Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Humor macht Milka-Traumschiff unsinkbar
Aufführung der Ravensburger Faschingsgesellschaft im Konzerthaus wird zur närrischen Genussreise
RAVENSBURG - Im Angesicht der Katastrophe halten Kapitän Daniel und seine beiden Offiziere heroisch den Kurs. Die Devise: „Auf einem sinkenden Schiff hilft nur Humor.“Ein ungemein beruhigender Satz, bedeutet er doch, dass die Milka niemals untergehen wird. Und auch für Ravensburg insgesamt besteht aller Grund zur Hoffnung. Die Fahrt mit dem Traumschiff, auf das die Ravensburger Faschingsgesellschaft in diesem Jahr ihre aberwitzige Handlung verlegt hat, ist eine närrische Genussreise durchs Konzerthaus.
Immer weiter haben Regisseur Marco Ricciardo, Haupttexter Eberhard Haug und ihre Mitstreiter in den vergangenen Jahren die MilkaAufführungen entwickelt. Immer weiter weg von einer Aneinanderreihung von Schenkelklopfern hin zu einem veritablen Theaterstück. In eine stringent erzählte Handlung an einem realen Ort eine großartige (und aktuelle!) Persiflage des Stadtgeschehens zu packen, das ist kein kleines Kunststück. Die Milka hat sich getraut, dabei auch auf Altbewährtes zu verzichten. So kommen beliebte Figuren wie die CDU-Granden August Schuler und Rolf Engler nur Kaum wiederzuerkennen war Bürgermeister Simon Blümcke (2.v.l.). noch in einem Video-Einspieler oder ironisch gebrochen als Darsteller der Darsteller vor. Das Risiko, das zeigte die ausverkaufte Premiere am Freitag, hat sich gelohnt.
Das liegt zum einen an der Geschichte selbst, vor allem an deren erstem Teil. Ist das Personal erst einmal vollzählig auf dem Traumschiff „MS Ravensburg“versammelt - die naheliegende Verwechslung mit dem Schwesternschiff „SM Ravensburg“sorgt zunächst für schmerzhafte Erfahrungen -, geht es gleich in die Vollen. Der Luxusdampfer ist überbelegt, deshalb muss das Bündnis für bezahlbaren Kabinenraum greifen. Dann rostet auch noch das Marienplatzdeck und wird gesperrt. Der Müll macht Ärger, und irgendwas ist zu allem Überfluss mit dem Brandschutz schiefgegangen. Die Passagiere sind auch außer Rand und Band, es bahnen sich amouröse Verwicklungen und Familiendramen an. Gut, dass Kapitän Daniel und seine beiden ihm treu ergebenen Offiziere Dirk und Simon auf der Brücke alles im Griff haben. Zumindest die ersten Eisberge im Bodensee (beste Nebenrolle: Egon Streicher!) werden noch umschifft.
Erfolgsrezept Nummer zwei: die Moritatensänger. Wenn Wolfgang Engelberger und Ekkehard Zeim die Ohrwurm-verdächtigen Zeilen „Im schönen Ravensburg, im Schussental“anstimmen, dann entfaltet die Milka ihre ganze verbindende Kraft. Jede Strophe eine kleine, feine Boshaftigkeit. Auch das Stück schafft diese Balance, setzt auf elegante ironische Nadelstiche statt auf Tritte unter die Gürtellinie. Auch was man in der Stadt sonst noch so spricht, schimmert durch, wird aber nicht gesagt. Dass sich einige wenige Kalauer ins Skript geschlichen haben – geschenkt.
Mehr als 100 Mitwirkende Und schließlich ist die Milka-Aufführung auch eine beachtliche Teamleistung. Über 100 Mitwirkende wirbeln über die Bühne des Konzerthauses, hinter den Kulissen greift ein Rädchen ins andere. Die Verantwortlichen schaffen es dabei, Showtanz, Akrobatik und Chorgesang stimmig in die Handlung zu integrieren. Vor allem nach der Pause gibt das Ensemble dann rund um das Kapitänsdinner dem Affen tüchtig Zucker. Donald Trump trifft Günther Oettinger, Rudi Hämmerle schießt Möwen mit der Armbrust, und auch Ministerpräsident Kretschmann spinnt Seemannsgarn.
Das Publikum – Kapitäne, Leichtmatrosen, elegante Damen, Seeräuber, Klabautermänner, Taucher – dankte es der Traumschiff-Crew von der Milka mit begeistertem Applaus. Und verabschiedete sich erst nach einer langen Partynacht aus dem Konzerthaus. Regie: Marco Ricciardo; Vorsitzende der Milka Faschingsgesellschaft: Christoph Stehle, Egon Streicher Text: Eberhard Haug, Marco Ricciardo; Co-Autoren: Wolfgang Engelberger, Günther Bretzel, Tobias Gerstung, Daniela Engelberger Moritaten: Ekkehard Zeim, Wolfgang Engelberger; Maske/Kostüme: Beate Hessling, Anne Hund Caterin /Dekoration: Herta HerzBrunner; Bühnenbild-Animation: Rainer Weishaupt; Intro-Film und Werbe-Clips: Frank Müller; Bühnenbau/Requisiten: Ingrid Kink, Johann Mader, Edi Mader; Fanfarenzug Rauenspurg, Leitung: Fabio Santarossa; „Coro piccolo” des Liederkranz 1827 Ravensburg, Leitung: Jürgen Jakob; Tanz-Center Geiger: a) CWAIN - Crew Without An Important Name unter der Leitung von Dominique Feiteiro und Daniel Zimmermann; b) LateinFormation unter der Leitung von Elke Hartmann; „Black Artistic Fire”, Die Turn AG der städtischen Gymnasien, Leitung: Hans Beisswenger; Besatzung der MS-Ravensburg: Daniel Schimmel, Kapitän: Carlos Marschall, Simon Bienle, Nautischer Offizier: Tobias Gerstung; Dirk Bauer, Technischer Offizier: Christoph Stehle; Jacqueline Mägdle, Matrosin: Elena Vetter Chantalle Knecht, Matrosin: Anne Hund; Patricia Fischer, Chef-Stewardess: Mimi Späth; Otto Kern, Oberheizer: Eberhard Haug; Horst Hummel, Heizer: Egon Streicher Eva-Maria Maschke, TechnicalManagerin: Gitte Frank; Willi Wild, Animateur/Schauspieler: Valentin Strehle; Ulf Böttner, Animateur/ Schauspieler: Günther Bretzel; Heidi Glumpp, Wifo-Verkaufsmoderatorin: Gitte Frank Gäste auf der MS Ravensburg: Bruno Wirth, Muttersohn und Landwirt: Manuel Weber; Hildegard Wirth, Mutter von Bruno: Ursula Mohring; Sabine Leute, Allgäuerin: Ramona Heigle; Joyce Stick, Immobilienmaklerin: Daniela Engelberger Kurt Stöckle, Ehemann: Wolfgang Engelberger; Anneliese Stöckle, Ehefrau: Ursula Burkhart; Steffi Stöckle, Schwiegertochter: Anja Vogel; Michael Stöckle, Sohn: Andreas Hein; Claudia Stein, reiche Ravensburgerin: Herta Herz-Brunner; Klara Stein, Tochter von Claudia: Annika Krüger