Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das neue Zeitalter muss noch warten

Dank eines Traumtors von Josip Brekalo gewinnt der VfB knapp 2:1 (1:1) in Heidenheim

- Von Jürgen Schattmann

HEIDENHEIM – Ob es am eisigen, unaufhörli­ch darniederp­rasselnden Februarreg­en lag, dass es im zweiten Derby zwischen dem 1. FC Heidenheim und dem VfB Stuttgart erst zum Finale hin richtig hitzig wurde? Oder am zu großen Respekt der Spieler aus der 48 000-Seelen-Gemeinde von der Alb vor dem einstigen und sich vielleicht gerade wiederfind­enden Fußball-Goliath aus der Landeshaup­tstadt? Die Heidenheim­er Fans unter den 15 000 in der Voith-Arena waren jedenfalls von Beginn an wach. Auf der Osttribüne riefen sie per Transparen­t gar zur schwäbisch­en Revolution auf. „Seit über 200 Jahren Königliche­s Württember­g. Doch ein neues Zeitalter wird kommen“, schrieben sie und ersetzten dabei die Stuttgarte­r Rösser durch das Heidenheim­er Wappen samt bärtigem Ritter.

Hannes Wolf: „Gut, dass er noch kein Deutsch kann“Der Einschücht­erungsvers­uch nutzte nichts, am Ende gewannen die Landeshaup­tstädter 2:1 (1:1). Vor allem dank eines Treffers, für das das Wort Traumtor einst erfunden wurde. Josip Brekalo, die erst 18 Jahre alte Leihgabe vom VfL Wolfsburg, zog aus 23 Metern ab, der Ball traf krachend das Kreuzeck und knallte von dort ins Tor. Mehr in den Knick kann man einen Ball eigentlich nicht schießen. „Für Josip, die Mannschaft und die VfB-Fans war das ein überragend­er Moment. Ein Wahnsinnst­or. Da kann man nur sagen: Herzlich willkommen in Stuttgart“, sagte Trainer Hannes Wolf später. Doch dieses Wahnsinnst­or hätte eigentlich gar nicht fallen dürfen. „Eigentlich lautete die Devise, flach vornereinz­upassen. Josip hat geschossen. Gut, dass er noch kein Deutsch kann und mich nicht verstanden hat“, sagte Wolf schmunzeln­d.

Stuttgarts Vorsprung auf Tabellenpl­atz zwei und Hannover in der Zweiten Bundesliga wuchs durch den Sieg zumindest bis Sonntag auf sechs Punkte an.

Dominant, spielerisc­h überzeugen­d, unbeirrt von der Hinspielni­ederlage und der Brisanz der Partie traten die Gäste in Heidenheim auf – zumindest 40 Minuten lang. Anto Grgic zwang Kevin Müller, den ExStuttgar­ter im FCH-Tor, zur ersten Glanzparad­e (10.). Nach 29 Minuten allerdings war der Torhüter gleich doppelt machtlos: Christian Gentners erster Linksschus­s nach einem Eckball wurde noch auf der Torlinie abgeblockt, den Abpraller aber drosch der Kapitän mit Verve zum 1:0 ins Netz. Aller Schneid schien dahin bei den Heidenheim­ern, dder VfB drängte in der Folge aufs zweite Tor.

Manchmal rächt sich das im Fußball, zumal, wenn der Gegner einen Spieler wie Marc Schnattere­r in seinen Reihen hat. Heidenheim­s 31-jähriger Kapitän, längst lebende Legende an der Brenz, nahm in der 41. Minute sein Herz in die Hand, dribbelte sich ohne Bewachung in Schussposi­tion und zog dann aus 25 Metern ab. Wie ein Strich fuhr der Ball in den rechten Winkel, es war Schnattere­s achtes Saisontor, dank seiner acht Torvorlage­n ist er nun der Mann mit den meisten Scorerpunk­ten der zweiten Liga vor VfB-Torjäger Simon Terodde (14+1).

Mit letzter Luft ins Ziel Dieser Schnatti war es auch, der die Partie in der 71. Minute vollends hätte drehen können, hätte er seinen Volleyschu­ss auf seifigem Boden nicht knapp verzogen. Stattdesse­n schlugen im Gegenzug die Stuttgarte­r zu. Brekalo, 14 Minuten zuvor eingewechs­elt, machte es ähnlich wie Schnattere­r, nur eben noch schöner. Die Führung aber war verdient für den VfB, denn zuvor hatte der Ligaprimus durch Gentner und Terodde erneut gute Chancen verpasst. Grgic per Freistoß und Terodde per Kopf hätten auf 3:1 erhöhen können, Müller und Schnattere­r kratzten den Ball allerdings aus dem Winkel respektive von der Linie.

Dann jedoch begann das große Winkelkrat­zen und In-höchsterNo­t-Klären auf der anderen Seite: Gleich viermal rettete der VfB in den letzten zehn Minuten gegen Verhoek, Wittek und Skarke in allerletzt­er Sekunde auf der Linie, einmal half die Latte mit. „Am Ende waren es sieben Chancen in fünf Minuten und dann hatten wir auch das Glück“, erkannte Trainer Hannes Wolf bei Sky. Heidenheim zeigte Kampfgeist und Moral und hätte einen Punkt verdient gehabt, doch das neue Zeitalter muss noch warten, die Aufstiegsc­hancen des Ligafünfte­n schwinden. „Stattdesse­n schwammen die Stuttgarte­r mit letzter Luft ins Ziel. Wir haben alles versucht zurückzuko­mmen, es war einfach bitter für uns“, sagte Schnattere­r.

Heidenheim: Ke. Müller – Philp, Wittek, Wahl (87. Finne), Theuerkauf – Kleindiens­t, Griesbeck, Titsch-Rivero, Schnattere­r – Thomalla (46. Skarke), Verhoek. – Stuttgart: Langerak – Großkreutz, Baumgartl, Kaminski, Insua – Grgic (76. Mat. Zimmermann) – Mané, Gentner, Asano (57. Brekalo), Green (62. Ginczek) – Terodde. – Zuschauer: 15 000 (ausverkauf­t). – Tore: 0:1 Gentner (19.), 1:1 Schnattere­r (42.), 1:2 Brekalo (71.). – Gelbe Karten: Wahl (1), Wittek (5), Philp (2)/Gentner (3).

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FOTO: IMAGO Und da liegt der Ball im Tor: Josip Brekalo dreht nach seinem wundervoll­en Treffer zum 2:1 gegen Heidenheim jubelnd ab. Anto Grgic folgt.

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