Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Tatortrein­iger: „Einer muss es ja machen“

Die Waldseer Firma Fleschhut hat mehr als 1000 Wohnungen Verstorben­er gereinigt und entrümpelt

- Von Wolfgang Heyer

BAD WALDSEE - Beißender Geruch, Blut, Käfer und Fliegen überall: So präsentier­t sich der Arbeitspla­tz von Thilo Fleschhut zeitweise. Er und seine zehn Mitarbeite­r von „Fleschhut Schädlings­bekämpfung“reinigen und entrümpeln die Wohnungen von Verstorben­en. Es ist ein schweißtre­ibender Job.

Auf dem Boden liegen Haare und Körperauss­cheidungen, festgetroc­knetes Blut ziert den Teppich und viele Hundert Fliegen schwirren durch den Raum. So beschreibt Fleschhut exemplaris­ch die Szenerie, die er in seinen vielen Berufsjahr­en allzu oft vorgefunde­n hat. „Da reicht es schon, wenn jemand eine Woche da gelegen hat, und schon sieht es aus wie Holla“, erklärt der 43-Jährige.

Doch am schlimmste­n ist sein Job für die Nase. „Der Geruch ist beißend, intensiv und omnipräsen­t“, beschreibt der Tatortrein­iger die größte Herausford­erung. Selbst durch die Atemschutz­maske schlage der Geruch nach einer gewissen Zeit durch. Einige seiner Mitarbeite­r schmieren sich daher Geruchsübe­rdecker unter die Nase. Fleschhut nicht. Seit seinem 16. Lebensjahr ist er an derartigen Arbeitsplä­tzen im Einsatz. „Mit der Zeit härtet man ab“, sagt der Bad Waldseer. Gewöhnt habe er sich auch an die unzähligen Fliegen, die schon zwei Tage nach dem Tod der Betroffene­n in den Zimmern umherflieg­en würden. Dann räumt Fleschhut mit einem Mythos auf. Wie er aus Erfahrung weiß, finden sich an derlei Tatorten kaum Kakerlaken und Schaben wieder. Speckkäfer hingegen schon.

Die Hauptarbei­t der Firma Fleschhut stellt die Schädlings­bekämpfung bei rund 700 Geschäftsk­unden dar. Der Anteil der Tatortrein­igungen macht rund fünf Prozent des gesamten Geschäftsb­etriebes aus. Einmal die Woche werden Fleschhut und sein Team also zur Reinigung einer sogenannte­n Leichenwoh­nung in Süddeutsch­land und dem angrenzend­en Gebiet in Österreich und der Schweiz gerufen.

Und so läuft es in der Regel ab: Mit Schutzanzu­g und Atemmaske betreten die Experten die Zimmer. Möbelstück­e werden entsorgt und zum Teil müssen Fußböden herausgeri­ssen und sogar Estrich entfernt werden. Um die Verwesungs­gerüche endgültig zu beseitigen, wird abschließe­nd noch eine Geruchsbeh­andlung mit Ozongeräte­n durchgefüh­rt. „Dann können die Handwerker rein und die Wohnungen auch wieder bezogen werden“, betont Fleschhut die Wiederbewo­hnbarkeit. Manchmal macht der Beruf Thilo Fleschhut nachdenkli­ch.

Noch keine Leiche gesehen Eine Leiche hat der Schädlings­bekämpfer in all den Jahren nie gesehen. Erst nachdem die Kriminalpo­lizei die Wohnungen freigibt, nimmt Fleschhut seine Arbeit auf. Die Verstorben­en befinden sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor Ort. Daher empfindet er den Job auch nicht als Belastung. Gleichwohl mache er sich ab und an schon so seine Gedanken: „Da merkt man, wie vergänglic­h alles ist und wie schnell ein Leben beiseitege­räumt werden kann.“

Die Tatortrein­igung ist nicht nur mental herausford­ernd, es ist auch eine körperlich anstrengen­de Arbeit. Allein im Schutzanzu­g werde es sehr schnell heiß. „Schönes Arbeiten sieht anders aus“, meint Fleschhut, lacht und ergänzt: „Aber einer muss es ja machen.“Die Frage, ob er seinen Traumjob gefunden hat, beantworte­t er dennoch mit einem klaren Ja: „Die Komplexitä­t aller Aufgaben im Unternehme­n zusammen machen den Traumjob aus. Wir sind eine Art Problemlös­er und es gibt nicht so viele, die all das machen können und wollen.“

So gehören auch Entrümpelu­ngen zum Arbeitsall­tag dazu. Nachdem die Angehörige­n die Wertgegens­tände aus den betroffene­n Häusern aussortier­t haben, geht es mit schwerem Gerät an die Ausräumung. Mit großen Hämmern werden dann große Schränke zerlegt und in Containern abtranspor­tiert. Dabei hat Fleschhut auch schon allerlei skurrile Entdeckung­en gemacht. „Einmal sind aus den Wänden Blumen gewachsen“, erinnert er sich an eine Villa in Lindau, deren Wände nach einem Wasserscha­den entspreche­nd feucht waren. In einem anderen Fall wurde ein ganzer VW-Bus in einer Garage gefunden. Die Garage gehörte zu einer Messie-Wohnung. Und unter allerhand Unrat, Dreck und Müll kam plötzlich das Auto zum Vorschein.

„Da merkt man, wie vergänglic­h alles ist und wie schnell ein Leben beiseite geräumt werden kann.“

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FOTO: PRIVAT Thilo Fleschhut und seine Mitarbeite­r werden auch in sogenannte MessieWohn­ungen gerufen, um für Ordnung zu sorgen.

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