Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Tesla macht SHW schwere Vorwürfe
US-Autobauer bestätigt geplatzten 100-Millionen-Deal mit dem Aalener Autozulieferer
AALEN - Tesla hat die Stornierung des Großauftrags bei dem Aalener Zulieferer SHW bestätigt. Dies hat der USAutobauer der „Schwäbischen Zeitung“am Freitag telefonisch mitgeteilt. Und das Unternehmen erhebt gegenüber dem baden-württembergischen Unternehmen schwere Vorwürfe. Unter anderem geht es um einen Bruch der Vertraulichkeit.
Bereits am Vortag erfuhr unsere Redaktion aus unternehmensnahen Kreisen, dass Tesla hinter dem überraschend abgebrochenen Geschäft mit dem Zulieferer aus dem Ostalbkreis stand. Am Dienstag gab dieser bekannt, dass ein „Hersteller von vollelektrischen Fahrzeugen“ohne Vorwarnung einen Großauftrag für Achsgetriebepumpen mit einem erwarteten Umsatz über 100 Millionen Euro storniert hatte.
„Wir können bestätigen, dass Tesla der besagte Hersteller ist und dass wir den Auftrag zurückgezogen haben“, so der Tesla-Sprecher weiter. Der Vorwurf: SHW habe die Leistungsund Qualitätsstandards nicht eingehalten. Wie der Aalener Autozulieferer zuletzt bestätigte, waren die ersten Prototypen bereits fertig und ausgeliefert. Doch dieser kämpft plötzlich mit weiteren Widrigkeiten. Tesla Motors, das seinen Sitz in Palo Alto im Silicon Valley hat, wirft SHW vor, die vereinbarte Vertraulichkeit missachtet zu haben, teilt der US-Autobauer unserer Zeitung mit. „Tesla trennt sich standardmäßig von jedem Lieferanten, der die Vertragsvereinbarungen nicht einhalten kann oder die Geheimhaltungsvereinbarung verletzt.“Auf die aktuelle Meldung Teslas und die neuesten Vorwürfe hat SHW bislang nicht reagiert. Das Unternehmen war am Freitag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Im Vorfeld hatte sich der Autozulieferer in Gesprächen mit der „Schwäbischen Zeitung“stets auf die Vertraulichkeitserklärung berufen und den Namen Tesla nicht bestätigt.
Auf Nachfrage weist der Autozulieferer technische Mängel an seinen Produkten vehement zurück und überlegt, gegen die US-Amerikaner zu klagen. Auch mögliche Schadenersatzansprüche würden geprüft, bestätigte ein Unternehmenssprecher. Die seit September 2016 geplante Serienproduktion in Baden-Württemberg soll nun sofort gestoppt werden. SHW mit Hauptsitz in Aalen produziert in Fabriken in Bad Schussenried (Kreis Biberach), Neuhausen ob Eck und Tuttlingen (beide Kreis Tuttlingen). Besonders betroffen von dem stornierten Geschäft ist der Standort Bad Schussenried, wo das Produkt in Serie gefertigt werden sollte.
Zu der Annahme, dass SHW das erste deutsche Opfer der neuen protektionistischen Industriepolitik des US-Präsidenten Donald Trump sein könnte, wollten sich Tesla und SHW nicht äußern. In der Stellungnahme verweist der US-Autobauer lediglich auf die technischen Mängel der deutschen Getriebepumpen und den Bruch von Vertraulichkeitsvereinbarungen. „Bedauerlicherweise müssen wir in dieser Sache strikt sein, um beim Model 3-Programm im Zeitplan zu bleiben“, fasst es der Sprecher zusammen. Tesla hatte den Zulieferern für das neue Massenmarktmodell Model 3 eine enge Frist bis zum 1. Juli 2017 gesetzt. Die Achsgetriebepumpen sollten in dem rund 35 000 Euro teuren Modell verbaut werden. Die Auslieferung ist für Ende des Jahres geplant.
Befeuert wurden die Spekulationen durch ein Treffen vergangene Woche zwischen dem neuen US-Präsidenten und Tesla-Chef Elon Musk. Dieser gehört zum engsten Beraterstab Trumps, der amerikanische Autobauer dazu drängt, verstärkt wieder in den USA zu produzieren. Nicht ohne Folgen: Schon vor dem geplatzten Tesla-SHW-Geschäft hat der Autohersteller Ford auf sein Mexiko-Werk verzichtet; der Fiat-Chrysler-Konzern versprach milliardenschwere Investitionen für US-Fabriken.