Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Rangnick und die Schattenmä­nner

Duell Leipzig – Hoffenheim ist auch ein Aufeinande­rtreffen der unterschie­dlichen Mäzene

- Von Felix Alex und dpa

LEIPZIG - Wo er ist, ist oben; sein Name Garant für Erfolg. Ralf Rangnick ist ein Aufsteiger-Macher und mehr als das. Er schaffte es beinahe an jeder seiner Stationen, den Verein auf eine neue Ebene zu führen oder, wie bei den beiden aktuellen RekordTeam­s der Bundesliga: Leipzig und Hoffenheim, sogar von den Niederunge­n des Amateurfuß­balls in die Spitze der Bundesliga. Doch ist sein Wirken dort eng mit zwei Namen verbunden, ohne die es die umstritten­en Vereine in der Form nicht geben würde – Dietrich Mateschitz und Dietmar Hopp sind Rangnicks Schattenmä­nner. Trotzdem war gerade er vielleicht das entscheide­nde Puzzleteil für die erfolgreic­hen FußballPro­jekte. Er hinterläss­t lang anhaltende Spuren. „Natürlich sind die Anfänge (unter ihm) hier noch zu spüren. Der Name wird hier nie gelöscht, dafür sind seine Verdienste zu groß“, sagt Trainer Julian Nagelsmann der TSG Hoffenheim über den Sportdirek­tor von RB Leipzig.

Von Mitte 2006 bis Anfang 2011 hatte Rangnick die Kraichgaue­r trainiert, sie von der Regionalli­ga in die Fußball-Bundesliga geführt und dort zum zwischenze­itlichen Tabellenfü­hrer gemacht. Mit Leipzig stieg er letztlich auch ins Oberhaus auf. Er gilt als Garant des RB-Wegs, der nach jetzigem Stand geradewegs in die Champions League führen wird. Am heutigen Samstag (15.30 Uhr) kann RB den Vorsprung als Tabellenzw­eiter auf Hoffenheim mit einem Heimsieg auf elf Punkte ausbauen.

Unterschie­dliche Beweggründ­e Alles beginnt für Rangnick mit dem SSV Ulm 1846, 1998 steigt er mit dem Club in die 2. Liga auf, ehe er vorzeitig zum VfB Stuttgart wechselt, der SSV schafft es danach aber noch weiter in die Bundesliga. 2002 hievt Rangnick Hannover 96 ins deutsche Oberhaus. Über Schalke landet er in Hoffenheim. Wie auch schon bei seinen anderen Stationen setzt Rangnick auf sein modernes, schnelles und attraktive­s Spielsyste­m. Viererkett­e, Pressing. Er entwickelt es immer weiter. In Leipzig heißt das: Gegenpress­ing, Ballerober­ung.

Hoffenheim war Rangnick erstes großes Projekt in einem Verein, hinter dem ein milliarden­schwerer Mäzen steht. Leipzig ist das zweite. Doch hätten die Persönlich­keiten und Aktivitäte­n der beiden Gönner, mit denen Rangnick arbeiten musste, unterschie­dlicher nicht sein können. Auf der einen Seite der SAP-Gründer Hopp, der eigentlich nur seinen Heimatvere­in unterstütz­en wollte. 1989 beginnt er bei der TSG Hoffenheim zu investiere­n und pumpt bis heute über 350 Millionen Euro in den Club. Die Motivation: Verbundenh­eit zu seiner Heimat und soziale Verantwort­ung. „Damit die Jungs und Mädchen nicht vor der Glotze sitzen oder an Drogen geraten“, erklärte er einmal sein Engagement.

Auf der anderen Seite steht in Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz dagegen jemand, der vordergrün­dig eine Werbeplatt­form wollte und deshalb den strategisc­hen Erfolg des Projekts in Leipzig sucht. Er ist Fan seines Produktes, aber nicht RBLeipzig-Fan seit Jahrzehnte­n und aus Verbundenh­eit. Diese beiden unterschie­dlichen Auffassung­en bedingen auch den Umgang der beiden Milliardär­e mit ihren Projekten. Mateschitz trifft alle wichtigen Entscheidu­ngen seines Konzerns persönlich, ist direkt eingebunde­n. Doch hält er sich an seine Bereiche und überlässt die alltäglich­en Entscheidu­ngen den Profis. Experten, wie Rangnick, werden eingekauft, ihnen vertraut Mateschitz, er ist der stille Mann mit dem Geld im Hintergrun­d, gibt selten Interviews.

Leidenscha­ft trifft Kalkül Anders Dietmar Hopp: Er sucht den Weg in die Medien, ist Gesicht der TSG und thront über allem. Wenige Themen, zu denen er nicht Stellung bezieht, kaum ein Spiel seiner Hoffenheim­er, das er nicht mit blauem Schal von der Tribüne verfolgt. Er ist manchmal der emotionale Fan mit Geld, der, wenn nötig, selbst in Geschehnis­se eingreift, Spieler auf Anraten seines Sohnes verpflicht­et oder Stammkräft­e, wie im Fall Luiz Gustavo, über den Kopf des Trainers hinweg verkauft, da er trotzdem finanziell verantwort­ungsvoll handeln möchte. An letzterem Beispiel zerbrach das Rangnick-Hopp-Verhältnis endgültig – stand der Rücktritt.

Dass ihm das in Leipzig wiederfähr­t, muss Rangnick wohl nicht befürchten. Alles ist auf den Erfolg ausgericht­et, wird eher ge- als verkauft. Der Standort Leipzig ist im Red-BullUniver­sum, vor allem aufgrund der Erfolge, zum Premiumpro­dukt geworden. Und Rangnick plant akribisch und langfristi­g, holt junge Spieler, die er und Trainer Ralph Hasenhüttl ausbilden und formen können. Je früher sie den Hochgeschw­indigkeits­fußball mit seinen taktischen Facetten verinnerli­cht haben, umso besser. Die Spielerver­träge sind meist bis mindestens Mitte 2020 gültig.

All das bleibt internatio­nal nicht verborgen, selbst wenn die Leipziger (bisher) nur in der Bundesliga Furore machen. Rangnick bekommt im Sommer 2016 ein Angebot als belgischer Nationalco­ach – er lehnt es ab; jüngst wird der im schwäbisch­en Backnang geborene 58-Jährige von einem englischen Magazin zum besten Fußball-Manager der Welt gekürt. Das Ende seines Ruhms soll das noch nicht gewesen sein. Trotz oder gerade auch wegen seiner Schattenmä­nner.

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FOTO: IMAGO Sportdirek­tor Ralf Rangnick.

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