Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zu Gast bei Fremden
Übers Internet verabreden sich Urlauber mit Einheimischen zum kulinarischen Blind Date
Carol, eine zierliche Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln, öffnet lächelnd die Tür ihres Apartments in Brooklyn. Es duftet nach frischem Koriander und Gemüse. Endlich sind sie da, ihre Gäste, für die sie schon seit einiger Zeit in der Küche den Kochlöffel schwingt: Jeff aus Vancouver, Kim aus Los Angeles, Susan und Peter aus London, Markus aus Hamburg. Sie alle wollen heute Carols Kochkünste genießen und einen Abend im Heim einer echten New Yorkerin verbringen. Aber nicht nur in „Big Apple“sind Essensverabredungen in privaten Wohnzimmern mit Einheimischen angesagt. Schließlich gibt es dabei Kultur, Leben und Kulinarik des Landes aus erster Hand.
Social Dining heißt der Trend, bei dem sich völlig fremde Menschen bei Hobbyköchen zum gemeinsamen Essen treffen. Möglich machen dies Internetportale wie etwa Travelingspoon.com, Eatwith.com & Co. Wer sich kostenlos registriert, der kann in Bild und Wort seine Menüs anbieten oder auch nach einem Abendessen in der Nähe suchen und sich als Gast anmelden. Der Gastgeber bestimmt den Preis und wer kommen darf.
Die Spezialitäten der Gastgeber Die Idee, Touristen mit Einheimischen übers Essen zu verbinden, kam den israelischen Eatwith-Gründern Guy Michlin und Shemer Schwartz während eines Kreta-Urlaubs. Dort aßen sie bei einer griechischen Familie und erfuhren Dinge über die Insel und die Situation in Griechenland, die ihnen kein Reiseführer und keine Zeitung hätten liefern können. Reisende an den Tisch von Einheimischen zu einem landestypischen Abendessen zu bitten, das wurde ab 2012 ihre Mission. Heute bietet das Unternehmen mit Hauptsitz in San Francisco 500 Gastgeber in 30 Ländern an.
In Spanien sind aktuell 280 Gastgeber verzeichnet, allein 107 in Barcelona. Jeder Koch stellt sich und sein Menü kurz vor: Ascanio lädt zum Tapas-Dinner auf die Dachterrasse nach Barcelona (54 Euro), Giovanna und Cristina zum Festschmaus nach Rom (55 Euro), Claudine zum Dinner in Montmartre (46 Euro) und Carol eben nach Brooklyn (40 Euro). Deutschland ist mit 18 Gastgebern auf dem Portal Eatwith vertreten. Der fröhlich lachende Globetrotter Christian beispielsweise ist einer von sechs Gastgebern in Berlin und verwöhnt seine maximal acht Gäste mit asiatischer, französischer, italienischer und natürlich deutscher Küche. Das Menü kostet bei ihm um die 43 Euro.
Alle Gastgeber rund um den Globus haben ein Hobby gemeinsam: Sie schwingen gerne auch für fremde Gäste den Kochlöffel. Auch Kirsten und Uffe aus Kopenhagen sind so ein Paar, das leidenschaftlich gerne kocht und mindestens einmal im Monat zum „Modern Danish Cooking“einlädt. Ihre Gäste kommen über die Webseite Meetthedanes.com. Sie möchten dabei vor allem eins: Menschen aus anderen Ländern kennenlernen. Und das funktioniert bei einem guten Essen und einem Glas Wein einfach am besten. Sie verstehen sich als Botschafter ihres Landes und erklären gerne ihren Besuchern, wie das Leben in Dänemark ist und was es bedeutet, Dänin und Däne zu sein. Und auch sie wollen mehr über ihre Gäste erfahren. Es profitieren tatsächlich alle von dieser Völkerverständigung, die durch den Magen geht.
Ein weiteres Onlineportal, das Genießer aus der ganzen Welt zusammenbringt und die Gourmet-Tore zu traditionellen Länderküchen öffnet, ist Voulezvouzdiner.com. Auch dort können sich Hobby-Köche und Feinschmecker kostenlos als Gast oder Gastgeber registrieren. Und vor dem nächsten Urlaubstrip verabredet man sein kulinarisches Date ganz einfach schon von zu Hause aus. Die Gastgeber sind nach Standort und nach Themenbereichen wie Kunst & Kultur, besondere Orte, Glutenfrei, Dating und Angebote des Monats sortiert. Künstlerin Petra lockt beispielsweise mit Sushi, Prosecco und Gesprächen über die Kunst in ihr Amsterdamer Atelier (38 Euro).
Oft sind es selbst Globetrotter, die gerne die Gastfreundschaft, die ihnen auf ihren eigenen Reisen begegnet ist, an andere Urlauber weitergeben möchten. Mitessgelegenheiten made in Germany gibt es auf der Onlineplattform Joinmymeal.com, von Manuel Ufheil aus dem Sharing-Gedanken der Mitfahrzentralen heraus vor allem für Singles und Studenten entwickelt. Vor allem junge Leute nutzen bisher die kostenlose Mitgliedschaft bei Joinmymeal. Beim Berliner Start-up Letsmealup.com verabreden sich Touristen und Einheimische in Restaurants in Berlin, Hamburg, Düsseldorf und München. Wer allein reist, muss also nicht mehr länger allein essen.
Social-Dining-Portale www.eatwithme.com: weltweites Angebot an Gastgebern www.eatfeastly.com: Menüs bei US-amerikanischen Gastgebern www.joinmymeal.com: gemeinsam essen für wenig Geld, bisher nur in Deutschland www.letsmealup.com: RestaurantDiners in Berlin, München, Hamburg und Düsseldorf www.meetthedanes.com: auf Dänemark beschränkt www.travelingspoon.com: essen bei Einheimischen in 16 asiatischen Ländern, außerdem in Mexiko und in der Türkei www.voulezvousdiner.com: essen am Tisch von Einheimischen weltweit