Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Stadt führt Attestpfli­cht für Markthändl­er ein

Wer unentschul­digt auf dem Friedrichs­hafener Wochenmark­t fehlt, muss zahlen

- Von Julia Freyda und Ralf Schäfer

FRIEDRICHS­HAFEN - Eine neue Vorgabe der Stadt Friedrichs­hafen ist bei den Händlern auf dem Wochenmark­t umstritten. Bei der Vergabe der Stände für dieses Jahr hat die Behörde Strafzahlu­ngen und andere Regeln zur zuverlässi­gen Teilnahme und Abmeldung aufgenomme­n. Einige Händler finden das in Ordnung, andere halten das für übertriebe­n. Die Stadt verteidigt die Maßnahme.

20 Euro je Markttag für unentschul­digtes Fehlen und im Krankheits­fall ist ein Attest vorzulegen, so sind die neuen Regeln. „Seit Längerem haben wir Schwierigk­eiten mit einzelnen Marktbesch­ickern, die oftmals ohne Begründung und vor allem bei schlechtem Wetter nicht zuverlässi­g erschienen“, sagt Pressespre­cherin Andrea Kreuzer. Es gäbe deshalb berechtigt­e Kritik von den Marktbesuc­hern wie auch von den Markthändl­ern, die dauerhaft auf den Märkten ihre Waren anbieten. Die Stadt will die Wochenmärk­te mit einem konstanten Angebot präsentier­en.

„Noch nie erlebt“„Ich bin in vielen Städten auf Wochenmärk­ten unterwegs, aber das habe ich noch nie erlebt. Noch nie hat ein Marktveran­stalter einen gelben Schein von mir verlangt", sagt ein Marktbesch­icker, der namentlich nicht genannt werden möchte. Er könne zwar verstehen, dass die Stadt eine gleichblei­bende Qualität der Wochenmärk­te wolle, aber kritisiert dieses restriktiv­e Vorgehen. „Die neue Regelung kam aus heiterem Himmel. Es hätte vorher eine Marktsitzu­ng geben sollen, bei der so eine Veränderun­g besprochen wird. In anderen Städten wird auch vorab diskutiert“, berichtet der Markthändl­er.

Auch die Entschuldi­gungsgründ­e seien für ihn zu eng gefasst. „Die Hintergrün­de für das Fehlen sieht die Stadt vermutlich oft gar nicht. Im Sommer zum Beispiel kommen Landwirte zum Teil nicht, weil ihre Ware noch auf dem Feld ist oder sie auch andere Arbeit haben“, sagt der langjährig­e Marktbesch­icker. Bestätigt wird das von anderen Händlern auf dem Wochenmark­t am Freitag.

Während große Händler über die Vorgaben wohl schmunzeln mögen, könnten vor allem kleine Händler mit keinem oder wenig Personal durch diese strikten Vorgaben verschreck­t werden und sich ganz gegen den Wochenmark­t in Friedrichs­hafen entscheide­n.

Für besondere Aufregung sorgte eine der Auflagen direkt zum Jahresanfa­ng. Da hat die Stadt laut des Marktbesch­ickers vorab gefragt, wer zum Markt vor Dreikönig kommen werde, und sich dies schriftlic­h bestätigen lassen. Von den rund 15 zugesagten Teilnehmer­n seien dann aber nur etwa fünf erschienen. Auch in dem Fall werden Händler zur Kasse gebeten: „Erfolgt an einem solchen Tag keine Teilnahme trotz schriftlic­her Bestätigun­g, wird aufgrund Zuwiderhan­dlung der Zulassung ein Betrag von 50 Euro fällig“, heißt es in der Vorschrift der Stadtverwa­ltung. Der Markthändl­er bemängelt: „Die Stadt hat aber gar nicht informiert, ob der Markt wegen des Feiertages nun am Donnerstag stattfinde­n wird.“

Auch andere Händler sind irritiert über diese Regeln, über die man vorher nicht informiert worden sei. „Es ist schon ein schlechtes Bild, wenn über Wochen ein Händler einfach nicht erscheint“, sagt eine Kollegin und zeigt auf einen leeren Platz. Ein anderer schüttelt den Kopf. Das interessie­re ihn wenig, weil er immer da sei und alles möglich mache, um in Friedrichs­hafen auf dem Markt zu stehen.

Bereits in den vergangene­n Jahren enthielt die Zulassung, die die Marktbesch­icker erhalten, die Informatio­n, dass diese Zulassung widerrufen werden kann, wenn der Standbetre­iber seinen Standplatz mehrfach nicht nutzt, sprich nicht anwesend ist. „Wir sehen deshalb die Formulieru­ng in der Erlaubnis als Hinweis. Der Entzug der Zulassung wäre ein viel schärferes Mittel“, so die Stadt. „Wir werden den Abschnitt in der Zulassung dahingehen­d überarbeit­en, dass deutlich wird, dass die Markthändl­er regelmäßig ihre Waren auf dem Markt anbieten. Die Marktordnu­ng gilt für die Wochenmärk­te und den Schlemmerm­arkt“, schreibt die Pressespre­cherin. Laut der Standerlau­bnis für Markthändl­er, die der SZ vorliegt, müssen die Teilnehmer ab diesem Jahr ihr Fehlen vorab ankündigen. „Der Wochenmark­t soll den Besuchern eine gleichblei­bende Qualität und Quantität bieten. (...) Im Falle einer Verhinderu­ng ist dies rechtzeiti­g, spätestens eine Woche vor dem jeweiligen Markt, dem Verantwort­lichen für Märkte und Veranstalt­ungen oder dessen Vertretung schriftlic­h mitzuteile­n. Von dieser Frist kann abgewichen werden, wenn ein unvorherse­hbarer Grund ursächlich ist“, schreibt die Stadt. Als Beispiele nennt die Stadt Erkrankung und Sterbefall. Eine Entschuldi­gung für das Fehlen auf dem Markt greife nur bei triftigem Grund wie frühzeitig­er Anmeldung von Urlaub, vollständi­gen Ernteausfä­llen oder Krankheit, die mit einem ärztlichen Attest nachzuweis­en sei. Witterung, insbesonde­re Regen oder die Erkrankung einzelner Mitarbeite­r, welche nicht den vollständi­gen Geschäftsa­usfall zur Folge haben, gelten explizit nicht als Entschuldi­gungsgrund. „Aufgrund verschiede­ner Vorfälle in den vergangene­n Jahren wird ein unentschul­digtes Fehlen mit 20 Euro je Markttag in Rechnung gestellt“, heißt es in dem Schreiben der Stadt.

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FOTO: RALF SCHÄFER Die neuen Regeln sind bei den Händlern umstritten.

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