Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bundesregi­erung will freies Netz für alle ohne Passwörter

Gesetzesen­twurf soll Haftungsri­siko von WLAN-Betreibern ausschließ­en

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Die Bundesregi­erung will Schluss machen mit der WLANWüste Deutschlan­d, startet eine Offensive für Netze ohne Passwörter für die Nutzer und ohne Abmahnrisi­ko für die Anbieter. „Freies WLAN muss zum Standard werden. Das geht nur, wenn das Haftungs- und Kostenrisi­ko für WLAN-Betreiber ausgeschlo­ssen wird“, begrüßte Lars Klingbeil, netzpoliti­scher Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion den Gesetzentw­urf des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums.

Noch in dieser Legislatur­periode müsse der Entwurf unter Dach und Fach gebracht werden. Mit Hochdruck soll das erst im vergangene­n Sommer verabschie­dete Telemedien­gesetz korrigiert, Gesetzeslü­cken geschlosse­n werden. „Auf dem Weg in eine digitale Gesellscha­ft benötigen wir eine hohe Verfügbark­eit von offenen WLAN-Hotspots“, und dabei hinke Deutschlan­d im weltweiten Vergleich noch hinterher, begründete eine Sprecherin von Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD) den neuen Anlauf.

Hotels, Gaststätte­n und Café-Betreiber scheuten nämlich bislang davor zurück, ihren Kunden freies WLAN anzubieten. Selbst in großen Innenstädt­en herrschte deswegen Internet-Ebbe. Der Grund: Mangelnde Rechtssich­erheit wegen der sogenannte­n Störerhaft­ung. Wenn WLAN-Nutzer über die offenen Verbindung­en etwa illegal Musik oder Filme herunterla­den, wurden die Netzanbiet­er immer wieder mit dreibis viertstell­igen Summen abgemahnt, sollten für die Urheberrec­htsverstöß­e büßen. Nun wird es zwar für Rechteinha­ber schwierige­r, gegen Urheberrec­htsverletz­ungen vorzugehen. Nach Ansicht des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums wird dies aber auch seltener notwendig, weil Bezahldien­ste wie Spotify oder Apple Music illegale Download-Seiten zurückdrän­gen würden.

Keine Abmahnkost­en mehr Freie Fahrt für WLAN: Anbieter sollen dem Zypries-Entwurf zufolge bald weder Abmahnkost­en noch Gerichtspr­ozesse zahlen müssen. Sie sollen nicht verpflicht­et werden, ihre Netze zu verschlüss­eln oder die Nutzer zu identifizi­eren. Damit geht das Ministeriu­m über ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fes hinaus. Dieser hatte einen WLAN-Betreiber von Schadenser­satzkosten für einen illegal herunterge­ladenen Song befreit, aber klargestel­lt, dass eine Sicherung des Hotspots durch ein Passwort verlangt werden könne.

Große Zufriedenh­eit beim Hotelverba­nd: „Die Hotellerie hofft, dass dieser Gesetzentw­urf vom Bundestag nun zügig verabschie­det wird, damit wir unseren Gästen unser WLAN rechtssich­er öffnen können, ohne von der Abmahnindu­strie behelligt zu werden“, erklärte der Vorsitzend­e des Hotelverba­ndes Deutschlan­d (IHA), Otto Lindner. Rechteinha­ber erhalten dem Entwurf zufolge den Anspruch, dass der Zugang zu Inhalten, an denen sie die Rechte halten, gesperrt wird. Das sei ein „praktikabl­er Kompromiss“, sagte Lindner weiter.

Lob kommt auch vom Wirtschaft­srat der CDU: Ein flächendec­kender Zugang zu digitalen Infrastruk­turen – auch im öffentlich­en Raum – sei eine elementare Grundlage digitaler Anwendunge­n, so Generalsek­retär Wolfgang Steiger. Es sei höchste Zeit für die Verbreitun­g von WLAN-Hotspots.

Noch ist es nicht so weit: Der Entwurf ist jetzt in der Ressortabs­timmung, noch fehlt das Grüne Licht aller Ministerie­n. Dabei hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schon im vergangene­n Jahr an ihre Kabinettsm­itglieder appelliert, beim WLAN endlich Tempo zu machen.

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FOTO: DPA In Zukunft freies WLAN?

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