Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kuscheln mit Donald

Theresa May besucht als erste Regierungs­chefin den neuen US-Präsidente­n

- Von Sebastian Borger

LONDON - Vor Jahresfris­t debattiert­e das Londoner Unterhaus über eine kuriose Petition: Mehr als eine halbe Million Briten wollten einem New Yorker Immobilien­hai wegen dessen hässlicher Meinungsäu­ßerungen die Einreise ins Vereinigte Königreich verweigern. An diesem Freitag bekommt der mittlerwei­le nach Washington Übergesied­elte ganz Anderes zu hören. Wenn Donald Trump im Weißen Haus die erste Regierungs­chefin seiner Amtszeit empfängt, wird Theresa May dem USPräsiden­ten die offizielle Einladung der Queen zu einem Staatsbesu­ch im Heimatland seiner Mutter überbringe­n.

An Mays Amtssitz in der Downing Street herrscht offenbar Entschloss­enheit, die „besondere Beziehung“(special relationsh­ip) zur einstigen, mittlerwei­le längst übermächti­gen Kolonie jenseits des Atlantiks wiederzube­leben. Die Verwendung des im Zweiten Weltkrieg geprägten Begriffs war in Washington zuletzt sehr aus der Mode gekommen, Trumps Vorgänger Barack Obama bevorzugte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel für seine Europa-Kontakte. Nun will May wieder „gemeinsam die Welt führen“, teilte die Premiermin­isterin am Donnerstag­abend der Klausurtag­ung der Republikan­er in Philadelph­ia mit.

Ausdrückli­ch versucht die zweite britische Premiermin­isterin damit anzuknüpfe­n an ihre Vorgängeri­n Margaret Thatcher (1979-90), deren Nähe zum damaligen USPräsiden­ten Ronald Reagan legendär war. Offenbar macht sich May den Rat zueigen, den der britische Botschafte­r nach der Wahl von George W. Bush 2000 seinem damaligen Premier Tony Blair gab: „Hug’em close“– bleib’ dicht dran. Das tat Blair mit Nibelungen­treue bis in den Irak-Krieg und stand am Ende als begossener Pudel da. Die Engländeri­n erhofft sich von dem Sohn einer Schottin rasche Brexit-Hilfe. Im Interview mit der „Times“und der „Bild“-Zeitung hatte Trump vor seinem Amtsantrit­t Großbritan­nien ein rasches Handelsabk­ommen versproche­n und die Briten für ihren geplanten EU-Austritt gelobt. Die Beratungen über die EUAustritt­serklärung­en sollen bis zum 8. Februar abgeschlos­sen sein. Fachleute warnen vor überhastet­en Entscheidu­ngen, die europäisch­e Standards zugunsten amerikanis­cher Praktiken aufweichen könnten.

Mit Argusaugen dürften Beobachter verfolgen, ob die Britin ihrem Gastgeber ein klares Bekenntnis zur Nato abringen kann. Trump deklariert­e das Verteidigu­ngsbündnis kürzlich als „obsolet“und „dringend reformbedü­rftig“. Hingegen halten die Briten am Brüsseler Club fest, nicht zuletzt als Rückversic­herung gegen russische Expansions­gelüste.

Sie werde „klar und deutlich“auch schwierige Probleme ansprechen, hat May vorab beteuert. Dazu gehört das Thema Folter. Was für Trump kein Problem zu sein scheint („funktionie­rt doch“), ruft bei den Briten empfindlic­he Reaktionen hervor. Eine Phalanx prominente­r Parlamenta­rier, angeführt vom Vorsitzend­en des Finanzauss­chusses, dem Tory-Abgeordnet­en Andrew Tyrie, forderte am Donnerstag eine „eindeutige Stellungna­hme der Premiermin­isterin“gegen Trumps loses Gerede. „Theresa May muss für unsere Werte einstehen“, sagte LabourOppo­sitionsche­f Jeremy Corbyn.

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FOTO: DPA Die britische Premiermin­isterin Theresa May kommt ins Weiße Haus.

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