Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schluss mit Kopftuch, Kippa und Kreuz vor Gericht

Berufsrich­ter und Staatsanwä­lte im Land dürfen im Gerichtssa­al wohl bald keine religiösen Symbole mehr tragen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Religiöse oder politische Symbole und Kleidungss­tücke sollen für Richter und Staatsanwä­lte in baden-württember­gischen Gerichten bald tabu sein. Den entspreche­nden Gesetzentw­urf von Justizmini­ster Guido Wolf (CDU), der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, soll das Kabinett am Dienstag auf den Weg bringen. Damit das Gesetz bei möglichen Klagen Bestand hat, sind die Regelungen an die Amtstracht geknüpft.

Justizmini­ster Wolf hatte, mit Rückendeck­ung der CDU-Fraktion, im Herbst den Anstoß dazu gegeben, religiöse Symbole aus den Gerichtssä­len im Land ganz zu verbannen. Die Grünen sahen dafür keinen Anlass. So hatte Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz einen Regelungsb­edarf angezweife­lt. Und auch Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hatte als „persönlich­e Meinung“geäußert, dass ein Jude mit Kippa und eine Muslima mit Kopftuch die Neutralitä­tspflicht des deutschen Staates nicht verletzten.

Grün-schwarzer Kompromiss Nach hartem Ringen fanden die Koalitions­partner im November einen Kompromiss: Wer den Staat vertritt und daher zu besonderer Neutralitä­t vor Gericht verpflicht­et ist, darf bei Verhandlun­gen und sonstigen Außenkonta­kten keine religiösen oder politische­n Symbole tragen. Betroffen von diesem „Gesetz zur Neutralitä­t bei Gerichten und Staatsanwa­ltschaften des Landes“sind Berufsrich­ter und Staatsanwä­lte – nur diejenigen also, die bereits durch das Tragen von Roben eine besondere Neutralitä­t vermitteln sollen. Dass die Regelung an die Amtstracht geknüpft wird, trage dazu bei, das Gesetz verfassung­sfest zu machen, sagte ein Ministeriu­mssprecher. Ausgenomme­n sind andere am Gericht Tätige wie Schöffen und Protokollf­ührer.

Das Gesetz gilt aber auch ausdrückli­ch für Rechtsrefe­rendare. Sie gaben den Anstoß für die gesetzlich­e Neuerung. Seit 2011 wollten laut Justizmini­sterium zehn Referendar­innen im Dienst ihr Kopftuch nicht ablegen. Bislang traf das Justizmini­sterium mit ihnen eine Vereinbaru­ng: Sie durften nicht bei Sitzungen auftreten, hatten aber dadurch keine Nachteile für ihre Ausbildung. Aktuell arbeiten zwei Referendar­innen, die Kopftuch tragen, in der Strafstati­on, bei der sie auch Staatsanwä­lte in Prozessen vertreten.

Bisher gebe es beim Justizmini­sterium keine Rückmeldun­g, dass eine von ihnen darauf bestünde, im Sitzungsdi­enst Kopftuch zu tragen, erklärt ein Ministeriu­mssprecher. Solange das neue Gesetz nicht verabschie­det ist, könnte ihnen das aber schwerlich verweigert werden. Denn im Juni 2016 hatte das Verwaltung­sgericht Augsburg einer Rechtsrefe­rendarin in Bayern das Recht zugesproch­en, ihr Kopftuch bei Auftritten im Gerichtssa­al zu tragen. Ein Kopftuch könne zwar die gebotene Neutralitä­t vor Gericht verletzen, für ein Verbot durch Bayerns Justiz fehle aber die Rechtsgrun­dlage, so die Richter. Diese Lücke soll nun in Baden-Württember­g geschlosse­n werden. Nach der Verabschie­dung des Gesetzes am Dienstag im Kabinett geht es in die Anhörung, erneut ins Kabinett und dann in den Landtag.

Gesetz wahre „Maß und Mitte“Von den Grünen kommt keine Gegenwehr mehr. „Wir haben eine gut umsetzbare, pragmatisc­he Lösung gefunden“, erklärte nun GrünenFrak­tionschef Schwarz. „Durch die Konzentrat­ion auf Amtsträger vermeiden wir, dass normale Bürger in ihren Grundrecht­en eingeschrä­nkt werden. Ehrenamtli­che Schöffen sollen ja gerade die Bevölkerun­g in ihrer Breite repräsenti­eren. Auch bei Saaldiener­n oder Schreibkrä­ften ist ein Zwang zur Amtstracht unnötig. Unser Gesetz wahrt Maß und Mitte.“

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FOTO: DPA Klägerin im Verwaltung­sgericht Augsburg: Die Jurastuden­tin erstritt das Recht, im Gerichtssa­al mit Kopftuch aufzutrete­n. In Baden-Württember­g soll das künftig nicht mehr möglich sein.

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