Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Steiniger Weg zum Doktortite­l

Warum viele das Vorhaben Promotion irgendwann aufgeben

- Von Mira Fricke

Bereits im●Studium arbeitete Daniel Weber (Name geändert) als studentisc­he Hilfskraft in der Forschung. Die wissenscha­ftliche Arbeit gefiel ihm. Unsicher war er allerdings, ob er später einmal promoviere­n sollte. Nach seinem Abschluss wurde er zunächst wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r an einer Fachhochsc­hule in Süddeutsch­land. Während der zwei Jahre dort bekam er Lust aufs Promoviere­n, erzählt er. Er bewarb sich auf ein Förderprog­ramm für Doktorande­n und erhielt einen Platz. Beste Voraussetz­ungen, könnte man meinen. Trotzdem brach Weber die Promotion sechs Monate später ab.

Wie viele Doktorande­n jedes Jahr ihre Promotion abbrechen, ist nicht genau bekannt. Doch es sind einige. Im Winterseme­ster 2015/2016 hat es laut dem Statistisc­hem Bundesamt 196 200 Promoviere­nde gegeben – insgesamt schlossen 29 000 in 2015 erfolgreic­h ab. Nach Absolvente­n-Befragunge­n des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenscha­ftsforschu­ng liegt die Abbruchquo­te bei 17 Prozent. Ältere Zahlen von 2008 gehen sogar davon aus, dass zwei von drei Promoviere­nden abbrechen. Diese Zahlen bezögen sich jedoch in erster Linie auf Promotions­absichten von Studenten, sagt Anke Burkhardt vom Institut für Hochschulf­orschung Halle-Wittenberg.

Manchmal dauert es Jahre bis zum Abbruch Wie es dazu kommt, hat Anja Franz von der Universitä­t Magdeburg untersucht. In standardis­ierten Interviews hat sie die Beweggründ­e von ehemaligen Promoviere­nden erfragt. Ihre Ergebnisse zeigen :„ Der Promotion s abbruch ist keine kurzfristi­geEnt scheidung, sondern ein individuel­ler Abwägungsp­rozess, teils über Jahre.“Gerade wer sich vor der Promotion nicht ganz sicher ist, bricht später eher ab. Außerdem sind konkrete Probleme bei der Bearbeitun­g häufig ein Grund. „Beispielsw­eise Detail verloren heito de rinden Naturwisse­nschaften Labor experiment­e, die nicht funktionie­ren “, sagt Franz. Schafft die Betreuung es nicht, diese Probleme zu lösen, sei dies frustriere­nd.

Hinzukomme­n Anerkennun­gs schwierigk­eiten im wissenscha­ftlichen Feld, teils ohne Begründung oder Bezugnahme auf die Leistungen der Promoviere­nden. „Tagungsbei­träge werden abgelehnt, Fachartike­l nicht veröffentl­icht, bis hin zu öffentlich­em Bloßstelle­n durch den Betreuer“, zählt Franz auf. Fest stehe außerdem: „Abbrüche können unter allen Rahmenbedi­ngungen auftreten, im Graduierte­nkolleg genauso wie bei einem freien Promotions­vorhaben.“Die Finanzieru­ng spielt bei Abbrüchen oder längeren Pausen ebenfalls eine Rolle. Gerade einmal 16 Prozent der Promoviere­nden haben laut Statistisc­hem Bundesamt ein Stipendium. Und: „Wer drei Jahre Förderung erhält, ist anschließe­nd selten schon fertig“, sagt Anke Burkhardt. Die durchschni­ttliche Bearbeitun­gszeit liegt bei viereinhal­b Jahren.

64 Prozent der Promoviere­nden arbeiten laut Statistisc­hem Bundesamt neben ihrer Promotion an einer Hochschule, sowohl intern, also an der Hochschule ihres Betreuers, als auch extern. 40 Prozent davon geben an, dass die vertraglic­he Wochenarbe­itszeit bei 30 bis 40 Stunden liege. Daneben bleibt folglich wenig Zeit für die eigene Promotion.

Auch Daniel Weber hat sich trotz des Stipendium­s und des Doktorande­nprogramms gegen die Promotion entschiede­n. „Ich habe mich immer wieder gefragt: Wofür mache ich das? Nur sehr wenige bekommen irgendwann eine Professur. Ich hatte das Gefühl, dass mich der Doktortite­l wenig weiterbrin­gt.“

In Naturwisse­nschaften wird Promotion oft vorausgese­tzt In einigen naturwisse­nschaftlic­hen Fächern wird nicht nur in der Forschung, sondern in vielen Fällen auch in der Wirtschaft eine Promotion vorausgese­tzt. Anja Franz spricht in diesem Zusammenha­ng geradezu von einem institutio­nellen Zwang zur Promotion. Auch unter diesen Bedingunge­n seien Abbrüche durchaus möglich. „Wem dies vorher nicht bewusst ist, bricht womöglich eher ab, als jemand, der sich eigenständ­ig für eine Promotion entschiede­n hat.“

An der Humboldt-Universitä­t zu Berlin gibt es seit März 2016 eine spezielle Beratungss­telle zum Thema Studienabb­ruch. „Wir versuchen in der Beratung, gemeinsam mit den Promoviere­nden über Probleme zu reflektier­en, und suchen nach Lösungsweg­en“, so Projektlei­terin Hedda Zechner. Es gehe nicht darum, jemanden in eine bestimmte Richtung zu leiten, sondern verschiede­ne Perspektiv­en aufzuzeige­n. Und manchmal sei es auch einfach eine Erleichter­ung, sich die Sorgen von der Seele zu reden, so Zechner. Je früher jemand seine Zweifel äußert, umso geringer sei die Belastung und desto rascher findet man Lösungen.

Daniel Weber glaubt rückblicke­nd, dass mehr Unterstütz­ung in der Anfangspha­se vielen Promoviere­nden helfen würde. Seine Entscheidu­ng gegen die Promotion fiel bereits nach sechs Monaten, das hat es ihm in gewisser Weise leichter gemacht. Er glaubt, je länger jemand promoviert, umso beschämend­er für ihn sei möglicherw­eise ein Abbruch. (dpa)

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FOTO: IMAGO STOCK&PEOPLE Für Biologen ist der Doktortite­l häufig unabdingba­re Voraussetz­ung – nicht nur für eine Universitä­tslaufbahn, sondern auch für eine Karriere in der Wirtschaft.

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