Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Natur nachgeholf­en: Graue Haare färben?

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Zugegeben, meine Oma sah schlimm aus. Weil sie als Kriegswitw­e nur eine schmale Rente hatte, ging sie lediglich alle Jubeljahre zum Friseur. Da gönnte Oma sich dann einen neuen Haarschnit­t, den Rest erledigte sie beherzt selber. So färbte sie sich selbst mit 70 Jahren noch regelmäßig ihren grauen Schopf, mit der Folge dass sie irgendwann wie ein Wischmopp aussah. Dafür waren die Haare nicht mehr grau. Denn: „Kind, das macht alt“, sagte sie immer zu mir. Und das stimmt. Neulich kam mir auf einer Pressekonf­erenz eine Kollegin freudestra­hlend entgegen – und ich musste zweimal hinschauen, bis ich sie erkannt habe. Sie hatte ihre langen schwarzen Haare nicht nur raspelkurz schneiden, sondern auch noch grau färben lassen. Ja, ihr steht es. Trotzdem sieht sie jetzt deutlich älter aus als früher. Das gilt übrigens meiner Meinung nach auch für Männer – silberne Schläfen machen sie keineswegs interessan­ter.

Man muss es ja nicht wie meine Oma machen. Farben von heute – vor allem die vom Friseur – wirken wunderbar natürlich und sind gut verträglic­h. Und wer keine Lust hat, alle vier bis sechs Wochen den Ansatz nachfärben zu lassen, kann ja zur Tönung greifen, die für sanfte Übergänge sorgt. Nur eines geht gar nicht: Ein alter Kopf mit hellblonde­m Haar. Das wirkt albern.

a.merke@schwaebisc­he.de

Als Altblondin­e habe ich gut reden. Das Graue unterschei­det sich nicht so krass von dem, was die Natur mir gnädig ließ. Aus der Ferne betrachtet, könnte man die helleren Haare fast für Strähnchen halten. Aber aus der Nähe wird die Wahrheit offenbar. „Oma, du hast da ja Weiß“, bemerkte mein Enkel Theo erst gestern vor der Haustür und zeigte mit dem Finger auf meine zerzausten Schläfenha­are. Für ihn ist damit Omas Greisentum besiegelt. Ich bin die Haarältest­e von allen, obgleich ich einige Jahre jünger bin als Theos französisc­he Grandmère, deren perfekte Außenrolle in einem herrlichen Honigton glänzt. Eine Pariser Dame und ihr Coiffeur lassen die Natur nicht kampflos obsiegen.

Tatsächlic­h würde ich mit einer geschickte­n Blondierun­g auch frischer wirken. Zumindest von hinten. Aber was ist, wenn ich mich umdrehe und man meine altersgemä­ß ermüdeten Gesichtszü­ge sieht? „Hinten Lyzeum, vorne Museum“war ein fieser Scherz, den mein ergrauter Macho-Vater in solchen Fällen zu reißen pflegte. Ist es nicht besser, eine leidlich attraktive Seniorin zu sein, die den Jahren lediglich mit dem Lippenstif­t trotzt? Die blonden Zeiten sind vorbei. Noch bin ich entschloss­en, die Wahrheit in Würde zu tragen und meine Haare keinesfall­s zu färben. Aber, wie heißt es bei James Bond? Sag niemals nie.

beilagenre­daktion@schwaebisc­he.de

’’ Alt aussehen – das muss nicht sein. Von Antje Merke ’’ Das Blonde lässt sich nicht erzwingen. Von Birgit Kölgen

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