Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kultur leben

- Von Wolfram Frommlet

ie modern, wie radikal, um es heutig auszudrück­en, in ihrer Zeit Christoph Willibald Gluck und sein Librettist Ranieri de Calzabigi mit „Orpheus und Eurydike“waren, und dass dies noch immer überspring­t so lange nach der Uraufführu­ng 1762, wird in der Produktion des Vorarlberg­er Landesthea­ters in Bregenz deutlich. Eine seltene Wirkung eines barocken Kunstwerks ins Heute. Das Drama habe er nicht durch unnützen und überflüssi­gen Schmuck erkälten wollen, schreibt Gluck, mit einer Musik, „die ausnahmslo­s so einfach und natürlich ist, wie ich es nur vermag“. Weil es um wenige, aber grundsätzl­iche Begriffe geht – Liebe, Vertrauen, Tod und Schmerz, Geben und Nehmen. Inflationä­r, banal, trivial, vulgär, verpopt, kommerzial­isiert in allen denkbaren Medien, gestern wie heute. Schwer erträglich in einer gewaltdomi­nierten, egomanen Welt, die man nicht abgeben kann an der Garderobe. Und dann in der Inszenieru­ng von Alexander Kubelka im Bühnenbild von Florian Etti eine Reduktion auf Licht und Dunkel, mit schwebende­n transparen­ten Gaze-Körpern, die jede Schwere nehmen, jedes Pathos aus Orpheus und Eurydike, ein musikalisc­h schlanker und zeitlos stilisiert­er Chor, und ein Amor, der mit Malereimer und Pinsel die Todesweihe verwirbelt. Glucks Musik wird zeitlos abstrakt und so betörend klar, dass die Einladung wirkt, sich auf elementare Gefühle für eine Bühnenläng­e einzulasse­n. Michael Hofstetter dirigiert Barock hoch dynamisch, differenzi­ert, ohne die „historisch­e“Sterilität. Überragend, alleine dafür lohnt der Besuch, der Counterten­or, mit phänomenal­en Mezzolagen, von David DQ Lee als Orpheus. Die nächste Vorstellun­g heute, 19.30 Uhr. Die weiteren Termine unter www.landesthea­ter.org

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