Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Ausflug in eine archaisch-kraftvolle Kunstwelt
Ausstellung mit Skulpturen und Bildern von Klaus W. Prior in der Galerie Hölder in Ravensburg
RAVENSBURG - Es geht um Menschliches, Allzu-Menschliches, die ganze Palette existenzieller Emotionen. Mit harten Schnitten der Kettensäge hat Klaus W. Prior dies mit Wucht den Baumstämmen abgerungen. Jetzt stehen die Skulpturen aus Holz und Eisenguss in der Galerie Hölder in der Ravensburger Marktstraße, im Verbund mit zahlreichen, ebenfalls kraftvoll-expressiven Gemälden und Zeichnungen rundum an den Wänden. Insgesamt rund 40 Exponate versammeln sich in den beiden Galerieräumen.
Dem Stamm die Figur entlocken In die Räume der Galerie passen freilich nicht die überlebensgroßen Holzwächter Priors, davon steht einer schon seit einigen Jahren auf dem Vorplatz. Denn es ist schon die dritte Ausstellung des zwischen Tessin und Allgäu pendelnden Künstlers seit 2009 bei Hölder. Und so konnte Doris Hölder in einer großen Runde von Vernissage-Gästen am Freitagabend einen Altbekannten und eine aktuelle Auswahl seiner Kunst willkommen heißen. Dabei zitierte die Galeristin eingangs Worte des großen Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner zum „sinnlichen Genuss“der Holzbildhauerei („In jedem Stamm steckt eine Figur“) – und entsprach damit sicherlich auch der Schaffens-Philosophie des 1945 ins Nachkriegsdeutschland hinein geborenen Priors. Auch dieser ringt dem Holz – nach eigener Auskunft ohne vorhergehende Skizzen – in proportionaler Überbetonung von Köpfen, Gliedmaßen und Gebärden Figuren von großer Kraft ab. Monochrom, mit lasierender Farbe überzogen, ohne Zugabe von Attributen oder detaillierter Ausgestaltung lassen sie viel Freiraum für die Fantasie des Betrachters.
„Geronnene Gedanken darüber, was Menschsein bedeutet“, sah Vernissage-Redner Simon Blümcke, Erster Bürgermeister der Stadt Ravensburg, in Priors Kunst, und erklärte bewundernd: „Was für eine Essenz und Kraft steckt in seinem Werk“. „Verdichtete Dynamik“sah er auch in den Tuschezeichnungen und Gemälden Priors, die weit weniger bekannt sind als sein bildhauerisches Schaffen. Dabei hat der als Autodidakt zur Kunst gekommene Prior, der nach einer Maschinenbauerlehre vom Niederrhein in die Schweiz umsiedelte und an der Kunstgewerbeschule St. Gallen studierte, mit der Malerei begonnen.
Unerkennbar sind die Einflüsse der archaischen Frühkunst auf Priors Werk, aber auch Anklänge an Lovis Corinth oder Oskar Kokoschka. Wie seine großen Holzfiguren stellt auch seine Malerei den Menschen in den Mittelpunkt, lässt Figuratives in dynamischer Pinselführung erahnen. Für eigene Deutung bleibt viel Raum, für einen Blick in menschliche Grundgefühle und Abgründe. Auch hier wird Farbe zurückhaltend eingesetzt, im überwiegenden SchwarzWeiß-Grau setzen bisweilen starke Rot-Blau-Gelbtöne kräftige Akzente.
Noch bis zum 30. März sind die Skulpturen und Bilder von Klaus W. Prior in der Galerie Hölder in der Marktstraße 59 zu sehen. Ob beabsichtigt oder nicht: Zur neuen Ausstellung im Ravensburger Kunstmuseum mit Werken von Robert Schad, die am nächsten Wochenende eröffnet wird, bietet Hölder wieder eine kongeniale Ergänzung.