Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Sex-Aufnahmen und Gewaltrituale bei Elite-Soldaten
Skandal in Pfullendorfer Kaserne – Staatsanwaltschaft ermittelt – Ministerin greift durch
ULM - In der Pfullendorfer StauferKaserne, dem Ausbildungszentrum „Spezielle Operationen“der Bundeswehr, soll es Demütigungen, sexuellsadistische Praktiken, Gewalt und brutale Aufnahmerituale gegeben haben. Die Bundeswehr bestätigte am Freitag entsprechende Berichte des Internet-Portals Spiegel Online. Sieben Soldaten sollen fristlos entlassen werden, sieben weitere BundeswehrAngehörige seien versetzt worden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Auch der Kommandeur der Einrichtung, Oberst Thomas Heinrich Schmidt (57) wird versetzt. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat sich persönlich eingeschaltet und personelle wie organisatorische Maßnahmen angeordnet. Die Staatsanwaltschaft Hechingen prüft die Vorfälle. Im vergangenen halben Jahr seien verschiedene Vergehen bekannt geworden.
Die Vorwürfe betreffen zwei Bereiche im Pfullendorfer Ausbildungszentrum, in dem 900 Soldaten aus neun Nationen stationiert sind: die sanitätsdienstliche „Combat First Responder“-Ausbildung für EliteSoldaten und die Wachmannschaft der Kaserne.
Hinzu kommt: „Diese Vorgänge wiegen insofern umso schwerer, als bereits früher Hinweise auf Missstände und frauenfeindliches Klima in einer anderen Teileinheit des Ausbildungszentrums ,Spezielle Operationen’ in Pfullendorf in Rede standen“, sagt ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums.
In der Ausbildung zum „Combat First Responder“sollen die Soldaten, meist Einzelkämpfer und Angehörige von Elite-Einheiten wie dem Kommando Spezialkräfte (KSK), tiefgreifende Fähigkeiten und Fertigkeiten für die medizinische Versorgung von Verwundeten erhalten. Die Absolventen trainieren die Rettung Verletzter hinter den feindlichen Linien. Teilweise dauern die Ausbildungen bis zu fünfeinhalb Monaten, sind mit Praktika bei zivilen Rettungsdiensten gekoppelt und enden mit der Qualifikation zum Rettungsassistenten.
Teile dieser Ausbildung waren „hinsichtlich des Gebotes zur Achtung der Würde des Menschen, der sexuellen Selbstbestimmung und des Schamgefühls unangemessen“, bestätigt das Verteidigungsministerium. Laut Spiegel Online mussten sich Soldaten bei der Ausbildung vor Das Ausbildungszentrum Spezielle Operationen versteht sich als Einrichtung zur Eliteausbildung. Beispielsweise die Soldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) werden hier für ihre Einsätze fit gemacht. Darüber hinaus bietet es auch Aus- und Weiterbildungen für internationale Spezialkräfte aus neun Nationen: einzigartig in Europa. Die Lehrgänge umfassen Einsatztaktiken und Verfahren, Schießen, Überlebenstechniken, Sanitätsausbildung sowie die Planung und Führung von Einsätzen der Spezialkräfte und der spezialisierten Kräfte. (mö) ihren Kameraden nackt ausziehen, Vorgesetzte hätten dies gefilmt. Ein Bundeswehr-Sprecher sagte, diese Vorwürfe hätten sich bestätigt. Auch habe es Hinweise auf Mobbing gegeben. Die Rede ist auch von medizinisch unsinnigen, sexuell motivierten Übungen.
Die aktuellen Ermittlungen hatten im Herbst 2016 begonnen, nachdem sich ein weiblicher Leutnant an den Wehrbeauftragten des Bundestages, Hans-Peter Bartels (55, SPD) und die Ministerin gewandt hatte. „Die Vorgänge in Pfullendorf sind abstoßend und sie sind widerwärtig“, sagte die Ministerin am Freitagabend bei einem Besuch einer Klausurtagung der CDU im osthessischen Künzell. Die Vorgänge seien auch beschämend für alle Soldaten, die respektvoll mit ihren Kameraden umgingen und die das Ansehen der Truppe hochhielten.
Die Bundeswehr hat erste personelle Konsequenzen getroffen: Sieben „Combat First Responder“-Ausbilder – unter ihnen auch wenigstens ein Stabsoffizier vom Rang eines Majors oder höher – sind innerhalb der Kaserne oder an andere Standorte versetzt worden. Außerdem soll es bei sogenannten Aufnahmeritualen zu Misshandlungen von Soldaten gekommen sein, beteiligt waren Mannschaftsdienstgrade aus der Wachmannschaft der Kaserne. „Vorgesetzte waren nach derzeitigem Stand der Ermittlungen an den Geschehnissen nicht beteiligt“, sagte der Sprecher.
Sieben Soldaten sollen fristlos entlassen werden, sie wurden vom Dienst suspendiert und dürfen keine Uniform mehr tragen. Der Staatsanwaltschaft Hechingen liegen Anzeigen wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung, der gefährlichen Körperverletzung sowie der Gewaltdarstellung und Nötigung vor. Formelle Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gebe es derzeit aber noch nicht. „Das wird noch geprüft“, sagte der Sprecher der Anklagebehörde am Freitag.
Die Bundeswehrführung will hart durchgreifen und strebt einen „Neubeginn“in Pfullendorf an: „Die Häufung der bisher bekannt gewordenen Ereignisse zeigt gravierende Defizite in der Führung“, heißt es aus dem Ministerium.