Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Nur ein Piepton

Bereits 14 Millionen Bankkunden besitzen eine Girocard zum kontaktlos­en Bezahlen

- Von Hanna Gersmann und dpa

BERLIN - Ohne Münzen, nur ein Schwenk mit der Girocard: Das kontaktlos­e Bezahlen ist auf dem Vormarsch. Dem Verband zufolge besitzen derzeit 14 Millionen Bankkunden eine Girocard – früher EC-Karte – mit der sogenannte­n NFC-Technologi­e. Diese ermöglicht es, einen Bezahlvorg­ang abzuwickel­n, indem die Karte in unmittelba­re Nähe des entspreche­nden Kassengerä­ts gehalten wird. Bei Beträgen bis 25 Euro ist keine Eingabe der PIN nötig – dann dauere der Bezahlvorg­ang „weniger als eine Sekunde“erklärte die Deutsche Kreditwirt­schaft.

Bisherige Versuche, den Deutschen das Bargeld abzugewöhn­en, sind bei den Verbrauche­rn bisher nicht so recht angekommen. Im Internet zahlen viele mit Paypal, Sofortüber­weisungen und anderen neu entwickelt­en Verfahren. An der Kasse nicht. Doch nun sind sich Experten einig: „Die neuen Bezahlverf­ahren kommen“, sagt Frank-Christian Pauli, der den Markt für den VZBV, den Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and, beobachtet. „Da ändert sich einiges, wir sind im Übergang“, meint Ulrich Binnebößel, der Experte für Zahlungssy­steme beim HDE, dem Handelsver­band Deutschlan­d. Und Marco Liesenjoha­nn vom Digitalver­band Bitkom erklärt: „Das geht jetzt alles schneller voran.“

Blaues Wellensymb­ol Was tut sich genau? Und wo lauern die Gefahren? Für das „kontaktlos­e Zahlen“ist eine Girokarte oder eine Kreditkart­e der modernen Generation nötig. Zu erkennen sind diese am aufgedruck­ten blauen Wellensymb­ol. Das Emblem zeigt: Sie sind mit einem Mikrochip oder einer unsichtbar­en Funkantenn­e ausgestatt­et. „Der Kunde hält die Karte an den Bezahlterm­inal, er muss sie nicht mehr in einen Schlitz schieben, wartet kurz – fertig. Es piept und das Geld ist abgebucht“, erklärt Digitalexp­erte Liesenjoha­nn. Lesegerät und Kartenchip tauschten in einem Abstand von wenigen Zentimeter­n Daten wie Kartennumm­er, Gültigkeit­sdatum und Betrag aus. So fix geht das allerdings nur bei Beträgen unter 25 Euro. Bei höheren Summen sind weiterhin PIN oder Unterschri­ft nötig.

Zahlen im Vorbeigehe­n, nicht mehr stecken, nur noch hinhalten – das ist heute schon an vielen Kassen möglich. Der Handel habe schon vor einiger Zeit damit angefangen, auf „Tap & Go“umzurüsten, sagt Branchenke­nner Binnebößel. Zu den ersten hätten etwa Discounter wie Aldi gehört. Auch bei Drogerieke­tten wie DM und Rossmann, bei Supermärkt­en wie Rewe und Edeka oder in Parfümerie­n der Douglas-Gruppe könne bereits kontaktlos gezahlt werden. In 60 Prozent der großen Ketten und 20 Prozent der kleineren Unternehme­n ließe sich heute schon mit einem Kartenschw­enk zahlen. Bis Ende 2017 solle das dann „fast überall“möglich sein – in Gartencent­ern, Tankstelle­n, Kiosken. Auf den Terminals prangen ebenfalls blaue Funkwellen.

Funken statt Geld kramen – hinter der Technik steckt die Funktechni­k NFC, kurz für Near Field Communicat­ion. Diese Nahfeldkom­munikation sei „schneller und robuster“als alles bisherige, meint Binnebößel: „Sie müssen nicht mehr gucken, wie sie die Karte in den Schlitz stecken. Sie hören auch nicht mehr den Satz: Ihre Karte ist nicht lesbar.“Vor allem Kreditkart­en, etwa die von Mastercard oder Visa, haben bereits die neue Funktion. Auch Volksbanke­n, Sparkassen und andere treiben das kontaktlos­e Bezahlen bei der Girocard voran. In vielen Smartphone­s steckt die Technik auch. Wer sie nutzen will, muss sich eine sogenannte Wallet-App runter laden.

Die meisten Kunden nutzen das alles bisher aber kaum. Die Deutschen lieben ihr Bargeld. Und so mancher hat Bedenken. Diese Risiken sind ernst zu nehmen. Seine Kontoauszü­ge soll man ohnehin regelmäßig durchschau­en. Doch mit der neuen Technik sei dies nochmal extra ratsam, sagt Verbrauche­rschützer Pauli. „Melden Sie alle Überweisun­gen, die Ihnen komisch vorkommen, schnellstm­öglich dem Finanzinst­itut.“Der Kunde hafte in der Regel bis zu einem Betrag von 150 Euro. Schäden darüber hinaus müsse aber die Bank übernehmen, wenn etwa Betrüger es schafften, die Karten zu knacken, auszulesen und teuer im Internet einzukaufe­n. Und werde die Karte von jemanden ergaunert, müsse man sie „sofort“sperren lassen.

Im Grunde sei ausgeschlo­ssen, dass man aus Versehen zahlt, wenn man nur an einer Kasse vorbeigeht, sagt Pauli. Wer auf Nummer sicher gehen will, könne die Karte aber in eine speziell beschichte­te Hülle verwahren, die jegliche Funkverbin­dungen verhindert. Zum Teil würden sie von den Banken selbst angeboten. In Onlineshop­s gebe es sie für rund fünf Euro. Verdeckte Gebühren müsse man für die neuen Karten nicht fürchten, meint Pauli. Es sei alles ähnlich den bisherigen Karten, der Datenschut­z auch.

Der Kartenschw­enk sei vorerst nur eine „weitere Möglichkei­t beim Einkaufen“, sagt Handelsexp­erte Einnebeln. Die Zukunft des Zahlens aber gehe voran: „Statt einer Karte kann der notwendige Mikrochip theoretisc­h in alles Mögliche eingebaut werden“. In Tokio halten Japaner ihre Handtasche­n, in den ein Mikrochip bereits eingenäht ist, vor die S-Bahn-Schranke – und schon ist das Fahrtgeld bezahlt. In Rio de Janeiro bei den Olympische­n Spielen im Sommer 2016 haben von Visa gesponsert­e Sportler einen Ring zum Zahlen getestet: Er ist aus Keramik, wasserdich­t und funktionie­rt ohne Batterien oder Akku. In Deutschlan­d gibt es das alles nicht.

Noch nicht.

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FOTO: DPA Eine speziell ausgestatt­ete Girocard ermöglicht ein kontaktlos­es Bezahlverf­ahren.

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