Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Aus der indischen Metropole nach Oberschwaben
Der Hochschulstandort Weingarten liegt bei indischen Studenten im Trend
WEINGARTEN - Im aktuellen Wintersemester studieren an der „Hochschule Ravensburg-Weingarten“insgesamt 353 internationale Studenten in Vollzeit. Allein 111 davon kommen aus Indien. Auf Vorschlag der Hochschule haben engagierte Studenten nun im vergangenen Herbst das „Council of Indian Students“(CIS) gegründet. Dieses hat sich vorgenommen, die Kommunikation mit der Hochschule zu verbessern und die Förderung des interkulturellen Austausches in den Fokus zu stellen. Außerdem möchte man Ansprechpartner für Fragen aller Art sein – „Studenten, die anderen Studenten helfen“, formuliert es der erste Präsident des CIS, der 24-jährige Nikhil Gupta.
Ohne „von allen akzeptierte offizielle Vertreter sowie definierte Kanäle und Zuständigkeiten“sei die Kommunikation und Koordination mit einer so großen Zahl an Studenten fast unmöglich geworden, erklärt Ramona Herrmann, Koordinatorin für internationale Vollzeitstudenten an der Hochschule RavensburgWeingarten. Damit das nun besser funktioniert, gibt es beim CIS klar definierte Zuständigkeiten. Jeder Bachelor-Jahrgang stellt einen Vertreter, ebenso die Masterstudiengänge Mechatronik und Elektrotechnik, welche auf Englisch gelehrt werden. Dazu kommen ein Marketingverantwortlicher, Veranstaltungsmanager sowie Kassenwart, die für die Koordination der Vereinsaktivitäten zuständig sind.
Das CIS sieht sich allerdings nicht nur als Ansprechpartner für die Hochschule, auch für Fragen von Kommilitonen abseits des Studienalltages stehen die Mitglieder zur Verfügung. Sie wollen angehenden Studenten und Interessierten die Möglichkeit bieten, Informationen aus erster Hand zu erhalten, und damit verhindern, dass diese sich bei Fragen auf die Blogeinträge ehemaliger Studenten stützen müssen – wie es bei ihnen der Fall gewesen sei. Auch deshalb hat der 24 Jahre alte Harsh Sheth, als er vor Kurzem in seiner indischen Heimat war, einen Vortrag zum Studium in Oberschwaben gehalten.
Niedrige Gebühren, hohe Bildung Ihr eigenes Studentenleben in Oberschwaben unterscheide sich nicht allzu sehr vom indischen, so Shreyas Sakhadeo (24) aus Ahmedabad. Nördlich von Mumbai gelegen leben dort 5,6 Million Menschen. Lediglich an das Klima sowie die deutsche Küche habe man sich erst einmal gewöhnen müssen – das sei aber mittlerweile kein Problem mehr. Und so ist es dann auch nicht weiter schlimm, wenn die nächste Lieferung indischer Gewürze aus der Heimat wieder einmal etwas länger unterwegs ist. Der, wie Sakhadeo es nennt, „besten Auswahl an Bier und Fleisch weltweit“sei Dank – auch wenn diese für die Entscheidung, in Deutschland zu studieren, meist wohl nicht ausschlaggebend ist. Für die Attraktivität des Bildungsstandorts Deutschland gebe es laut CISPräsident Gupta vor allem zwei Gründe. Zum einen spielten die niedrigen Gebühren eine Rolle, wichtiger allerdings sei die hohe Qualität der Ausbildung. Besonders die Nähe zur Praxis schätze man sehr.
Ungewisse Zukunft Bislang hatte Chirag Vekariya, 21 Jahre alt, vor, nach Abschluss seines Bachelorstudiums auch sein Masterstudium in Weingarten zu absolvieren. Mit der Einführung von Studiengebühren für nicht europäische Vollzeitstudenten in Baden-Württemberg sieht er diesen Plan nun aber in Gefahr. Ab dem Wintersemester 2017/18 werden in BadenWürttemberg Studiengebühren in Höhe von 1500 Euro pro Semester fällig. Harsh Sheth wird davon zwar nicht betroffen sein, da er sein Masterstudium bereits begonnen hat, er kann sich aber gut vorstellen, dass das Interesse an einem Studium in Baden-Württemberg zunächst einmal zurückgehen wird. Gleichzeitig geht er aber von keinem anhaltenden Trend aus, schließlich seien die Gebühren dann zwar vergleichbar mit den Kosten eines Studiums in Indien, im internationalen Vergleich aber immer noch niedrig.
Die Hochschule rechnet mit einem „merklichen Rückgang“an internationalen Studenten in Weingarten. Eine Sorge, die auch Weingartens Oberbürgermeister Markus Ewald teilt. Er sagt: „Es muss davon ausgegangen werden, dass mit der Einführung der Studiengebühren die Attraktivität unserer Landeshochschulen, vor allem im ländlichen Bereich, nachhaltig beeinträchtigt werden wird.“
„Etwas zurückgeben“Bevor es aber so weit ist, steht für den CIS als Nächstes erst einmal die Aufnahme in den Integrationsbeirat von Weingarten an. „Die Stadt unterstützt die Hochschulen bei ihrer Weiterentwicklung und kooperiert mit ihnen in zahlreichen Projekten, auch im Bereich Integration“, so OB Ewald. Der Präsident der CSI erhofft sich durch die Aufnahme Impulse, wie man sich noch besser am Stadtleben beteiligen kann. Denn auch das ist den Studenten wichtig – sie möchten etwas an die Bürger der Region zurückgeben. Durch verschiedene Feste möchten sie Bürgern und anderen Studenten ihre vielfältigen Kulturen und Traditionen näherbringen. Im vergangenen Jahr hatte das CIS so bereits zum Diwali eingeladen – das Lichterfest wird in Indien ähnlich gefeiert wie Weihnachten in Deutschland.
Cricket-Turnier geplant In den kommenden Monaten soll außerdem ein Cricket-Turnier veranstaltet werden, bei dem pro Team auch mindestens zwei deutsche Spieler zum Einsatz kommen sollen. Da man nicht mit ganz regelkundigen Teilnehmern rechnet – inklusive kurzem Lehrgang. Auch zum Frühlingsfest „Holi“, möchten die Studenten einladen. Vielleicht wird dieses den Besuchern dann ähnlich stark in Erinnerung bleiben wie die erste Begegnung der indischen Studenten mit der schwäbisch-alemannischen Fastnachtskultur. An den Moment, als die vier Inder zum ersten Mal vor den Weingartener Plätzlern mit Karbatsche standen, erinnern sie sich noch genau. „Wir hatten keine Ahnung, was da passierte“, erzählt Sakhadeo lachend.