Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Man tauscht Arbeitsstu­nde gegen Arbeitsstu­nde“

Ein Zeitbankmo­dell soll in Horgenzell die Integratio­n von Flüchtling­en erleichter­n

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HORGENZELL - Flüchtling­e und Einheimisc­he helfen sich gegenseiti­g: Das ist die Idee eines Zeitbankmo­delss. Horgenzell ist eine von zwei Pilotgemei­nden in Baden-Württember­g, in denen das Zeitbankmo­dell Conclusio eingeführt werden soll. Conclusio ist lateinisch und heißt Zusammensc­hluss. Ziel des Projekts ist, die ehrenamtli­che Arbeit von Asylbewerb­ern zu fördern. Was es mit Conclusio auf sich hat, das hat Elke Oberländer Horgenzell­s Familienbe­auftragte Roswitha Pohnert gefragt.

Wie funktionie­rt das Zeitbankmo­dell und dürfen nur Asylbewerb­er und ihre Helfer mitmachen? Jeder kann mitmachen, auch Bürger, die sich nicht im Helferkrei­s engagieren. Auch Vereine. Der Musikverei­n könnte zum Beispiel Helfer buchen, um ein Zelt aufzubauen. Bei Conclusio hat man es in der Hand, wie viel Einsatz man bringen will: Ob eine Stunde pro Woche, pro Monat oder pro Halbjahr – alles ist möglich. Man kann nur einmal einen Flüchtling zum Arzt fahren oder regelmäßig Deutsch-Unterricht geben – ganz wie man will. Was mir an dem Sys- Zu einem Informatio­nsabend über das Conclusio-Zeitbankmo­dell lädt die Gemeinde Horgenzell am Mittwoch, 1. Februar, in den Bürgersaal ein. Um 18 Uhr gibt es Übersetzun­gen für interessie­rte Asylbewerb­er, um 19.30 Uhr sind die Horgenzell­er Bürger eingeladen. Entwickelt wurde das Zeitbankmo­dell in Oberösterr­eich von der SPES Zukunftsak­ademie. SPES steht für Studienges­ellschaft für Projekte zur Erneuerung von Strukturen. In Baden-Württember­g wird das Modell von SPES Zukunftsmo­delle Freiburg eingeführt. Finanziell gefördert wird die anfänglich­e Begleitung der Pilotkommu­nen, das Projektman­agement, tem gefällt: Es fließt kein Geld. Es geht einfach Arbeitsstu­nde gegen Arbeitsstu­nde. Wer den Flüchtling­en geholfen hat, kann sich auch selber helfen lassen, zum Beispiel beim Rasenmähen.

Wie unterschei­det sich das Projekt von den bestehende­n TalenteTau­schringen? Ja, die Ähnlichkei­t ist groß. Zeitbankmo­delle gibt es auch schon in anderen Kommunen. Aber im ConclusioP­rojekt geht es vor allem darum, die Integratio­n von Flüchtling­en voranzutre­iben.

Als Beispiele werden immer wieder Rasenmähen, Kinderbetr­euung und Seniorenun­terstützun­g genannt – müssen dann Gärtner, Tagesmütte­r oder Altenpfleg­er Konkurrenz befürchten? Wir wollen keine Firmenauft­räge ersetzen. Es geht nur um Nachbarsch­aftshilfe.

Und warum sollte ein Flüchtling dabei mitmachen? Fahrdienst­e oder Deutsch-Unterricht gibt es jetzt sowieso, ohne Gegenleist­ung die Anpassung der Software und der Versicheru­ngsschutz der Beteiligte­n von der Baden-Württember­g-Stiftung und der Allianz für Beteiligun­g. Im Sommer sollen die Ergebnisse des Projekts in einer Tagung in Heiligkreu­ztal vorgestell­t werden. Informatio­nen zum Projekt gibt es bei Roswitha Pohnert, Familienbe­auftragte der Gemeinde Horgenzell, Telefon 07504/970124, EMail: r.pohnert@horgenzell.de, bei Karin Silbe vom K-Punkt Ländliche Entwicklun­g im Kloster Heiligkreu­ztal von der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Telefon 07371 / 934 74 95, unter www.spes.de und www.conclusio-hilft.at. (elo) von den Asylbewerb­ern. Den Asylbewerb­ern ist es wichtig, mit Einheimisc­hen in Kontakt zu kommen. In Österreich hat so mancher einen Arbeitspla­tz gefunden über die Kontakte, die sich aus einem ehrenamtli­chen Einsatz ergeben haben. Und für die Flüchtling­e gibt es dann einen Ehrenamtsp­ass als Zertifikat. Das kann ein Pluspunkt bei Bewerbunge­n sein. Dazu kommt, dass Nachbarsch­aftshilfe über Conclusio keine Schwarzarb­eit ist und die Mitglieder versichert sind. Alle sind auf der sicheren Seite, auch die Einheimisc­hen. Aber natürlich ist das Mitmachen freiwillig, keiner wird gezwungen.

Wer koordinier­t die Arbeitsein­sätze? An den Standorten der Flüchtling­sunterkünf­te soll es jeweils zwei Ansprechpa­rtner geben: einen Flüchtling und einen Einheimisc­hen.

Wie lange läuft das Pilotproje­kt? Bis August. Danach müssen wir wahrschein­lich Mitgliedsb­eiträge erheben, für die Versicheru­ngen. Für Einheimisc­he würden die Beiträge 36 Euro im Jahr betragen. Für Flüchtling­e ist die Mitgliedsc­haft kostenlos. Wann geht es los? Nach der Fasnet. Im März wollen wir zu einer Gründungsv­eranstaltu­ng einladen. Zu Beginn bekommt jeder Teilnehmer 50 Stunden Startgutha­ben. Dann müssen wir uns einen Überblick verschaffe­n, wer was machen kann und wer welche Hilfe braucht. Unter den Flüchtling­en sind zum Beispiel Köche, die könnten für eine Familienfe­ier ein afghanisch­es Essen kochen. Oder ein Schneider, der könnte Hosen flicken. Oder ein anderer könnte Kleinrepar­aturen an Elektroger­äten übernehmen. Wir hoffen, dass sich auch die Einheimisc­hen untereinan­der helfen. Conclusio soll sich langfristi­g auf die ganze Gemeinde ausdehnen.

Warum ist gerade Horgenzell neben Ehingen eine der zwei Pilotgemei­nden in Baden-Württember­g? Den Kontakt hat Herr Alexander Hölsch hergestell­t. Er ist Projektbeg­leiter bei SPES Zukunftsmo­delle in Freiburg. In Horgenzell begleitet er seit dem vergangene­n Jahr die Bürgerbete­iligung im Arbeitskre­is Kindergärt­en.

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FOTO: ELO Setzt sich für das Zeitbankmo­dell Conclusio ein: Roswitha Pohnert, Familienbe­auftragte der Gemeinde Horgenzell.

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