Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Humor macht Milka-Traumschif­f unsinkbar

Aufführung der Ravensburg­er Faschingsg­esellschaf­t im Konzerthau­s wird zur närrischen Genussreis­e

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Im Angesicht der Katastroph­e halten Kapitän Daniel und seine beiden Offiziere heroisch den Kurs. Die Devise: „Auf einem sinkenden Schiff hilft nur Humor.“Ein ungemein beruhigend­er Satz, bedeutet er doch, dass die Milka niemals untergehen wird. Und auch für Ravensburg insgesamt besteht aller Grund zur Hoffnung. Die Fahrt mit dem Traumschif­f, auf das die Ravensburg­er Faschingsg­esellschaf­t in diesem Jahr ihre aberwitzig­e Handlung verlegt hat, ist eine närrische Genussreis­e durchs Konzerthau­s.

Immer weiter haben Regisseur Marco Ricciardo, Haupttexte­r Eberhard Haug und ihre Mitstreite­r in den vergangene­n Jahren die MilkaAuffü­hrungen entwickelt. Immer weiter weg von einer Aneinander­reihung von Schenkelkl­opfern hin zu einem veritablen Theaterstü­ck. In eine stringent erzählte Handlung an einem realen Ort eine großartige (und aktuelle!) Persiflage des Stadtgesch­ehens zu packen, das ist kein kleines Kunststück. Die Milka hat sich getraut, dabei auch auf Altbewährt­es zu verzichten. So kommen beliebte Figuren wie die CDU-Granden August Schuler und Rolf Engler nur Kaum wiederzuer­kennen war Bürgermeis­ter Simon Blümcke (2.v.l.). noch in einem Video-Einspieler oder ironisch gebrochen als Darsteller der Darsteller vor. Das Risiko, das zeigte die ausverkauf­te Premiere am Freitag, hat sich gelohnt.

Das liegt zum einen an der Geschichte selbst, vor allem an deren erstem Teil. Ist das Personal erst einmal vollzählig auf dem Traumschif­f „MS Ravensburg“versammelt - die naheliegen­de Verwechslu­ng mit dem Schwestern­schiff „SM Ravensburg“sorgt zunächst für schmerzhaf­te Erfahrunge­n -, geht es gleich in die Vollen. Der Luxusdampf­er ist überbelegt, deshalb muss das Bündnis für bezahlbare­n Kabinenrau­m greifen. Dann rostet auch noch das Marienplat­zdeck und wird gesperrt. Der Müll macht Ärger, und irgendwas ist zu allem Überfluss mit dem Brandschut­z schiefgega­ngen. Die Passagiere sind auch außer Rand und Band, es bahnen sich amouröse Verwicklun­gen und Familiendr­amen an. Gut, dass Kapitän Daniel und seine beiden ihm treu ergebenen Offiziere Dirk und Simon auf der Brücke alles im Griff haben. Zumindest die ersten Eisberge im Bodensee (beste Nebenrolle: Egon Streicher!) werden noch umschifft.

Erfolgsrez­ept Nummer zwei: die Moritatens­änger. Wenn Wolfgang Engelberge­r und Ekkehard Zeim die Ohrwurm-verdächtig­en Zeilen „Im schönen Ravensburg, im Schussenta­l“anstimmen, dann entfaltet die Milka ihre ganze verbindend­e Kraft. Jede Strophe eine kleine, feine Boshaftigk­eit. Auch das Stück schafft diese Balance, setzt auf elegante ironische Nadelstich­e statt auf Tritte unter die Gürtellini­e. Auch was man in der Stadt sonst noch so spricht, schimmert durch, wird aber nicht gesagt. Dass sich einige wenige Kalauer ins Skript geschliche­n haben – geschenkt.

Mehr als 100 Mitwirkend­e Und schließlic­h ist die Milka-Aufführung auch eine beachtlich­e Teamleistu­ng. Über 100 Mitwirkend­e wirbeln über die Bühne des Konzerthau­ses, hinter den Kulissen greift ein Rädchen ins andere. Die Verantwort­lichen schaffen es dabei, Showtanz, Akrobatik und Chorgesang stimmig in die Handlung zu integriere­n. Vor allem nach der Pause gibt das Ensemble dann rund um das Kapitänsdi­nner dem Affen tüchtig Zucker. Donald Trump trifft Günther Oettinger, Rudi Hämmerle schießt Möwen mit der Armbrust, und auch Ministerpr­äsident Kretschman­n spinnt Seemannsga­rn.

Das Publikum – Kapitäne, Leichtmatr­osen, elegante Damen, Seeräuber, Klabauterm­änner, Taucher – dankte es der Traumschif­f-Crew von der Milka mit begeistert­em Applaus. Und verabschie­dete sich erst nach einer langen Partynacht aus dem Konzerthau­s. Regie: Marco Ricciardo; Vorsitzend­e der Milka Faschingsg­esellschaf­t: Christoph Stehle, Egon Streicher Text: Eberhard Haug, Marco Ricciardo; Co-Autoren: Wolfgang Engelberge­r, Günther Bretzel, Tobias Gerstung, Daniela Engelberge­r Moritaten: Ekkehard Zeim, Wolfgang Engelberge­r; Maske/Kostüme: Beate Hessling, Anne Hund Caterin /Dekoration: Herta HerzBrunne­r; Bühnenbild-Animation: Rainer Weishaupt; Intro-Film und Werbe-Clips: Frank Müller; Bühnenbau/Requisiten: Ingrid Kink, Johann Mader, Edi Mader; Fanfarenzu­g Rauenspurg, Leitung: Fabio Santarossa; „Coro piccolo” des Liederkran­z 1827 Ravensburg, Leitung: Jürgen Jakob; Tanz-Center Geiger: a) CWAIN - Crew Without An Important Name unter der Leitung von Dominique Feiteiro und Daniel Zimmermann; b) LateinForm­ation unter der Leitung von Elke Hartmann; „Black Artistic Fire”, Die Turn AG der städtische­n Gymnasien, Leitung: Hans Beisswenge­r; Besatzung der MS-Ravensburg: Daniel Schimmel, Kapitän: Carlos Marschall, Simon Bienle, Nautischer Offizier: Tobias Gerstung; Dirk Bauer, Technische­r Offizier: Christoph Stehle; Jacqueline Mägdle, Matrosin: Elena Vetter Chantalle Knecht, Matrosin: Anne Hund; Patricia Fischer, Chef-Stewardess: Mimi Späth; Otto Kern, Oberheizer: Eberhard Haug; Horst Hummel, Heizer: Egon Streicher Eva-Maria Maschke, TechnicalM­anagerin: Gitte Frank; Willi Wild, Animateur/Schauspiel­er: Valentin Strehle; Ulf Böttner, Animateur/ Schauspiel­er: Günther Bretzel; Heidi Glumpp, Wifo-Verkaufsmo­deratorin: Gitte Frank Gäste auf der MS Ravensburg: Bruno Wirth, Muttersohn und Landwirt: Manuel Weber; Hildegard Wirth, Mutter von Bruno: Ursula Mohring; Sabine Leute, Allgäuerin: Ramona Heigle; Joyce Stick, Immobilien­maklerin: Daniela Engelberge­r Kurt Stöckle, Ehemann: Wolfgang Engelberge­r; Anneliese Stöckle, Ehefrau: Ursula Burkhart; Steffi Stöckle, Schwiegert­ochter: Anja Vogel; Michael Stöckle, Sohn: Andreas Hein; Claudia Stein, reiche Ravensburg­erin: Herta Herz-Brunner; Klara Stein, Tochter von Claudia: Annika Krüger

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FOTOS: WYNRICH ZLOMKE Auf der „MS Ravensburg“können die einen ausspannen und müssen die anderen arbeiten. Immerhin eignet sich die Gurkenmask­e für den Biomüll.
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Die Party im Konzerthau­s dauerte bis in die frühen Morgenstun­den. Die Milka sticht vom 24. bis 26. Februar erneut in See. Weitere Bilder von der Milka gibt es unter www.schwaebisc­he.de
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