Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Einfach laufen lassen ...

- Von Christine King

Was ist so fasziniere­nd am Pilgern? Was bedeutet diese uralte, schlichte Form des Reisens? Nun: Alles, was gebraucht wird, ist im Rucksack. Knapp zehn Kilo (mit Proviant). Das ist schon die Hälfte der großen Freiheit. Der Rest ist laufen, beziehungs­weise laufen lassen. Immer Richtung Santiago, egal, ob es je erreicht wird und wie weit es weg ist, immer dem gelben Pfeil nach (in Spanien) oder der rot-weißen Markierung (in Frankreich).

Durch wunderschö­ne Landschaft­en, mal barfuß am Strand wie in Portugal, durch kleine Städte mit Bauernmärk­ten wie in den Cevennen oder auch durch Industrieg­ebiete von Großstädte­n wie in Spanien. Die Kraft bestimmt die Länge der Tagesetapp­e. Kleine Pausen in romanische­n Kirchen oder eine Abendmesse im Kloster. Mittagschl­af auf einer Wiese. Gespräche mit Fremden am Wegesrand oder abends in der Herberge mit anderen Pilgern. Mal Teil einer Gemeinscha­ft sein (Pilger ticken ähnlich) und dann wieder froh, gehen zu können. Morgens nicht wissen, was abends kommt – Luxusbett mit Bettwäsche und selbstgeko­chtem DreiGänge-Menü oder Stockbett im Massenschl­afsaal und altes Käsebrot aus dem Rucksack, weil kein Laden in der Nähe ist. Manchmal Umwege gehen, nichts reserviere­n. Immer tut sich etwas auf, alles ist dann irgendwie in Ordnung, Gelassenhe­it stellt sich ein. Das Laufen lüftet den Kopf und der Körper dankt es mit Müdigkeit. Viel allein sein und immer wissen: Nach Regen kommt wieder Sonne und nach altem Käsebrot selbst gebackener Schokokuch­en.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany