Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schwach wie nie, wichtiger denn je

- Von Sabine Lennartz

Was für ein Aufschlag! Das war kein Statement, es war ein selten starkes Bekenntnis zu Europa, das Merkel (CDU) und Hollande, die Konservati­ve und der Sozialist, gemeinsam in Berlin ablegten. Sie haben das betont, was Europa ausmacht: Freiheit, Freihandel, Sicherheit, aber auch Werte wie Solidaritä­t, Verantwort­ung und das Einhalten von Verträgen. Und sie haben den Willen bekräftigt, diese Regeln nicht wegen Trump oder anderer Populisten zu ändern, sich ihre Art zu leben, nicht nehmen zu lassen.

Es war eine wichtige Standortbe­stimmung an einem Tag, an dem sich in Washington der neue US-Präsident mit der britischen Regierungs­chefin Theresa May trifft. Der eine will Mauern bauen, den Freihandel aufgeben und Deals machen, die andere mit ihrem Land die EU verlassen und neue Partner suchen. Vor diesem Hintergrun­d ist die Gefahr, dass die EU weiter auseinande­rfällt, genauso groß wie die Verantwort­ung der deutsch-französisc­hen Achse, traditione­ll Motor der EU, das zu verhindern.

Mögen Kritiker auch einwenden, dass der eine, Hollande, bald aus dem Amt geht und die andere, Merkel, mit ihrer Flüchtling­spolitik selbst dazu beigetrage­n hat, dass Europa noch mehr bröckelt. Die beiden haben in Berlin gezeigt, dass das deutschfra­nzösische Herz noch schlägt. Selten gab es diesseits und jenseits des Rheins eine so große Einigkeit wie jetzt, wie mit den Trumps, Putins und Mays dieser Welt umzugehen ist: Man müsse mit Trump sprechen, aber zu den europäisch­en Überzeugun­gen stehen, ist das gemeinsame Credo von Merkel und Hollande.

Sie wollen ein Europa verteidige­n, das über freie Märkte Wohlstand erreicht hat, das den Wohlstand aber immer auch mit Solidaritä­t verknüpft hat. Immer? Nicht ganz. Europa, Sehnsuchts­ort für Flüchtling­e aus aller Welt, ist gerade durch die Flüchtling­skrise und den Brexit schwächer denn je. In den nächsten Monaten haben – von Malta bis Rom – die Europäer Gelegenhei­t, das wieder zu ändern und ihr Gegenmodel­l zu Trumps und Putins Politik zu verteidige­n. Es wird sich lohnen.

s.lennartz@schwaebisc­he.de

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany