Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Luther war kein Frauenversteher
Bruno Preisendörfer führt die Zuhörer bei der Ravensbuch-Lesung in die Lutherzeit
RAVENSBURG – Nach einer trotz ICE beschwerlichen Anreise ins „schöne, turmreiche Ravensburg“hat der bekannte Sachbuchautor Bruno Preisendörfer die Zuhörer in der voll besetzten Buchhandlung Ravensbuch auf eine Zeitreise in die Lutherzeit mitgenommen.
Der Titel seines vom NDR zum „Sachbuch des Jahres“erkorenen Werks lautet „Als unser Deutsch erfunden wurde – Reise in die Lutherzeit“, doch auf die Frage, wie denn eigentlich unser Deutsch entstanden sei, antwortete der studierte Germanist mit der überragenden Bedeutung von Luthers Landesherrn, Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, statt in wenigen Worten das Werden der deutschen Schriftsprache zu skizzieren.
Wie der Buchhändler Michael Riethmüller in seiner Begrüßung sagte, sei schon das früher erschienene Werk „Reise in die Goethezeit“ein „Spiegel“-Bestseller geworden. Es versteht sich, dass im Jahr des Reformationsjubiläums das Interesse an Luther und seiner Zeit sehr gewachsen ist und ein Buch dazu sich entsprechend vermarkten lässt. Auf die Frage, wie sehr die Gestalt Luthers bisher erforscht war, sagte der Autor, dass er Luther für rundum erforscht halte, dass er auch bei seinen Recherchen auf nichts Neues gestoßen sei – er legt sein Augenmerk auf die Alltagsgeschichte.
Der Autor verwahrte sich dagegen, Luther entschuldigend aus seiner Zeit heraus zu verstehen, wenn es beispielsweise um dessen starken Antisemitismus gehe. Dafür nannte Preisendörfer keine Beispiele, wohl aber für Luthers Verhältnis zur Stellung der Frau. Publikumswirksam stellte er hierzu Zitate an den Anfang. Auch wenn man weiß, dass die Ehe damals der sozialen Fesselung des sexuellen Triebes diente, dass der Sex hier gezähmt werden sollte, läuft es einem noch kalt über den Rücken. Kommt es bei der Geburt zu Komplikationen, stellt Luther das Leben des Kindes über das der Mutter.
„Zur Erholung von Luther“nahm Preisendörfer die Zuhörer mit zum Maler Albrecht Dürer, der über Schmerzen an der Milz klagte – die Milz galt als Ursprung der Melancholie. Dann ließ er zu Gast sein an Luthers Tisch, wo erst nach dem Essen geredet werden durfte. Es seien Verlautbarungen gewesen, keine Diskussionen. Auch hier ging es wieder um die Stellung der Frau, die im Hause regierte, während sie von der Politik draußen „nichts verstand“. Dass sie dem Manne gehorsam sein müsse, gehe auf Eva und die Erbsünde zurück. Zuletzt gab es noch einen Ausblick auf das Jüngste Gericht, den Jüngsten Tag, den Luther bald erwartete.
Auf die abschließende Frage, in welcher Zeit er am liebsten leben möchte, nannte Preisendörfer die Gegenwart, denn gerade zur Lutherzeit habe brutale Gewalt den Alltag geprägt.