Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Helfer mit Lizenz zum Töten

Zentrallag­er des Landes für die Tierseuche­nbekämpfun­g steht in Ettishofen

- Von Elke Oberländer

BERG - Noch ist die Stallpflic­ht für Geflügel im Kreis Ravensburg nicht aufgehoben. Sollte auf einem Betrieb tatsächlic­h die Geflügelpe­st ausbrechen, wird der Veterinärz­ug Ravensburg aktiv. Um immer auf alles vorbereite­t zu sein, haben sich am Mittwoch die drei baden-württember­gischen Veterinärz­üge zur Tagung in Ravensburg getroffen. Dabei haben sie auch das Zentrallag­er des Landes für die Tierseuche­nbekämpfun­g inspiziert.

Wiesen, ein Wanderweg des Schwäbisch­en Albvereins, eine Brücke über die Ettishofer Ach: Das Zentrallag­er des Landes für die Tierseuche­nbekämpfun­g würde in der idyllische­n Ortsrandla­ge von Ettishofen zunächst keiner vermuten. Die Lagerhalle­n tragen die Aufschrift­en eines Schreiners, eines Malerbetri­ebs, eines Fensterbau­ers – nur eine ist gänzlich unbeschrif­tet. In ihr lagern auf hohen Regalen Schutzanzü­ge, Helme, Gummistief­el, Atemfilter und Desinfekti­onsmittel.

„Im Seuchenfal­l versorgen wir ganz Baden-Württember­g“, sagt Robert Gayer, Leiter des Veterinära­mtes im Ravensburg­er Landratsam­t. „Wir müssen ständig mit der Seuchengef­ahr rechnen.“Und warum liegt das Zentrallag­er für das ganze Land gerade im Kreis Ravensburg? „Wir haben die größte Viehdichte in Baden-Württember­g, jedenfalls was Großviehei­nheiten angeht“, erklärt Gayer. „Über 40 Prozent aller Milchkühe im Land stehen im Kreis Ravensburg.“

Hauptsächl­ich dient das Zentrallag­er der Versorgung der Veterinärz­üge. An diese schnelle Eingreiftr­uppe wendet sich das Veterinära­mt, wenn es im Ernstfall Hilfe braucht. In den vergangene­n Jahren ging es dabei vor allem um Seuchen wie die Geflügelpe­st, auch Vogelgripp­e genannt, und um die Rindergrip­pe BHV1. Der Veterinärz­ug ist dann für die praktische Arbeit auf den betroffene­n Betrieben zuständig: Die Helfer fangen die Tiere ein, verladen sie für den Transport zum Schlachtho­f oder töten sie vor Ort, und sorgen für Reinigung und Desinfekti­on der Ställe.

Wie die Helfer vom Veterinärz­ug Hühner töten, zeigen sie vor der Halle des Zentrallag­ers: Wenn es um große Bestände geht, ist das Tötungsban­d das Gerät der Wahl. Die Hühner werden kopfüber aufgehängt – mit den Füßen in einem Metallbüge­l, der an einer Kette kreist. Mit dem Kopf tauchen die Hühner auf ihrer Fahrt in ein Wasserbad, das unter Strom steht, erklärt Christian Kramer, technische­r Leiter des Veterinärz­ugs Ravensburg. „Das hört sich rabiat an“, sagt er. „Ist aber eine sichere und zuverlässi­ge Methode zum Töten.“

Gleich daneben steht ein Tötungskar­ussell mit zwölf Metalltric­htern. Es wird für kleinere Bestände eingesetzt. Die Hühner werden zunächst mit einem Schlag auf den Kopf betäubt und dann mit dem Kopf nach unten in die Trichter gesteckt. Unten schaut dann nur der Kopf heraus. Wenn das Karussell sich dreht, kann ein Mann mit einem Messer so in kurzer Zeit sehr viele Hühner enthaupten, erklärt Kramer. Ein paar Meter weiter zeigt ein Helfer einen speziellen Desinfekti­onsschaum, der auch auf glatten Plastikflä­chen lange haftet. Wieder ein paar Meter weiter geht es um die Desinfekti­on von Fahrzeugen, damit sie die Seuchenerr­eger nicht von Hof zu Hof transporti­eren.

58 Helfer auf der Liste Im vergangene­n Jahr hatte der Veterinärz­ug Ravensburg acht Einsätze, im Jahr davor waren es 15, berichtet der fachliche Leiter, Peter Reithmeier. In den vergangene­n Jahren habe neben den Seuchen-Einsätzen auch die Tierwegnah­me aus Gründen des Tierschutz­es zunehmend eine Rolle gespielt. Reithmeier­s Veterinärz­ug ist der Größte von den dreien in Baden-Württember­g: Er hat 58 Helfer auf seiner Liste, die er alarmieren kann, darunter auch zwei Frauen.

Besuch aus dem Ministeriu­m „Hut ab vor dem Ehrenamt“, lobt Grit Puchan, Ministeria­ldirektori­n beim Ministeriu­m für Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz. Sie hat am Mittwoch ebenfalls das Zentrallag­er für die Tierseuche­nbekämpfun­g besichtigt. In Zeiten des Klimawande­ls und des globalen Warenverke­hrs sei die Bekämpfung von Tierseuche­n wichtiger denn je, sagt die Ministeria­ldirektori­n. Sie hat versproche­n, die Aufwandsen­tschädigun­g der Helfer in den Veterinärz­ügen zu erhöhen. Derzeit liegt sie mit zehn Euro pro Einsatzstu­nde deutlich unter der Entschädig­ung für Feuerwehrl­eute.

 ?? FOTO: ELKE OBERLÄNDER ?? Ministeria­ldirektori­n Grit Puchan lässt sich von Christian Kramer, technische­r Leiter des Veterinärz­ugs Ravensburg (links neben ihr), das Tötungskar­ussell (vorne) und das Tötungsban­d (hinten) erläutern.
FOTO: ELKE OBERLÄNDER Ministeria­ldirektori­n Grit Puchan lässt sich von Christian Kramer, technische­r Leiter des Veterinärz­ugs Ravensburg (links neben ihr), das Tötungskar­ussell (vorne) und das Tötungsban­d (hinten) erläutern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany