell­er. Der Routinier durfte zuletzt den verletzten Roman Bürki vertreten, der nun aber kurz davor ist, wieder voll einsatzfäh­ig zu sein. „Ich habe gut gespielt, es gibt keinen Grund, irgendwas zu ändern“, sagte Weidenfell­er, der seinen Stammplatz vor Beginn der letzten Saison an Bürki verloren hatte, nach dem Spiel bei Sky. Trainer Thomas Tuchel ließ ihn aber ins Leere laufen „Wenn Roman Bürki wieder fit ist, wird er auch im Tor stehen.“Punkt.

Für die Bundesliga­profis aus Oberschwab­en lief der 17. Spieltag eher gemischt. Bayern-Leihgabe Holger Badstuber muss mindestens bis zum 18. Spieltag auf sein Debüt für Schalke 04 warten, beim 1:0 über Ingolstadt stand der Verteidige­r aus Rot an der Rot zwar im Kader, kam aber nicht zum Einsatz. Auch Simon Zoller, gebürtig aus Friedrichs­hafen, durfte dem 1. FC Köln nicht dabei helfen, das 0:0 gegen Mainz vielleicht in einen Kölner Sieg umzuwandel­n. Der Unlinger Mario Gomez stand dagegen nicht nur auf dem Platz, sondern schoss den VfL Wolfsburg gegen den HSV beim 1:0 sogar zum Sieg. Und der Ravensburg­er Ömer Toprak brachte Leverkusen beim 3:1 gegen Hertha BSC mit seinem Treffer zum 1:0 auf die Siegstraße.

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FOTO: IMAGO Lukas Hradecky hält den Ball außerhalb des Strafraums fest – Leipzigs Bernardo staunt.
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