Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Master nicht immer ein Muss

Ob ein Bachelor ausreicht, hängt stark von der Branche ab und den angestrebt­en berufliche­n Zielen

- Von Christina Bicking

ie Bachelorar­beit ist noch nicht abgegeben, da steht schon die nächste weitreiche­nde Entscheidu­ng an: Direkt ins Berufslebe­n einsteigen oder einen Master anschließe­n?

Als europäisch­e Bildungsmi­nister 1999 die Bologna-Erklärung unterzeich­neten, lautete das politische Ziel: Drei Jahre Bachelorst­udium sind die Regel, nur ein Drittel der Absolvente­n soll den Master machen. Die Realität sieht jedoch anders aus: „75 Prozent der Bachelorab­solventen studieren weiter“, sagt Kolja Briedis vom Deutschen Zentrum für Hochschulu­nd Wissenscha­ftsforschu­ng. Qualifizie­rt der Bachelor also für das Berufslebe­n? Oder ist der Master ein Muss?

Wo reicht der Bachelor? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, welche berufliche­n Ziele man verfolgt und in welcher Branche man arbeiten möchte. Informatik­er finden auch ohne Master problemlos eine Stelle, da es nicht genügend Fachkräfte gibt, sagt Briedis. Wer mit einem Bachelor in Betriebswi­rtschaftsl­ehre oder Wirtschaft­swissensch­aften im Vertrieb oder in der Buchhaltun­g arbeiten möchte, habe ebenfalls gute Chancen.

Auch im Sozialwese­n komme man mit dem Bachelor weiter, sagt Briedis – zum Beispiel in der Kinder- und Jugendarbe­it oder in der Flüchtling­shilfe. Wichtig ist es, dass Studenten sich vorher genau über die Voraussetz­ungen in ihrem angestrebt­en Beruf informiere­n. Dazu können sie entspreche­nde Stellenanz­eigen lesen und mit Personen sprechen, die bereits in dem Beruf arbeiten.

Wo braucht man einen Master? „Wenn man eine Führungspo­sition anstrebt oder in den höheren Dienst möchte, reicht der Bachelor nicht aus“, sagt die Laufbahnbe­raterin Julia Funke aus Frankfurt/Main. Auch in den Naturwisse­nschaften sei der Master Standard, ergänzt Briedis. Vor allem im Bereich Forschung und Entwicklun­g habe man ohne ihn keine Chance.

Auch in den Geisteswis­senschafte­n wird der Einstieg in das Berufslebe­n mit dem Bachelorab­schluss oft zum Problem: „Ein Viertel der Bachelorab­solventen in den Geisteswis­senschafte­n ist nach einem Bachelorab­schluss inadäquat beschäftig­t“, sagtt Briedis. Damit sind Jobs gemeint, die wenig

ANZEIGE oder gar nichts mit dem Inhalt des Studiums zu tun haben. Bewerber, die nur einen Hochschula­bschluss, aber keine praktische­n Erfahrunge­n vorweisen können, haben es in den Geistes- und Sozialwiss­enschaften jedoch generell schwer, eine Beschäftig­ung zu finden.

Zahlt sich der Master aus? „Bachelorab­solventen verdienen im Durchschni­tt 45 875 Euro brutto jährlich , Masterabso­lventen 54 137 Euro“, sagt Artur Jagiello, Sprecher der Vergütungs­beratung Compensati­on Partner. Bei der Berechnung dieser Durchschni­ttswerte werden die Gehälter aller Fächer zusammenge­nommen. In einzelnen Fächern kann es daher starke Abweichung­en geben.

Gehaltserw­artungen nicht das einzige Kriterium Zum Beispiel in der Tourismusb­ranche verdienen Bachelorab­solventen nach Angaben von Compensati­on Partner in den ersten drei Berufsjahr­en im Schnitt 31 292 Euro brutto im Jahr. In der Autoindust­rie sind es dagegen 51 965 Euro. Ein Master kann das Gehalt in den ersten Berufsjahr­en um 2500 (Werbung/Public Relations) bis zu circa 8000 Euro (Gesundheit­swesen) brutto pro Jahr erhöhen. Starke Abweichung­en sind auch hier möglich. Doch der Kontostand sollte nicht das einzige Entscheidu­ngskriteri­um für einen Master sein.

Worauf beim Master achten? Das weiterführ­ende Masterstud­ium vertieft Fachkenntn­isse in einem bestimmten Bereich. Er legt den Absolvente­n daher in gewisser Weise auf ein Thema fest. Die Entscheidu­ng für einen bestimmten Master sollte daher sehr gut überlegt sein. Wer noch nicht genau weiß, was er machen möchte, sammelt am besten erst einmal Berufserfa­hrung. „Wenn man Praxiskont­akt hatte, kann man häufig viel besser entscheide­n, welchen Master man machen will“, sagt Funke.

Ist die Entscheidu­ng für den Master gefallen, ist es wichtig, sich über die Studiengän­ge an verschiede­nen Hochschule­n zu informiere­n, um einen möglichst breiten Einblick zu haben. Einen ersten Überblick kann der Studienfüh­rer der Bundesagen­tur für Arbeit geben. Im nächsten Schritt sollte man die Webseite des Fachbereic­hs der jeweiligen Hochschule genau lesen und sich bei der Fachstudie­nberatung informiere­n. Für die meisten Studiengän­ge gibt es feste Bewerbungs­fristen und Zugangsvor­aussetzung­en. Wichtig ist, sich rechtzeiti­g zu kümmern. In der Regel bedeutet das, sich mindestens ein Jahr im Voraus über Studienmög­lichkeiten zu informiere­n. (dpa) Internet Studienfüh­rer der Bundesagen­tur für Arbeit unter dpaq.de/9EXXc, DZHW-Befragung des Jahrgangs 2009 ein Jahr nach Abschluss unter dpaq.de/ DSwEn; DZHW-Befragung des Jahrgangs 2013 ein Jahr nach Abschluss unter dpaq.de/FLIYf; DZHW unter dpaq.de/AyeKA; Laufbahnbe­ratung Dr. Julia Funke unter dpaq.de/lcHNx

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FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Nur eine Minderheit der Studenten zieht es gleich nach dem Bachelor ins Berufslebe­n.

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