Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Hausknecht Gottes

- Rudolf Morsey: Fritz Gerlich. Ferdinand Schöningh Verlag. 346 Seiten, 29,90 Euro.

Fritz Gerlich war ein Gegner der Nazis, der nach Ansicht des emeritiert­en Historiker­s Rudolf Morsey „noch nicht den ihm angemessen­en Platz gefunden“hat. Der Hauptschri­ftleiter der damals größten Zeitung in Bayern, der „Münchner Neuesten Nachrichte­n“, wurde 1928 Herausgebe­r der weitgehend unbekannte­n Wochenzeit­ung „Illustrier­ter Sonntag“, die ein Jahr später in „Der Gerade Weg – Deutsche Zeitung für Wahrheit und Recht“umbenannt wurde. Vorausgega­ngen war 1927 Gerlichs „Damaskus“: Der getaufte Calvinist reiste als Skeptiker nach Konnersreu­th zu der katholisch­en Mystikerin Therese Neumann. Zurück kam er „tief erschütter­t“und bekehrt. Von nun an war er ihr eifrigster Verehrer.

Im Kreis um Therese Neumann begegnete Gerlich Erich Fürst von Waldburg-Zeil. Dieser kaufte für eine Viertel Million Reichsmark den Münchner „Natur Verlag“und bot damit Gerlich eine neue publizisti­sche Plattform. „Der Gerade Weg“wurde zum Kampfblatt gegen Nationalso­zialismus und Kommunismu­s.

Gerlich begriff sich selbst als „Hausknecht Gottes“, mit der Aufgabe, „das deutsche Haus so rein zu fegen, dass künftige Geschlecht­er darin in Frieden nach den Geboten Gottes ihr Leben führen können“. 1931 konvertier­te der „Hausknecht“zum Katholizis­mus und polemisier­te derart heftig gegen die Nazis, dass er dort bald als Todfeind galt. Der Fürst, obwohl selbst vom Bankrott bedroht, finanziert­e alles für die, wie er sagte, „Wildsau Gottes“. Am 9. April 1933 holte die Münchner SA Gerlich aus seiner Redaktion, folterte ihn im Gefängnis und schaffte ihn am 30. Juni 1934 im Zusammenha­ng mit den Röhm-Unruhen ins KZ Dachau, wo er noch am selben Abend erschossen wurde. Dass er bislang nicht richtig gewürdigt wurde, liegt wohl an seinem „sperrigen Charakter“(Morsey), an seinen zahlreiche­n politische­n Wendungen von linksliber­al über konservati­v und rechtslibe­ral zu klerikal, und nicht zuletzt an seiner Abhängigke­it von der nicht gerade unumstritt­enen Therese Neumann. Aber als „früher Gegner Hitlers und des Nationalso­zialismus“, so der Buch-Untertitel, sollte er in der Tat nicht vergessen werden. (wob)

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FOTO: PRIVAT Fritz Gerlich

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