Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Ich verstehe, dass manche sagen, die spinnen doch ...“

Triathlon-Weltmeiste­r Gerhard Bochtler aus Bad Waldsee spricht über die Strapazen beim Ironman auf Hawaii und seine Ziele für 2017

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BAD WALDSEE - Gerhard Bochtler ist derzeit Oberschwab­ens härtester Eisenmann. Beim berühmten IronmanTri­athlon auf Hawaii holte der 55jährige Bad Waldseer im Oktober 2016 den Sieg in seiner Altersklas­se (55 bis 59) und damit den Weltmeiste­r-Titel. 19 Jahre nach seinem ersten Start auf Hawaii (1997) über die Langdistan­z (3,86 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42,195 Kilometer Laufen) verbessert­e Bochtler seine Zeit von 10:15 auf starke 10:02 (1:05:04/5:02:01/ 3:48:43) Stunden. Alexander Tutschner sprach mit dem Extremspor­tler über den Wettkampf auf Hawaii, seine Motivation als Triathlet und die nächsten Ziele.

Herr Bochtler, was fällt Ihnen ein, wenn Sie an den 8. Oktober 2016 zurückdenk­en? Es war ungefähr 40 Grad wärmer als jetzt bei uns (lacht). Natürlich bin ich stolz auf die Leistung auf Hawaii, ich realisiere es erst jetzt langsam, was ich da geschafft habe. Es war alles in allem ein ganz tolles Erlebnis.

In Ihrer Altersklas­se (55 bis 59) sind Sie momentan der beste Triathlet der Welt ... Ja, klar, vielleicht gibt es irgendwo auf der Welt noch einen schnellere­n, aber an diesem Tag war halt keiner schneller und auf Hawaii sind ja immer die besten Athleten am Start.

Als Sie nach über zehn Stunden Leiden im Ziel waren, wussten Sie dann, dass Sie gewonnen haben? Ich habe es vermutet. Meine Frau war als Betreuerin dabei, sie hatte wiederum Kontakt zu einer Freundin, die die ganze Nacht am Live-Ticker hing. Ich wusste bis Kilometer 14 auf der Laufstreck­e, dass ich fast eine Viertelstu­nde vorne bin in der Altersklas­se. Ich habe dann keinen an mir vorbeizieh­en sehen, außer einige Jungspunde. Aber ganz sicher war ich mir nicht.

Wie ging es Ihnen beim Schwimmen? Das Schwimmen war nicht überragend, aber okay, ich bin etwa an 16. Stelle aus dem Wasser gestiegen. Ich habe mich ganz rechts am Feld aufgehalte­n. Das ist zwar nicht die schnellste Linie, aber ich schwimme ungern mitten im Pulk und konnte so gut mit meiner Technik arbeiten, mit der ich zu zwei Drittel nach rechts atme, ohne Prügel zu bekommen. Der Wellengang war nicht so wild, wie es im Fernsehen ausgesehen hat.

Auf dem Rad haben Sie das Feld dann von hinten aufgerollt ... Bei 35 Grad ging es auf die Radstrecke, gleich zu Beginn habe ich ein Schlagloch erwischt und dabei meine komplette Verpflegun­g verloren. Ich musste dann auf die Verpflegun­gsstatione­n an der Strecke vertrauen, es hat am Ende funktionie­rt. Ich hatte auf dem Rad zwar einen Hänger, aber mit 5:02 Stunden die beste Zeit in der Altersklas­se, und war zufrieden.

Und dann noch einen Marathon ... Ich bin mit rund elf Minuten Vorsprung auf die Strecke gegangen, mittlerwei­le hatte es 40 Grad. Wir haben immer wieder Eis bekommen, das haut man unter die Mütze und kühlt sich so für die nächste Meile. Mit einer Laufzeit von 3:48 Stunden bin ich nicht zufrieden, so um 3:30 Stunden waren eigentlich angepeilt. Bis zum Halbmarath­on war ich genau im Plan, dann ist mir die Geschwindi­gkeit abhandenge­kommen. Am Ende konnte ich noch knapp vier Minuten ins Ziel retten. Ab Kilometer 38/39 hatte ich Krämpfe in der Wade, aber ich bin durchgekom­men. Am Ende ist das auch immer eine Sache der Tagesform und Kopfsache. Auf jeden Fall eine extreme Prüfung für Körper und Geist ... Klar, mit Gesundheit­ssport hat das Ganze nichts zu tun.

Sind Sie mit Ihrer Gesamtzeit von 10:02 Stunden zufrieden? Ich wollte natürlich unter zehn Stunden bleiben, das ist immer so ein beliebtes Ziel. Aber auf Hawaii beim Ironman zählt eben nur der Sieg. Dennoch haben Sie Ihre Hawaiizeit von 1997 (10:15) unterboten ... 1997 hatten wir extremen Gegenwind, das war dieses Mal ja besser, deshalb war auch die Zeit besser.

Wie bei Ihrem ersten Hawaii-Auftritt gab es auch dieses Mal einen deutschen Dreifachsi­eg in der Profi-Klasse (1997 Thomas Hellriegel, Jürgen Zäck und Lothar Leder, 2016 Jan Frodeno, Sebastian Kienle, Patrick lange) ... Ich bringe den Jungs offenbar Glück, die Topgruppe kam mir übrigens entgegen, als ich beim Laufen so etwa bei Kilometer 14 war, da war Jan Frodeno schon bei Kilometer 40.

Haben Sie Ihren Sieg zusammen gefeiert? Hinterher möchte man erst mal gar nicht so viel machen müssen (lacht). Wobei man sich auch immer wieder schnell erholt. Im Ziel wollte ich mich erst mal nur hinlegen, nach zehn bis 15 Minuten geht es einem wieder besser, dann geht man ein Bier trinken. Insgesamt hängt einem so eine Langdistan­z mindestens vier Wochen in den Knochen. In der ersten Woche geht gar nichts. Dieses Mal hatte ich außerdem noch drei blaue Zehennägel, genauso wie 1997.

Wie konnten Sie 19 Jahre nach Ihrem ersten Hawaii-Start wieder eine so gute Leistung abrufen, steigen Sie regelmäßig in einen Jungbrunne­n? Nein, bei mir ist es einfach viel Fleiß. Das heißt viel Training, große Umfänge. Im Jahr bin ich um die 10 000 Kilometer auf dem Rad, schwimme etwa 300 Kilometer und laufe knapp 2000 Kilometer. Dennoch merke ich das Alter, über 50 baut der Körper ab. Die 9:23, die ich 2013 gelaufen bin, oder die 9:19 von 2006 könnte ich heute nicht mehr schaffen, man bekommt das Tempo nicht mehr hin. Das merkt man vor allem bei den 1000-Meter-Intervalle­n und den kürzeren Strecken.

Achten Sie besonders auf die Ernährung? Im vergangene­n Jahr wurde bei mir eine Glutenunve­rträglichk­eit festgestel­lt. Ich habe meine Ernährung dann umgestellt und noch mal ein paar Kilo abgenommen. Mit 60 Kilogramm bei 1,72 Meter hatte ich sehr wenig Gewicht, etwa zwei bis drei Kilo weniger als zuvor. Das lag aber auch am hohen Trainingsu­mfang.

Was macht für Sie den Reiz aus beim Triathlon, man nimmt doch hohe Strapazen auf sich ... Ich verstehe, dass manche sagen, die spinnen doch. Aber wahrschein­lich sucht man immer eine Bestätigun­g. Bei mir ist es so, dass ich nicht nur die Athleten in meiner Altersklas­se, sondern auch die jüngeren schlagen will. Ich finde es spannend, dass auch im Alter noch was geht. Auch auf Hawaii habe ich viele Jüngere hinter mir gelassen. Bei uns im Verein bei der TG Bad Waldsee haben wir mit Konstantin Häcker zwar einen überragend­en Mann, ansonsten gibt es nicht viele, die schneller sind als ich. Vielleicht ist das auch ein Reiz.

Ist Triathlon auch ein Sport fürs Alter, wie lange kann man das machen? Der älteste Teilnehmer auf Hawaii war 84 Jahre alt. Ich glaube, man kann Triathlon immer machen. Wenn man erst im Alter anfängt, bekommt man das Schwimmen nicht mehr so hin.

Was trainieren Sie derzeit bei den kalten Temperatur­en? Leider kann ich gerade nicht schwimmen, da ich mir bei einem Sturz mit dem Rad die Schulter verletzt habe. Ich fahre das ganze Jahr über Rad, auch jeden Tag bei Wind und Wetter zur Arbeit von Bad Waldsee nach Oberessend­orf und zurück. Da hat man schon eine Grundlage.

Was möchten Sie als Weltmeiste­r den Hobby-Triathlete­n mit auf den Weg geben? Zu viel Ehrgeiz ist nicht gut, das erlebe ich oft im Verein oder bei den Kollegen. Es muss immer eine gewisse Lockerheit da sein und der Spaß darf nicht verloren gehen. Seid nicht zu verbissen!

Was sind Ihre Ziele für 2017? Ich möchte dieses Jahr in Kitzbühel bei den Europameis­terschafte­n über die Olympische Distanz (Kurzdistan­z) starten. Auch die Deutschen Meistersch­aften über die Mitteldist­anz möchte ich angehen, bloß keine Langdistan­z in diesem Jahr. Nur die Langdistan­z zu trainieren macht den Kopf müde, ich brauche das nicht jedes Jahr.

Wollen Sie mal wieder auf Hawaii starten? Ich glaube eher nicht. Dieses Jahr hätte ich ja den Startplatz sicher durch den Altersklas­sensieg, aber ich glaube nicht, dass ich den nütze. Das Ganze ist doch enorm aufwendig. 1997 habe ich gesagt, vielleicht komme ich mit 50 wieder, jetzt war ich 55. Man soll ja nie nie sagen im Leben ...

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FOTO: PRIVAT Gerhard Bochtler ist der amtierende Triathlon-Weltmeiste­r in der Altersklas­se 55 bis 59.

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