Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Einfach laufen lassen ...
Was ist so faszinierend am Pilgern? Was bedeutet diese uralte, schlichte Form des Reisens? Nun: Alles, was gebraucht wird, ist im Rucksack. Knapp zehn Kilo (mit Proviant). Das ist schon die Hälfte der großen Freiheit. Der Rest ist laufen, beziehungsweise laufen lassen. Immer Richtung Santiago, egal, ob es je erreicht wird und wie weit es weg ist, immer dem gelben Pfeil nach (in Spanien) oder der rot-weißen Markierung (in Frankreich).
Durch wunderschöne Landschaften, mal barfuß am Strand wie in Portugal, durch kleine Städte mit Bauernmärkten wie in den Cevennen oder auch durch Industriegebiete von Großstädten wie in Spanien. Die Kraft bestimmt die Länge der Tagesetappe. Kleine Pausen in romanischen Kirchen oder eine Abendmesse im Kloster. Mittagschlaf auf einer Wiese. Gespräche mit Fremden am Wegesrand oder abends in der Herberge mit anderen Pilgern. Mal Teil einer Gemeinschaft sein (Pilger ticken ähnlich) und dann wieder froh, gehen zu können. Morgens nicht wissen, was abends kommt – Luxusbett mit Bettwäsche und selbstgekochtem DreiGänge-Menü oder Stockbett im Massenschlafsaal und altes Käsebrot aus dem Rucksack, weil kein Laden in der Nähe ist. Manchmal Umwege gehen, nichts reservieren. Immer tut sich etwas auf, alles ist dann irgendwie in Ordnung, Gelassenheit stellt sich ein. Das Laufen lüftet den Kopf und der Körper dankt es mit Müdigkeit. Viel allein sein und immer wissen: Nach Regen kommt wieder Sonne und nach altem Käsebrot selbst gebackener Schokokuchen.